Die zwei Seiten einer Medaille - Teil 2

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Caecilia lehnte am Beckenrand und hörte den belanglosen Unterhaltungen ihrer Freundinnen mehr zu, als dass sie daran teilnahm. Immer wieder schweiften ihre Gedanken zu den Geschehnissen der vergangenen Wochen ab, seitdem sie ihrem Mann offenbart hatte, dass sie schwanger war. Sehr zu ihrer Erleichterung hatte er sich über diese Nachrichten gefreut und zum ersten Mal in ihrem Leben hatte er sie wirklich geküsst. Es war kein flüchtiger Kuss gewesen, sondern einer der seine Freude über die bevorstehenden Änderungen in seinem Haus deutlich werden ließ. Unweigerlich machte sich in Caecilia die Hoffnung breit, dass er seine Beziehung zu der Sklavin damit aufgeben und ihr endlich ein richtiger Ehemann sein würde. Sie hatte erwartet, dass sich nun alles zum Besseren wenden würde.

Doch ihre Wünsche wurden nicht zur Realität. Schnell erkannte sie, dass er sich obgleich ihrer Schwangerschaft wieder seiner Mätresse zuwandte und das er die Nächte nun ausschließlich mit ihr verbrachte. War sie keine attraktive Frau mehr, jetzt wo ihr Körper sich zu runden begann? Zuvor hatte er sie trotz seiner Affäre aufsuchen können. Sie mochte es, von ihm geliebt zu werden, doch das war nun offensichtlich ebenfalls vorbei.

Sie hasste es, sehen zu müssen, wie die Sklavin im Haus herumstolzierte, als würde das alles ihr gehören. Zumindest herrschte zwischen ihnen die unausgesprochene Einigkeit darüber, dass entweder sie oder die Barbarin das kleine Lesezimmer ihres Gatten aufsuchte und sie sich ansonsten aus dem Weg gingen. Hauptsächlich begegnete sie ihr, wenn sie Sophia hinterherrannte, die dazu übergegangen war durch das ganze Anwesen zu krabbeln und sämtliche Zimmer unsicher zu machen.

Caecilia hatte seit ihrem fatalen ersten Versuch keinen weiteren unternommen, sich dem Kind zu nähern. Allzu deutlich war ihr in diesem Moment bewusst geworden, wie sehr die Barbarin ihren Gatten unter ihrer Kontrolle hatte. Egal, was Kiana forderte, Marcus erfüllte ihr den Wunsch. Wenn Kiana verlangte, dass sich Caecilia Sophia nicht näherte, dann hatte sie dem ohne Widerspruch zu gehorchen. Fast schon kam es ihr so vor, als wäre sie die Sklavin und nicht diese manipulative Gallierin. Caecilia hasste und verfluchte diese Barbarin für diese exponierte Stellung, die sie im Leben ihres Gemahls einnahm. Mittlerweile erkannte sie zudem das tatsächliche Ausmaß der diversen Privilegien, die er ihr zugestand. Kaum eine der anderen Sklavinnen traute sich etwas, gegen die Sklavin zu sagen, wenn Caecilia sie nach der Beziehung zwischen Kiana und ihrem Herrn ausfragen wollte. Wenigstens verlangte ihr Ehemann nicht, dass sich diese Barbarin auch beim Essen zu ihnen legte. Diese Form der Demütigung würde ihr gerade noch fehlen. Es waren die einzigen Stunden am Tag, in denen sie Marcus für sich alleine hatte. Zwar merkte sie, dass ihr Gatte in dieser Zeit versuchte, ganz für sie da zu sein und sich nach ihrem Tag erkundigte, doch das war ihr nicht genug. Denn sie wusste, sobald die Sklaven den Tisch abräumten, würde er sich zu seiner Mätresse legen, die bereits in seinem Schlafgemach auf ihn wartete.

