Prolog

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Lodernde Flammen breiteten sich in rasender Geschwindigkeit über ihre Heimat aus. Die Hütten aus Holz hatten der vernichtenden Kraft des Feuers nichts entgegenzusetzen. Stattdessen schien das Feuer einen regelrechten Freudentanz zum Himmel zu veranstalten. Es reckte sich dem dunklen Nachthimmel entgegen und erleuchtete die Umgebung in einem schaurig rotem Licht.

Sie konnte dieses grauenhafte Schauspiel aus ihrem Versteck im Wald heraus beobachten. Ihr Vater hatte ihr befohlen, sich zu verstecken, als die Männer kamen, um sie mitzunehmen. Sie wusste nicht, wer überlebt hatte und wer nicht. Sie konnte nur die verzweifelten Schreie der Frauen und die Rufe der Männer hören.

Sie hoffte, dass sich wenigstens ein paar der Frauen mit ihren Kindern in Sicherheit hatten bringen können und sich nun ebenfalls im Wald versteckten. Die Männer würden zurückbleiben und bis zum Schluss gegen die alles verzehrende Wut der Flammen und gegen ihre Angreifer zu kämpfen.

Und das alles wegen ihr. Der Tochter des Fürsten. Sie würden ihr Leben für sie geben und das Mädchen vermutete, dass einige ihre Leben bereits für sie geopfert hatten.

Erst als das Feuer keine Nahrung mehr fand, langsam schwächer wurde und schließlich ganz erlosch, wagte sie sich aus ihrem Versteck.

Sie rannte zurück zu ihrem Dorf, dessen Trümmer sich nun vor ihr ausbreiteten.

Um sie herrschte Totenstille. Mit verängstigten Schritten lief sie durch das Tor und da sah sie sie. Vor ihren Augen entfaltete sich ein Bild des Grauens. Wohin sie auch blickte, befanden sich vom Feuer verstümmelte Leichen. Männer, Frauen, Kinder. Menschen, mit denen sie aufgewachsen war, lagen tot am Boden. Für immer würden sie nun in der Anderswelt leben. Und das alles nur wegen ihr. Sie trug die alleinige Schuld für jeden einzelnen Tod.

Die heiße Asche des Feuers schien bis in ihr Innerstes vorzudringen.

Sie hatte das nicht gewollt. Hätte sie gewusst, welche Konsequenzen ihr Handeln ausgelöst hätte, hätte sie sich in ihr Schicksal ergeben. Dann hätte niemand für sie sterben müssen.

Und dann sah sie sie. Unweit der Hütte, die einmal ihr Zuhause war.

Ihr gellender Schrei hallte durch die stille Nacht. Sie sah nicht, dass nun andere Männer das Dorf betraten. Ihr Blick galt nur den beiden toten Gestalten, die dort am Boden lagen. Blind für ihre Umgebung rannte das Mädchen zu ihnen und warf sich vor ihnen auf die Knie. Mit zitternden Fingern ergriff sie die leblose Hand ihres Vaters. Sie war noch warm. Aus blinden Augen starrte er über sie hinweg. Neben ihm lag ihre Mutter. Auch aus ihren Augen war der einst so strahlende Glanz des Lebens entwichen.

Das Mädchen führte die Hand ihres Vaters an ihr tränennasses Gesicht. Eine Ewigkeit verharrte sie in dieser Stellung. Dann richtete sie sich plötzlich auf und blickte sich suchend um. Ihr Bruder fehlte. Wo war er? Bildete sie es sich nur ein oder hörte sie in weiter Ferne das Klirren von aufeinander schlagendem Metall?

Sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, ob es noch Krieger aus ihrem Dorf gab, die woanders kämpften. In diesem Moment packten vier raue Hände ihre Arme und schliffen sie von den toten Körpern ihrer Eltern fort. Sie wehrte sich mit aller Kraft gegen die fremden Männer, doch es war vergeblich. Sie hatte ihrer Stärke nichts entgegensetzen.

Vor einem großgewachsenen, bärtigen Mann wurde sie grob in den Staub geworfen. Das Mädchen spürte, wie ihre Knie aufschlugen, doch es war ihr egal. Alles war ihr egal. Das Leben, das sie kannte, war vorbei. Trotzig erwiderte sie den Blick der kalten Augen ihres Entführers. Niemals würde sie sich von ihm brechen lassen. Das war sie ihrem Stamm schuldig.

Römische Verhältnisse - Die Diener RomsWhere stories live. Discover now