Tempora mutantur

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Eiligen Schrittes lief Marcus auf das Badezimmer zu. Ungeduldig brannte sein ganzer Körper danach, sich endlich wieder mit Kiana zu vereinen. Schon bald würde er nach Sizilien aufbrechen müssen und nur die Götter wussten, wie lange er sie nicht mehr im Arm würde halten können. Deshalb wollte er ihr jede Stunde bis zum Zeitpunkt seiner Abreise schenken und sie mit ihr genießen. Irritiert blieb er jedoch stehen, als er seine Frau erblickte, die sich mit seiner Geliebten unterhielt. Was konnte sie von Kiana zu dieser späten Stunde noch wollen? Ein mulmiges Gefühl breitet sich in seiner Magengegend aus. Es konnte nichts Gutes sein. Schnell zog er in den Schatten einer Säule zurück, um die Unterhaltung der beiden unbemerkt belauschen zu können. Caecilia redete ungehalten auf seine Geliebte ein. Zuerst bot sie ihr ihre Freiheit an, doch als Kiana ablehnte, fing sie wild an seine Geliebte zu beschimpfen und ihr schließlich auch noch damit zu drohen, sie zu verkaufen. Es kostete ihn einiges an Selbstbeherrschung, nicht in das Gespräch zu platzen und seine Gattin auf der Stelle zurechtzuweisen. Anscheinend hatte sie immer noch nicht verstanden, dass er es nicht tolerierte, wenn sie seine Mätresse bedrohte. Doch sehr zu seiner Erleichterung konnte Kiana dieses Gespräch auch ohne seine Hilfe meistern. Jede Silbe ihrer Worte verriet das tiefe Vertrauen, was sie mittlerweile zu ihm hatte und verdrängte die negativen Gefühle in ihm. Gerade in Momenten wie diesen wurde ihm erneut bewusst, wie sehr er sie liebte und das er keine andere Antwort von ihr hätte akzeptieren können.

Jedoch musste er sich auch eingestehen, dass er die letzten Wochen in dem Irrglauben gelebt hatte, dass sich Caecilia mit den Gegebenheiten arrangieren würde. Ihren Kummer hatte sie sich nicht einen Augenblick anmerken lassen. Nun konnte er hören, wie sehr sie darunter litt, dass er eine Geliebte hatte. Er bedauerte es, ihr so weh tun zu müssen, doch er konnte ihr keine andere Ehe bieten. Er konnte nicht von Kiana lassen. Die Wochen, in denen er so vorgeben musste, sie wäre ihm gleichgültig, waren ihm schon so unglaublich schwergefallen und wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann war er froh, dass dieses Versteckspiel ein Ende gehabt hatte. Caecilia hatte er nur aus einem Grund geheiratet: Er brauchte eine standesgemäße Ehefrau an seiner Seite, die ihm legitime Erben schenkte. Zwar hatte er ihr nie ausdrücklich gesagt, was er von ihr erwartete und wozu er ihr zu geben bereit war, aber dies änderte nichts an der Tatsache, dass dies die wahren Verhältnisse waren, in denen sie lebte. Seine Beziehung zu Kiana wollte und konnte er nicht aufgeben und er würde sich niemals dafür entschuldigen, wem sein Herz gehörte.

Er sah, wie Caecilia wütend davon stürmte und hörte, wie sie die Tür hinter sich zu knallte. In ihrem Zorn hatte sie ihn gar nicht wahrgenommen. Kurz überlegte er, ob er ihr hinterherrennen sollte, doch es war Kiana, zu der ihn sein Herz zog. Geräuschlos trat er aus dem Schatten und sah, wie die aufrechte Haltung seiner Geliebten zu bröckeln begann. Heiße Tränen liefen über ihr schönes Gesicht, während ihre Körper immer tiefer in das Becken sank. Schnell entledigte er sich seiner Tunika, sprang in das warme Wasser und schwamm zu ihr. Sanft zog er seine Mätresse in seine Arme. Augenblicklich drehte sich Kiana zu ihm um und presste mit aller Kraft ihren herrlich nackten Körper gegen seinen. Marcus drückte sie noch enger an sich und spürte das unkontrollierte Beben, welches ihren ganzen Körper erschütterte. Erst jetzt drang ihr leises Schluchzen zu ihm durch. Nein, so konnte es einfach nicht weitergehen. Jeder weitere Tag, an dem sie Caecilia beinahe vollkommen schutzlos ausgeliefert war, würde sie innerlich langsam und qualvoll zerstören. Diese schlichte Wahrheit musste er sich widerwillig eingestehen. Lange genug hatte er versucht, so zu tun, als wäre alles noch so wie in ihren ersten Monaten in Gallien. Er dachte, es würde reichen, Caecilia die Wahrheit über sich und Kiana zu erzählen und ihr deutlich zu machen, dass sowohl Sophia als auch seine Geliebte für sie tabu waren. Dabei hatte er vergessen, dass Caecilia keine willenlose Marionette, sondern seine Ehefrau war, der er, wenn schon nicht seine Liebe, dann doch zumindest seinen Respekt schuldete. Nie wollte er so werden wie sein Vater und seiner Familie Schaden zufügen, aber jetzt musste er sich eingestehen, dass er sowohl seiner Gattin als auch seiner Geliebten auf andere Weise entsetzliche Schmerzen bereitete. Nie hatte er vorgehabt, eine von ihnen durch sein Verhalten zu verletzen. Obgleich Kiana sein Herz gehörte, hatte er eine Pflicht gegenüber seiner Ehefrau, die er sehr Ernst nahm. Doch er hatte sich zu lange einer Illusion hingegeben, als er angenommen hatte, er könnte beide Frauen unter einem Dach friedlich leben lassen.

Römische Verhältnisse - Die Diener RomsDonde viven las historias. Descúbrelo ahora