Die Tage verbrachte Caecilia im Grunde genommen immer nach demselben Muster. Morgens ging sie in Begleitung ihrer neuen Sklavin Anastasia in die Therme und blieb dort fast den ganzen Tag, um sich mit ihren Freundinnen zu treffen. So auch an diesem Tag. Wie jeden Morgen gönnte sie sich zunächst eine ausführliche Massage mit parfümiertem Olivenöl und eine anschließende Schönheitsbehandlung. Danach nahm sie ein ausgedehntes Bad in dem warmen Badewasser. Wie immer stand sie zusammen mit ihren Freundinnen am Beckenrand und unterhielten sich über sämtlichen Klatsch und Tratsch, während ihre Sklavinnen ihnen verschiedene Speisen brachten. Allmählich zeichnete sich die Wölbung ihres Bauches deutlich ab, weshalb sie ihre Schwangerschaft auch nicht mehr länger verheimlichen konnte. Ihre Freundinnen stürzten sich natürlich wie die Hyänen auf das neue und wichtigste Thema für die kommenden Monate. In einer nervigen Dauerschleife gefangen, musste sich Caecilia anhören, wie wohlgesonnen ihr Fortuna doch war und wie gut es die Göttin der Fruchtbarkeit mit ihr meinte, weil sie so schnell einen Erben gebären würde. Sie beneideten Caecilia ohnehin um ihr vermeintliches Glück, weil sie einen jungen, attraktiven Mann geheiratet hatte, der obendrein schon einmal Konsul gewesen war. Marcus Agrippa hätte schließlich jede Frau heiraten können, die er wollte. Durch seine Verbindung zu Caesar wäre es ihm möglich gewesen, eine Frau aus einer Patrizierfamilie zu ehelichen. Mehrmals hatten sie Caecilia bereits danach ausgefragt, ob er es vielleicht aufgrund seiner eigenen Herkunft vorzog, eine Frau wie sie, die ebenfalls nur aus dem Rittergeschlecht stammte, zu heiraten. Jedes Mal musste Caecilia die bissige Erwiderung hinunterschlucken, dass ihr Vater keinesfalls mit Marcus' eigenem Vater, Lucius Vipsanius, vergleichbar und ihm in jeder Hinsicht überlegen war. Eine gute Ehefrau rieb niemandem unter die Nase, dass ihr eigener familiärer Hintergrund besser war als der ihres Mannes. Auch wenn es der Wahrheit entsprach. Marcus Agrippa war ein Aufsteiger. Der Sohn eines unbedeutenden Mannes. Ihr eigener Vater hätte eine größere Bedeutung erzielen können als sein geliebter Freund Marcus Cicero, wenn er dies gewollt hätte. Aber ein großer Mann brauchte keine Ämter, um seine Größe auszudrücken. Daher ließ sich Caecilia nichts anmerken, während sie immer mehr spürte, dass ihre Freundinnen die Falschen waren, um über ihre Eheprobleme zu sprechen. Ihre Ehen schienen alle so glücklich zu sein. Ihre Ehemänner trugen sie auf Händen und jede von ihnen berichtete, was sie schon wieder Tolles geschenkt bekommen hatten. Hauptsächlich teuren Schmuck, den sie in der Öffentlichkeit zur Schau stellen konnten. Es war nicht so, dass Marcus sie kurz halten würde. Über das Geld, das sie mit in die Ehe brachte, ließ er sie frei verfügen. Mit dem kleinen Vermögen konnte sie ihre Tage damit füllen, sich in den privaten Thermen verwöhnen zu lassen. Anschließend schlenderte sie mit ihren Freundinnen über den Markt, um sich mit Armreifen, Ohrringen, Halsketten und sonstigen Schmuck einzudecken. Bei der besten Näherin der Stadt gab sie ein Kleid nach dem anderen in Auftrag und sie hatte für ihr Zimmer den gefragtesten Künstler Roms engagieren lassen. Sie wollte ihr Schlafgemach mit den wunderschönsten Fresken ausstatten, die Rom jemals gesehen hatte. Doch all das vermochte nicht die tiefe Melancholie zu vertreiben, die sie umgab und die sie in ihrem gebrochenen Herzen fühlte. All die vielen schönen neuen Sachen halfen ihr nicht dabei zu vergessen, dass ihr Gatte eine Liaison mit einer Sklavin hatte. Deswegen hatte sie sich auch entschieden, ihrem Jugendfreund eine Nachricht zukommen zu lassen. Er war die einzige verbleibende Person, die ihr einfiel, mit der sie über ihre Eheprobleme reden konnte. Ihren Vater würde sie nicht damit belasten. Sie war sich sicher, dass ihr Vater sofort einer Scheidung zustimmen würde, doch das wollte sie nicht riskieren. Sie wusste immer noch nicht, wie ihr Vater es geschafft hatte, den Wirren der Proskriptionen zu entgehen, insbesondere da er der beste Freund des großen Marcus Tullius Cicero gewesen war. Nie hatte sie gewagt, es ihn zu fragen. Doch sollte ihr Vater die Scheidung von Marcus verlangen, so würde das unweigerlich auch zum Bruch mit dem neuen Caesar führen und wer wusste, was dann mit ihm geschehen würde. Nein, ihn würde sie nicht damit belasten.

Römische Verhältnisse - Die Diener RomsWhere stories live. Discover now