1652

4.4K 385 11
                                    

„Will jemand noch ein Bier? Also ich könnte noch eins vertragen nach diesem Einsatz. Wer zum Teufel noch mal hat sich dieses ganze Herumstehen in der prallen Sonne eigentlich ausgedacht? Man könnte glauben, wir wären bloss Marionetten, die man ohne schlechtes Gewissen herumtanzen lassen kann", wetterte Athos. „Ich nehm' noch eins", erwiderte der einsilbige Portos ohne aufzublicken. Aramis und d'Artagnan wussten ebenfalls, dass man nicht auf Athos' Nörgeleien eingehen sollte, falls man nicht stundenlange seinem Gemecker lauschen wollte. So nickten sie schweigend.

Athos stemmte sich an der Tischplatte hoch und wedelte wild mit der Hand; er konnte es seinen Freunden nicht übelnehmen, dass sie seinen Tiraden nicht aufmerksam zuhörten - sie hatten alle genügend eigene Probleme - doch ein bisschen eingeschnappt war er dennoch. So erklärte sich auch die Ungeduld in seiner Stimme. „He, Bedienung, noch vier Bier."

„Nur mit der Ruhe", lachte die Frau des Besitzers gelassen. Sie kannte Athos Macken fast so gut wie seine Freunde. Die Vier hatten das Lokal früher des Öfteren aufgesucht. In letzter Zeit hingegen kaum, denn ob sie es wahrhaben wollten oder nicht: langsam spürten auch die Musketiere das Alter in den Knochen.

Die Besitzerin klopfte Athos beruhigend auf die Schulter. Ein Blick der gütigen Frau reichte aus, um dem Aufbrausenden den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er erwiderte ihr Lächeln und setzte sich zurück auf seinen Stuhl. „Meine Kellnerin holt gerade frisches Bier aus dem Keller. Das ist dann schön kalt. Extra nur für Euch, meine edlen Herren", zwinkerte sie und brachte die Freunde damit zum Lachen.

Sie verschwand, um anderen Besuchern eine gute Gastgeberin zu sein und so verweilten die Musketiere wieder schweigend. Sie alle wussten nicht, über was sie sprechen sollten - nicht einmal Athos. Sie hingen ihren eigenen Gedanken nach, verloren sich in Erinnerungen. Die Hütte ihrer Freizeitkleidung fielen ihnen tief in die Stirn; schützten sie vor den gehässigen Blicken des Volkes, das nicht mehr gut auf die Garde des königlichen Hofes zu sprechen war.

Und wie sie auf die Tischplatte starrten, schenkte keiner von ihnen der sich nähernden Kellnerin grosse Beachtung. Keiner zuckte zusammen, als die Gläser auf der Tischplatte platziert wurden. Doch als die Kellnerin sprach mit einer unverkennbaren Stimme, traute keiner der Männer seinen Ohren. „Santé, die Herren", wünschte die Bedienung, ohne zu wissen, wen sie eben bediente.

Kein Musketier rührte sich, keiner konnte sich rühren. Sie kannten die Stimme. Sie war ihnen allen so vertraut und gleichzeitig fremd geworden. Die Kellnerin wunderte sich kurz über die ausbleibende Reaktion ihrer Gäste, dann zuckte sie mit den Schultern und wandte sich zum Gehen. Sie hatte schon fast den Tresen erreicht, als ihr die leise Stimme d'Artagnans einen Schauer über den Rücken jagte.

„Constance?", presste er hervor und obwohl er nicht mehr als ihren Namen flüsterte, schlug ihr einsames Herz augenblicklich höher. „Seid Ihr es wirklich?", flehte er. Voller Hoffnung und gleichzeitig voller Schmerz. Gehörte diese Stimme nicht seiner Angebeteten, würde er sie ein weiteres Mal verlieren. Und ob er dazu im Stande wäre, wusste er nicht.

„D'Artagnan!", jauchzte sie und bevor jemand wusste, was geschah, kippte d'Artagnans Stuhl hinten über und das wiedervereinte Paar fiel sich in die Arme. Tränen kullerten über ihrer beiden Wangen und liessen die stürmischen Küsse salzig schmecken. Kaum löste einer ihre Lippen voneinander, zog der andere seinen Seelenverwandten erneut in einen innigen Kuss. Hätte sich Athos nicht irgendwann geräuschvoll geräuspert, wären Constance und d'Artagnan noch immer in einem ewigen Kuss versunken und hätten nicht mit geröteten Wangen von einander abgelassen.

„Ihr hattet Recht, Aramis", verkündete d'Artagnan mit leuchtenden Augen. „Ich hätte niemals zweifeln sollen, niemals. Nicht an mir, nicht an Constance, nicht an unserer Liebe. Doch wenn ich etwas aus den vergangenen Jahren gelernt habe, dann dass weder Schicksal noch König mich und meine Constance zu trennen vermag!"

Das Leben einer KöniginWhere stories live. Discover now