Die Rückkehr

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«Wohin, wohin rennt ihr Unmenschen?

Warum zückt ihr von neuem eure Schwerter?
Ist noch zu wenig römisches Blut
Auf Feldern und Meeren vergossen worden?

Ein strenges Verhängnis
und das Verbrechen eines Brudermordes verfolgt die Römer,

seitdem das Blut des unschuldigen Remus zur Erde geflossen, für die Enkel ein Fluch.»

(Cicero, Über die Pflichten 3,84.)

Marcus war bereits früh am nächsten Morgen wach und spürte, wie Kiana eingerollt an seiner Brust lag. ‚Wie schön es doch war, neben ihr aufzuwachen', durchfuhr es ihn, als er sich vorsichtig von ihr löste, um sie nicht zu wecken. Er stand auf und breitete die Decke anschließend erneut über ihr aus. Dann hauchte er ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange, ehe er sich in das Nebenzimmer schlich, um sich von einer Sklavin beim Anziehen helfen zu lassen. Von nun an würde er eine Toga mit breiten Purpurstreifen tragen. Die Streifen dienten in erster Linie dazu, ihn von den freien Männern Roms abzugrenzen und gleichzeitig den Menschen auf der Straße zu signalisieren, dass er dem ehrenvollen Senat angehörte. Als Konsul war es vor allem seine Aufgabe, diesen zu leiten.

Danach suchte er seine Schwester auf, die gerade dabei war, sich von Rebekah die Haare frisieren zu lassen. Als er ihr Zimmer betrat, war die Sklavin offensichtlich mit der Situation überfordert. Sie hielt die Haare ihrer Herrin noch in der Hand und traute sich nicht, diese mitten beim Flechten loszulassen. Aber so konnte sich auch nicht demütig vor Marcus auf die Knie fallen, wie es sich eigentlich für eine gute Sklavin gehörte.

Als ihr Herr ihre missliche Lage bemerkte, winkte dieser allerdings nur ab und wandte sich seiner Schwester zu.

„Polla, ich möchte, dass du dich um Kiana kümmerst, während ich weg bin. Ich muss zu Gaius und danach noch dem Senat einen Besuch abstatten. Ich weiß nicht, wie lange ich weg sein werde. Sorge doch bitte dafür, dass sie nicht geweckt wird und ein anständiges Frühstück zu sich nimmt. Rebekah", er wandte seinen Blick der Sklavin zu, die wieder in ihrer Arbeit, Polla die Haare zu flechten, fortfuhr. „Du kannst Kiana danach baden. Es war eine lange Reise und sie hat es nötig."

„Ja, Herr", antwortete Rebekah, den Blick immer noch fest auf die Frisur gerichtet, um keinen Fehler zu machen.

„Und Polla, ich möchte nicht, dass man ihr arbeiten zuweist. Sie ist schwanger und soll sich schonen." Letzteres hatte ihm Brianna nochmal mit auf den Weg zurück nach Rom gegeben. Kiana war mittlerweile im fünften Monat und spätestens im letzten Drittel der Schwangerschaft sollte sie weder schwer heben müssen, noch zu stark mit Arbeit belastet werden. Eine Schwangerschaft war für eine Frau auch ohne die zusätzliche Arbeit eine große Herausforderung. Und Marcus wollte nichts tun, was das Leben von Kiana oder von seinem Kind gefährdete.

„Sie soll mit mir Frühstücken", wiederholte seine Schwester, als hätte sie ihn nicht richtig verstanden. „Soll sie etwa auf einer Speiseliege neben mir liegen?"

„Soll sie etwa auf dem Boden sitzen", erwiderte Marcus kühl, da er vergaß, dass es im Gegensatz zu ihm Polla noch neu war, eine Sklavin mit sich speisen zu lassen. Schließlich hatte er fast das gesamte letzte halbe Jahr Kiana bei sich zu Tisch liegen lassen und er erinnerte sich gern an ihre gemeinsamen Abende zurück. Das wollte er in Rom aufrecht erhalten. Jedenfalls solange er keine Gäste empfing.

Polla verdrehte die Augen und meinte nur: „Von mir aus. Wenn es dir so wichtig ist."

„Ich danke dir."

Römische Verhältnisse - Die Diener RomsOù les histoires vivent. Découvrez maintenant