Die Schlacht von Naulochoi

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03. September 36 v. Chr.

Konzentriert und entschlossen starrte er auf Pompieus' Flotte am Horizont. Beinahe senkrecht stand die Sonne am Himmel und auf den glitzernden Wellen tanzte ihr verzerrtes Spiegelbild. Das leichte Schaukeln seines Schiffes merkte er kaum. Ein kühler Windhauch blies ihm durch das lockige, braune Haar. Vor Anspannung und Nervosität raste sein Herz, doch äußerlich blieb er ruhig. Keine Faser seines Körpers verriet das Chaos in seinem Inneren, denn er konnte nur daran denken, dass es für ihn um alles oder nichts ging. Er dachte an seine Töchter und hoffte, dass sie nicht ohne ihn aufwachsen mussten. Er dachte an seine Frau und seine Geliebte, zu denen er zurückkehren wollte. Er dachte daran, was eine Niederlage für seinen besten Freund bedeuten würde. Er dachte an das Unglück, das erneut über Rom einbrechen sollte, wenn er diese Schlacht verlor. Denn seine Niederlage würde Rom nichts als Hunger und Tod bescheren. Eine weitere Katastrophe dieser Art würde seiner geliebten, von den Bürgerkriegen der letztes hundert Jahren gebeutelten Stadt die Ewigkeit nehmen. Er musste siegen. Wie ein wild gewordener Bienenschwarm summten all diese Gedanken wirr und unkontrolliert durch seinen Kopf.

Der Tag der alles entscheidenden Schlacht war nun hereingebrochen und so deutlich wie noch nie zuvor in seinem Leben blickte er in das geheimnisvolle, grausame Gesicht der Fortuna. Flucht war keine Option mehr. Diesmal würde sich keiner von ihnen zurückziehen und eine Entscheidung verzögern können. Heute würde er Sextus Pompeius nicht mit seiner Flotte entkommen lassen. Diesmal würde er bis aufs Ganze gehen. Für diese Schlacht hatte er extra seine neue Waffe, die Harpax, kreiert. Sie bestand aus einem zwei Meter langen Holzstück, an dem eine mit Kabeln verbundene eiserne Harpune mit mehreren Widerhaken an ihren Enden befestigt war. Sein Plan war es, die Harpax mit einem Katapult auf die gegnerischen Schiffe zu schleudern. Auf diese Weise würde es ihm gelingen, die kleineren, wendigeren Schiffe des Pompeius zu entern und ihm dieses Vorteils zu berauben. Noch nie zuvor hatte er diese Waffe eingesetzt oder gar an seinen eigenen Schiffen ausprobiert, weshalb das Überraschungsmoment auf seiner Seite sein musste. Auf seine Harpax waren Sextus' Männer nicht vorbereitet und er würde ihnen niemals die Möglichkeit dazu geben.

Ein letztes Mal atmete Marcus tief durch und wandte sich dann mit fester Stimme seinen Männern zu. Ruhe durchströmte ihn. Hier war er in seinem Element. Genau hierfür war er geboren und ausgebildet worden. Nichts anderes war seine Bestimmung. Der Sieg würde der seine sein. Mit seiner lauten Baritonstimme übertönte er schnell das Gebrabbel der Männer auf seinem Schiff, die sofort verstummten und ihre gesamte Aufmerksamkeit auf ihn richteten.

«Soldaten Roms! Wir sind bereit, Sextus Pompeius und seiner Flotte aus Piraten und Geächteten die Stirn zu bieten! Seht nur, wie mächtig, wie stark, wie legitim die unsere ist! Der Gegner hat für uns nur Geringschätzung übrig! Er lacht über unser seefahrerisches Geschick. Er weiß weder, wie gut wir auf diesen Kampf vorbereitet sind, noch wie scharf unsere Schwerter sind. Auf den ewigen Ruhm Caesars! Auf den ewigen Ruhm Roms!» Marcus reckte seine Faust in die Höhe, während seine Ansprache immer lauter und lauter wurde. Auf seine finale Einschwörung hin fingen seine Männer laut an zu jubeln und streckten ihre Fäuste ebenfalls in die Höhe, während sie brüllten: «Auf die Ehre Caesars! Auf die Ehre Roms!»

Fast zeitgleich hörte er die Rufe der rivalisierenden Flotte und sah, wie sie sich in Bewegung setzten. Die Schiffe pflügten mit ihrem Bug durch die schäumenden Wellen, begleitet von einem Hagel aus brennenden Pfeilen. Doch sehr zu Marcus' Freude hatten sich seine Gegner nur auf die kleineren Schiffe vor ihm konzentriert. Außerdem stellte er mit einer Mischung aus Erleichterung und einer gewissen Fassungslosigkeit fest, dass Pompeius' Männer den Wind und den Abstand falsch berechnet hatten, sodass sich die erste Ladung der Pfeile vollständig im Meer ergoss. Damit hatten sie bereits mit ihrem ersten Angriff nicht nur die Schlacht eröffnet, sondern auch wertvolle Munition verschleudert. Ein überlegenes, fast schon triumphierendes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Bald würde sich zeigen, ob Pompeius seinem Anspruch, der Sohn des Meeres zu sein, gerecht wurde oder nicht. Er hatte vor, ihn als den zu entlarven, der er war. Der abtrünnige Piratensohn des großen Magnus Pompeius, des zweitgrößten Feldherrn den Rom jemals gesehen hatte.

Römische Verhältnisse - Die Diener RomsWhere stories live. Discover now