Vorschau I

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März, 33 v. Chr.

Mit einem erschrockenen Aufschrei erwachte Kiana aus einem Alptraum. Gegen das gedämpfte Mondlicht blinzelte sie mehrmals, welches durch das geöffnete Fenster fiel und das Zimmer in silbrige Nuancen tauchte. Die Welt lag noch im tiefen Schlaf, während eine zarte Brise durch die leichten Vorhänge strich und den nahenden Frühling ankündigte. Der betörende Duft von blühenden Blumen und duftenden Kräutern erfüllte den Raum und umgab ihn mit einer Aura von Luxus, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Die Fresken von Amor und Psyche an den Wänden schienen im silbernen Mondlicht zu leuchten, so, als würden sie die göttliche Liebe magisch zum Leben erwecken. Die kunstvollen Schnitzereien des Bettes ergänzten die Darstellungen, hauchten dem Mythos neues Leben ein und füllten das Zimmer mit einer Romantik und Magie, welche die Seele berührten. Die Bettwäsche aus schimmernder Seide zeigte zarte Stickereien von Blumen und Tauben, den Symbolen der Liebe, und schuf eine stimmungsvolle Einheit im gesamten Schlafgemach.

Die Erinnerungen an jene andere Vollmondnacht vor vielen Monden überfluteten Kianas Geist, als Marcus ihr die fesselnde Geschichte von Amor und Psyche zum ersten Mal erzählt hatte. Seine Worte hatten sie tief fasziniert, als er von der Prinzessin Psyche sprach, die mit solch erlesener Schönheit gesegnet war, dass die Menschen aufhörten, Venus zu verehren. Rasend vor Eifersucht hatte die Göttin Amor beauftragt, Psyche dazu zu bringen, sich in einen schlechten Mann zu verlieben. Doch entgegen den Erwartungen verliebte sich Amor selbst in die bezaubernde Frau und führte sie als seine Braut in sein Schloss. Seine einzige Bedingung war, dass Psyche nie sein Gesicht sehen durfte. Es folgten nächtliche Besuche Amors und sein mysteriöses Verschwinden bei Tageslicht. Durch seine lange Abwesenheit fühlte sich Psyche zunehmend einsam und überredete ihren Gemahl, sie ihre Familie besuchen zu lassen. Amor willigte ein, warnte sie jedoch, sich nicht von ihren Schwestern dazu verleiten zu lassen, sein Geheimnis zu lüften – die einzige Bedingung, die er stellte. Die Königstochter willigte ein, und so brachte Amor sie zu ihrer Familie zurück.

Die Erinnerungen an ihre Schwestern, die Psyche mit Neid erfüllt hatten und sie dazu brachten, ihren Gatten zu fürchten. Sie redeten ihrer Schwester ein, dass er in Wahrheit ein Monster sei und nur darauf aus war, sie zu verschlingen. Voller Angst wartete Psyche schließlich eines Nachts mit einer Öllampe und einem Messer auf ihren Gemahl. Als das Licht die Gestalt ihres Geliebten beleuchtete, sah Psyche nicht das befürchtete Monster, sondern den wunderschönen Körper Amors. Unbemerkt fiel ein Tropfen heißes Öl auf seine Schulter, weckte den Gott und untröstlich über Psyches Verrat verließ er sie. In dieser Nacht waren ihre Herzen beide gebrochen.

Kiana dachte an die nachfolgenden Ereignisse, in denen Venus Psyche lebensgefährliche Aufgaben auferlegte, Psyche diese immer bestand und es doch nie genug für die Göttin war. Als sie aus lauter Sehnsucht nach ihrem Geliebten eine kleine Schatulle der Proserpina öffnete, versetzte sich Psyche versehentlich selbst in einen todesähnlichen Schlaf. Amor, der sich von der Verbrennung erholt hatte, eilte seiner geliebten Psyche zu Hilfe und trieb den todesähnlichen Schlaf mit seinen Flügeln zurück in das Kästchen. So konnte Psyche es Venus übergeben, während Amor zu Jupiter flog und um die Erlaubnis bat, Psyche zu heiraten. Der oberste Gott willigte ein und reichte Psyche einen Becher mit Ambrosia, der sie unsterblich machte, und so stand einer Hochzeit mit dem Gott der Liebe nichts mehr im Weg.

Die Tapferkeit von Psyche, die Hindernisse überwand und ihre Liebe zu Amor bewies, berührte Kiana tief. Sie fühlte mit der Prinzessin, die mutig den Herausforderungen des Schicksals getrotzt hatte. Die Geschichte von Amor und Psyche erinnerte sie daran, dass wahre Liebe keine sterblichen oder göttlichen Grenzen kannte und die Macht besaß, alle Hindernisse zu überwinden. Vielleicht war es nicht nur das Schicksal, sondern auch die Macht der Liebe selbst, die sie letztlich zu Marcus geführt hatte.

Römische Verhältnisse - Die Diener RomsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt