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„Möchten Sie noch ein Stück Zucker in Ihren Tee? Dann schmeckt er süsser und macht Sie glücklich, ma chère Anne." Ein Lächeln voller Zuneigung stiess gegen hartherzige Ablehnung. „Nein." Doch der König liess sich nicht beirren. „Ich habe Ihnen etwas mitgebracht. Es ist aus Gold und glänzt. Es wird Sie bestimmt fröhlich stimmen!", verkündete er. „Nur weil etwas einen hohen Wert hat, macht es mich nicht zwingend fröhlich."

„Was ist denn los mit Ihnen? Sie haben es noch nicht einmal gesehen und lehnen es ab. Sie hassen es. Wie soll ich mir Ihr kaltes Verhalten erklären? Was habe ich verbrochen, dass Sie mich so verabscheuen, meine Anne?" Ein vorwurfsvoller, wenn nicht schon bedrohlicher Unterton schlich sich in seine Stimme. „Ich bin nicht Ihre Anne!" Er erstarrte und seine Miene wurde finster. „Sie haben zugestimmt mich zu heiraten. Wissen sie noch? Ich helfe Ihnen: Es war in einer grossen Kirche und es gab viele Menschen, die auch da waren. Ausserdem..."

„Und Sie glauben, ich hätte zugestimmt? Ich hatte keine Wahl! Konnte ich den König vor dem Altar stehen lassen? Meine Familie damit beschmutzen und ruinieren? Nein, konnte ich nicht. Also sagen Sie nicht, ich hätte zugestimmt", fauchte die Königin erbost. „Sie lieben mich nicht, damit habe ich mit abgefunden, aber Sie können mich nicht meiden. Ich bin Ihr Mann und König und ich kann über Sie bestimmen, als Ehefrau und als Untertanin. Was ist Ihnen lieber? Ach, einen Moment. Es interessiert ja niemanden, was Sie denken. Wie damals im grossen Saal, als Sie mich lächerlich gemacht haben", spuckte er giftig hervor. „Sie sind ein Biest." Ein hämisches Lächeln legte sich auf seine Lippen. Das Liebevolle war vollkommen aus seinem Gesicht verbannt worden.

„Nein, ich bin der König und wenn ich will kann ich Sie ruinieren. Ich kann Sie von der geziemten und wunderschönen Königin in die dreckige und unglaubwürdige Betrügerin verwandeln. Dafür brauche ich nicht einmal einen Tag." Eine Drohung. Nicht mehr und nicht weniger. „Das würden Sie nicht tun", hoffte Anne fast flehend. „Nicht? Seien Sie sich da mal nicht so sicher. Ich kann ganz leicht behauptet, Sie hätten eine Affäre gehabt. Ihr Ruf wäre dahin, sie würden nie wieder einen guten Namen haben, denn den König soll man nicht betrügen." Wieder wechselte seine Stimmung in sekundenschnelle. Sorgenfrei erklärte er Anne ihren gesellschaftlichen Untergang. „Sie haben doch auch Ihre Maitressen", argumentierte die Königsgattin. „Ich bin König und jedem wird klar sein, dass der König grosszügig ist, wenn er nicht nur eine Frau beglückt."

„Dann suchen Sie sich jemanden, der Ihnen Glauben schenkt. Ich habe keine Lust mehr dieses Theater mitzuspielen." Damit hatte der König nicht gerechnet. Er hatte nie vorgehabt seinen Plan um zu setzten, er hatte bloss Anne etwas einschüchtern wollen, damit es leichter wäre sie zu kontrollieren.

„Anne, bitte", versuchte er sie umzustimmen, ihren Entschluss rückgängig zu machen. „Jetzt flehen Sie mich an? Das ist erbärmlich." Das Gefühl der Macht durchströmte sie. Macht und Verzweiflung, weil es kein Ausgang aus ihrer misslichen Lage zu geben schien. „Anne, bitte hören Sie mir zu. Ich brauche Sie. Ich habe mich damit abgefunden, dass Sie mich nicht lieben, aber ich brauche Sie als Königin. Ich bin kein schlechter Mensch, vielleicht ein schlechter Ehemann, aber kein schlechter Mensch. Und wie soll das Volk vertrauen in mich haben, dass ich ihr Land richtig führe, wenn es nicht einmal meine Frau sieben Jahre mit mir aushält." Er sank in sich zusammen. Als würde die Luft aus ihm weichen.

„Können Sie nicht so tun, als würden Sie mich lieben? Wenn niemand da ist, brauchen Sie mich nicht anzusehen oder mit mir zu sprechen, aber können Sie nicht für die Öffentlichkeit meine glückliche Königin spielen. Ich flehe Sie an!" Er packte ihre Hand und obwohl jede Faser ihres Körpers danach schrie, ihre Hand wegzureissen, liess sie ihn gewähren in diesem Moment der Schwäche. „Nur wenn Sie mir einen Gefallen erweisen", forderte Anne selbstbewusst. „Was ist es? Ich werde alles tun!" Der Herrscher wusste, dass ihm keine andere Möglichkeit blieb, wie er seine Gattin zum Bleiben zwingen konnte, als ihre Forderungen zu erfüllen.

„Fragen Sie mich ab und an nach meiner Meinung. Weihen Sie mich ein, in Ihre Geschäfte. Ich weiss, ich verlange viel von Ihnen, aber Sie umgekehrt auch von mir. Es muss auch nicht in der Öffentlichkeit sein, Sie können mir alles in einem stillen und  abgelegenen Zimmer erklären. Aber wenn ich schon in diesem Schloss bleiben soll, dann möchte ich wenigsten wissen, was um mich herum geschieht." Resignation zeigte sich auf dem Gesicht von Louis VIII. „Einverstanden, Anne", sagte der König geknickt, „Ich wünsche Ihnen trotz Allem eine gute Nacht." Mit hängenden Schultern verliess er das Teezimmer.

Anne lächelte müde. Verloren hatte sie nichts. Dass sie in diesem Schloss gefangen war, war ihr sowieso schon klar gewesen. Jetzt würde sie wenigstens erfahren, was ausserhalb der Mauern vor sich ging. Und seit sie Constance an ihrer Seite hatte, war das Leben im Schloss auch erträglicher geworden.

Gemächlich stand Anne auf und begab sich in ihre Gemächer. Dort würde ihre Freundin auf sie warten, Anne würde Constance von ihrem Gespräch mit dem König erzählen und diese würde mit ihr zusammen nachdenken, ob das nun eine gute Idee gewesen war oder ob sie sich zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte.

Das Leben einer KöniginWhere stories live. Discover now