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Aramis, du antwortest schon lange nicht mehr auf meine Briefe, deshalb liegen die Briefbögen auch schon seit Längerem unbenutzt in meinem Gemach.

Nun ist es bald zwei Jahre her, dass Constance mit freudig geröteten Wangen in mein Zimmer gestürmt ist und mir eröffnet hat, dass diese Affäre zwischen dir und Milady de Winter nur gespielt sei. Ich weiss nicht, wie viele Briefe ich dir danach geschrieben habe. Ich weiss nicht, wie oft ich dir versichert habe, dass ich noch immer auf dich warte und dass ich an unsere Liebe glaube. Aber ich weiss, dass ich nie eine Antwort bekommen habe. Keine einzige.

Langsam bin ich mir auch nicht mehr sicher, ob ich noch an unsere Liebe glauben soll und kann. Soll ich Constance und d'Artagnan glauben, dass alles nur Schein ist oder dem Rest der Welt, der von rauschenden Festen erzählt, die du an der funkelnden Seite von Milady besucht hast?

Falls du mich noch liebst, bitte antworte mir endlich. Falls nicht, bitte ich dich inständig nie wieder nach Paris zurückzukehren. Ich könnte deinen Anblick nicht ertragen. Anne

Aramis las den Brief zum tausendsten Mal. Seit bald einem Jahr trug er das vergilbte Papier mit sich herum. Er hütete es wie ein Schatz in seiner Brusttasche.

Bis jetzt hatte er nie eine Wahl gehabt. Nie. Doch nun sollte sich das ändern. Sein Auftrag war abgeschlossen, sogar erfolgreich. Er hatte sich das Vertrauen der Milady de Winter erkämpft, gesichert und zum Schluss schamlos ausgenutzt.

Als Belohnung liessen ihm seine Vorgesetzten selbst eine Entscheidung über seine Zukunft fällen. Entweder nahm er einen neuen Auftrag an, der ihn in alle möglichen Winkel der Welt treiben könnte oder er kehrte als Leibgarde nach Paris zurück.

Sein Herz zog ihn nach Paris. Er sehnte sich nach Anne wie ein Durstender das Wasser vermisste. Aber wie würde sie auf ihn reagieren nach all den Schmerzen, die er ihr bereitet hatte? Würde sie ihn überhaupt noch sehen wollen? Würde sie ihm seinen feigen Weggang verzeihen? Und würde sie ihn noch lieben können, nachdem er sie aufs Bitterste verraten hatte?

Doch obwohl seine Mission ihn womöglich Annes Liebe gekostet hatte, bereute er seine Entscheidung nicht. Er würde den Auftrag wieder und wieder annehmen, denn durch sein Spiel mit der Milady, hatte er verhindern können, was er am meisten fürchtete auf dieser Welt.

Milady de Winter, die eleganteste und kälteste Frau ihrer Zeit, hatte ihm ihre Liebe geschenkt. Sie hatte ihm die Tore zu ihrem Herzen geöffnet und somit auch zu ihren Informationen. Und genau diese Informationen hatten es ermöglicht, den Anschlag auf das französische Königshaus zu verhindern. Einen Anschlag, der nicht nur den politischen Persönlichkeiten sondern auch Anne gegolten hätte.

Annes Liebe bedeutet für Aramis alles. Doch ihr Leben bedeutete ihm mehr. Sie könnte auch glücklich sein ohne ihn, hatte er sich während seiner Mission immer wieder ins Gedächtnis gerufen, aber wäre sie tot, kaltblütig ermordet, würde nie wieder ein Lächeln ihre Lippen zieren. Ihr leichenblasses Antlitz, das zu Grabe getragen wurde, vor Augen, hatte es Aramis nie an Motivation gefehlt, seinem Verlangen nach Annes Gesellschaft nachzugeben. Es war seine Aufgabe für ihr Wohl zu sorgen. Und diese würde er bis zu seinem letzten Atemzug über alles andere Stellen.

Das Leben einer KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt