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Langsam und graziös tanzte sie zur Musik. Ein strahlendes Lächeln zierte das Gesicht. Ihr bordeaux-farbenes Kleid umhüllte sie wie ein Traum. Alle Augen lagen auf ihr; nicht das Kleid war der Traum, sie war es. Wunderschön und unerreichbar für alle ausser den König selbst. Sie war sein persönliches Eigentum, was sie in den Augen der Betrachter nur noch begehrenswerter Machte. Die Musikanten spielten weiter. Der Tanz schien kein Ende nehmen zu wollen.

Dabei wünschte sich Anne nichts mehr, als endlich in ihr Zimmer zu gehen und diese schwere Kette loszuwerden, dieses prachtvolle Kleid gegen ein schlichtes Nachtgewand auszutauschen, dieses falsche Strahlen abzulegen.

Ein weiterer Tanz, dann noch einer, welchem sogleich ein weiterer folgte. Doch selbst die längsten Abende mussten ein Ende nehmen.

Ihre Füsse schmerzten in den eleganten Schuhen, als Anne in ihre Gemächer begleitet wurde. Sie schickte die vielen Zofen weg, sodass nur noch Constance ihr beim Umziehen half. Keine der beiden Frauen sagte etwas. Anne war zu müde und Constance gönnte ihr die Ruhe.

Die Stille durchbrechend klopfte es an der holzigen Türe. „Noch Besuch um diese Zeit?", fragte Constance überrascht und ging zur Türe. Anne zuckte mit den Schultern. Leise Stimmen drangen zu ihr, aber sie konnte nicht verstehen, was Constance und die Stimme sagten.

Die Zofe kehrte zurück. „Es ist Aramis. Soll ich ihn hineinbitten?" Anne nickte, bevor sie sich ernsthaft überlegte, welche Folgen das mit sich ziehen könnte. Sie werde dann draussen warten, meinte ihre Freundin noch, bevor sie wieder verschwand und Aramis an ihrer Stelle ins Zimmer trat.

„Guten Abend, Anne. Wie war der Ball?", wollte der Musketier wissen, während er sich beeindruckt in ihrem Gemach umsah. Sein Interesse an den protzigen Möbeln verflog rasant und er wandte sich wieder dem Grund zu, weshalb er sich um diese Uhrzeit von einem seiner Freunde hatte ablösen lassen. „Schrecklich langweilig", krächzte Anne und lächelte müde.

„Darf ich dich um einen Tanz bitten?" Er konnte nicht wiederstehen. Sie zog ihre Stirn kraus. „Aramis, was soll das?" Er winkte ihre Frage unbeantwortet ab. „Bitte, ich wollte schon immer einmal mit dir tanzen", offenbarte er.

„Ich trage nur ein Nachgewand." Auch dieser Einwand schien ihm keiner zu sein. „Das macht nichts. Du weisst doch, dass ich dich auch so wunderschön finde." Sie errötete, trat aber auf ihn zu und reichte im seine Hand. „Wie willst du ohne Musik tanzen?", versuchte sie die aufkommende Stimmung zu zerstören. Es war einfach zu riskant sich dem Zauber hinzugeben. Und doch furchtbar verlockend.

„Lass mich nur machen", grinste er. Und dann tanzten sie. Die Musik nur in ihren Köpfen und doch tanzten sie im gleichen Takt. Ein Musketier und eine Königin im Nachtgewand. Ein ungewöhnlicher Anblick im höfischen Gemäuer. Ausser den Schritten drang kein Laut nach draussen. Auch nicht als Aramis die Hand hob und sanft durch Annes Haare strich. Er beugte sich vor und küsste sie. Ganz leicht und kurz, wie ein Schmetterling.

Die kleine Berührung ihrer Lippen reichte aus, um alle Gefühle neu zu entfachen. Beiden war klar, dass dies verboten war, gefährlich und doch nicht zu vermeiden.

Ungern liess Anne ihren Geliebten gehen, aber Constance war zurückgekehrt und hatte beunruhigt von Schritten in den Gängen erzählt. So hatte sich Aramis mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht verabschiedet. Dieses Lächeln und die Tatsache, dass Annes Wangen noch immer verräterisch rot schimmerten, offenbarte Constance auf der Stelle, was vorgefallen sein musste.

„Es ist zu gewagt", sagte sie streng als er weg war. „Ja", antwortete Anne mit einer Hand auf ihren Lippen und einem verträumten Blick in die Ferne.

„Es könnte euch beide euer Leben kosten", argumentierte die besorgte Zofe weiter. „Ja", stimmte die Königin ihr zu, während das pure Glück allmählich aus ihrem Antlitz schwand.

Es blieb Constance nichts anderes übrig, als eine verzweifelte Feststellung zu äussern. „Ihr seit wahnsinnig!" Annes Lächeln war noch da, wenn ihre Augen auch traurig glänzten. „Möglicherweise." Doch ein Leben ohne ihn, käme dem Tod gleich.

„Du liebst ihn noch immer?", fragte Constance bedacht. Im Raum standen nicht mehr eine Königin, die sich an Regeln zu halten hatte, und deren Zofe, die sie an eben diese zu erinnern hatte, sondern bloss zwei Freundinnen, deren einen Kummer auch das Leid der anderen bedeutete. „Ja."

„Ich muss auch wahnsinnig sein, dass ich euch helfe...", murmelte die Zofe. „Oder du bist auch verliebt. Die Grenze zwischen Liebe und Wahnsinn existiert nur in den Köpfen der Menschen, welche noch nie in den verhängnisvollen Genuss der Liebe gekommen sind."

Constance konnte ihrer Königin keine Antwort geben. Wie sollte sie auch so grausam sein und ihrer Freundin ihr eigenes Glück aufdrängen, wo diese doch wusste, dass ihre eigene Liebe niemals das sein würde, was sie sich erhoffte. Nie würde sie frei sein ihre Liebe auszuleben.

„Es ist dieser Musketier, habe ich Recht? Dieser Freund von Aramis. Wie heisst der nochmals?", bohrte Anne nach und überspielte ihren Kummer so gut wie möglich. „D'Artagnan", erklärte Constance.

Das Leben einer KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt