Die Saturnalien

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17. Dezember 37 v. Chr.


Das strahlende Licht der Sonne blendete Marcus Agrippa so stark, dass er nur kleine Punkte vor Augen sah. Geduldig stand er in seiner Toga mit den breiten Streifen, die seine Stellung als Konsul für jeden sichtbar machte, neben Gaius bei den anderen Senatoren auf den Stufen des Tempels. Es war ein ausgesprochen milder Tag für diese Jahreszeit. Marcus versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er die warmen Strahlen auf seiner Haut genoss, während er den Worten der Priester lauschte. Diese waren gerade dabei mit ihrem melodischen Singsang die traditionellen Gebete für den Gott Saturn zu sprechen.

Ohne, dass Marcus es verhindern konnte, schweiften seine Gedanken zum heutigen Morgen ab. Mit einem kleinen, unauffälligen Lächeln erinnerte er sich daran, wie Kiana ihn heute sanft mit ihren zärtlichen Küssen geweckt hatte. Er war dankbar, dass sie nachts wieder zu ihm kam und gleichzeitig froh darüber, dass seine Ehefrau immer noch keinen Verdacht gegen seine Geliebte hegte. Fast mehr noch freute es ihn, dass Kiana wieder so anschmiegsam wie eh und je war. Nur zu gerne kuschelte sie sich in seine Arme oder verwöhnt ihn mit ihrer Zuneigung.

Natürlich ließ Marcus es sich nicht nehmen, ihr an dem heutigen Tag zu zeigen, wie viel sie ihm bedeutete. Mit einem Schmunzeln musste er daran denken, wie er Kiana an diesem Morgen, ehe das Haus erwachte, ein kleines Geschenk anlässlich dieses höchsten aller Feiertage gemacht hatte. Er hatte ihr die traditionelle sigillaria, eine kleine Wachsfigur, geschenkt und mit Freude zugesehen, wie Kianas Augen zu strahlen begonnen hatten. Leider hatte er heute Morgen nicht viel Zeit mit seiner Geliebte verbringen können. Denn mit dem ersten Sonnenstrahl musste sie sich in ihr eigenes Zimmer zurück schleichen und er selbst hatte sich für den Festakt beim Tempel des Saturns einkleiden lassen müssen.

Niemand konnte oder wollte sich dem Sog der Saturnalien entziehen. Schon gar nicht Marcus Agrippa. Schon als Kind hatte er aufgeregt beobachtet, wie die Menschen seiner kleinen Heimatstadt aus ihren Häusern hervorkamen und den Weg zum Saturntempel einschlugen. Aber nichts auf der Welt ließ sich mit dieser bunten, vielfältigen Schönheit vergleichen, in der die Mächtigste aller Städte an diesem heiligen Tag erstrahlte. Wie in der Provinz strömten bei Tagesanbruch alle Bürger mit ihren Familien zum Tempel, um sich einen guten Platz für das Spektakel zu sichern. Denn hier wurde nicht nur die offizielle religiöse Zeremonie abgehalten, sondern auch das große, öffentliche Bankett stattfinden. Vor dem Tempel waren bereits diverse Tische aufgestellt und mit reichlich Essen ausgestattet worden. Essen, das sich sonst nur die Oberschicht leisten konnte, wurde heute für alle Bürger Roms kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Kosten übernahmen wie immer die Aedilen.

Wie jedes Jahr baten die Priester für ein weiteres, gutes Jahr für Rom, ehe die Opfertiere zu ihnen gebracht wurden. Jeder der Priester hatte bereits einen Holzhammer in der Hand und kupferne Becken wurden aufgestellt. Nachdem sämtliche Gebete gesprochen wurden, stellten sich die Priester neben den Stieren auf. Alle schlugen gleichzeitig mit ihren hölzernen Hämmern gegen den Kopf der Opfertiere. Ehe die betäubten Tiere reagieren konnten, hatten ihnen die Priester schon die Kehle mit ihren langen Messern durchtrennt. Das Blut, das aus den Tieren sprudelte, wurde von den Kupferschalen aufgefangen, bevor die prächtigen Stiere schließlich zusammenbrachen und tot auf dem Boden erstarrten. Nachdem die Opfer dargebracht worden waren, begannen die Priester zu Ehren des Festtages die Wolle von den Füßen der Saturnstatue zu entfernen. Kaum war dies geschehen, wurde die schöne Statue von ihrem Sockel gehoben und auf einer extra für sie gebauten Liege gebettet. Auf diese Weise konnte Saturn an seinem eigenen Fest als Ehrengast anwesend sein und aktiv an den Feierlichkeiten der Sterblichen teilnehmen.

Nachdem der öffentliche Teil des Festes beendet wurde, machte Marcus sich, dicht gefolgt von seinen zwölf Liktoren, auf den Heimweg, um dort den privaten Teil der Feierlichkeiten zu zelebrieren. Während der Saturnalien war es Brauch, dass die Sklaven und Sklavinnen mit ihren Herrn gleichgestellt waren. An diesem hohen Festtag waren sämtliche Formen von Arbeit und Bestrafungen verboten, weshalb Caecilia fast alle Vorbereitungen ohne Hilfe verrichten musste. Mit einem strahlenden Lächeln begrüßte ihn seine Gemahlin im Atrium und zog ihn direkt mit sich durch das Haus. Marcus spürte förmlich die Freude, die von ihr ausging. Es waren die ersten Saturnalien, die Caecilia als Hausherrin ausrichten durfte, und ihr ganzer Körper vibrierte vor Stolz. Zwar hatte sie auch schon im Haus ihres Vaters die Feierlichkeiten überwacht, doch waren es meistens die Freigelassenen, die sich um alles gekümmert hatten. Selbst war Caecilia noch zu jung gewesen, um die volle Verantwortung tragen zu können. Doch selbst wenn sie alt genug gewesen wäre, so war sie immer die Tochter des Hauses gewesen, nicht dessen Herrin.

Römische Verhältnisse - Die Diener RomsWhere stories live. Discover now