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Schwer atmend liess sich sie auf einem Stuhl nieder. Ihr Keuchen war flach und ruckartig. Ihre Lungen brannten. Ihre Knie drohten unter ihr nachzugeben. Ihre Hände zitterten. Sie kniff die Augen zusammen und versuchte den Anfall zu überspielen, aber es war ihr nicht möglich. „Maman?", fragte der junge König vorsichtig. Er wusste, wie sehr es seine Mutter verabscheute, wenn jemand sie auf ihre Atemprobleme ansprach.

„Es geht gleich wieder", presste sie heraus. Kaum ein Wort kam über ihre Lippen, ohne dass sie nach Luft schnappte. „Treppen. Es waren nur die Treppen", erklärte sie weiter, nachdem sie von drei Hustern in Folge geschüttelt worden war. Louis tätschelte ihre Hand und lächelte. „Wie Ihr meint, Maman. Ruht Euch nur aus, während ich mich zum Schneider begebe. Er erwartet mich in meinen Gemächern." Anne nickte und setzte ein gespieltes Lächeln auf, doch ihr Sohn enttarnte dieses nicht als solches. Er wusste nicht, wie schlecht es um die Gesundheit seiner Mutter stand.

Fröhlich pfeifend verliess er das Zimmer und seine Mutter. Aramis, der Wache gestanden hatte, betrat nun das Gemach. Als er seine Geliebte sah, rannte er bestürzt die letzten Schritte auf sie zu. Bei ihrem Anblick drohte ihm das Herz zu brechen. „Du musst dich hinlegen", befahl er ihr, doch sie konnte ihn nicht hören. Zu sehr war sie von ihrem Leiden eingenommen.

Aramis sah, dass sie nicht in der Verfassung war, um selbst zu ihrem Bett zu finden. So hob er sie hoch und trug sie von hier bis zu ihrem Gemach. Aramis war auch schon alt, doch Anne, die schon immer schlank gewesen war, hatte in den letzten Monaten einiges an Gewicht verloren. So viel es ihm leicht, ihre schmale Gestallt bis zu ihrem Bett zu tragen und sie dort vorsichtig abzulegen. Er setzte sich neben sie und hielt ihre Hand, während er darauf wartete, dass der Anfall abklang.

„Du solltest dich doch schonen. Es wird immer schlimmer", sagte er, als sie sich ein bisschen erholt hatte. Er wusste, dass sie es abstreiten würde; immer versprach sie allen, dass ihr nichts fehlte. Immer musste sie stark sein. So auch dieses Mal. „Nein, mir geht es gut", beteuerte sie und wollte aufstehen, aber Aramis drückte sie mit sanfter Gewalt in die Kissen zurück. Er musste dazu kaum Kraft aufbringen. Sie war nicht mehr stark genug, um ihm entgegen zu wirken.

„Du solltest endlich auf den Arzt hören, Anne. Ich weiss, dass du bei deinem Sohn bleiben möchtest, aber die Stadtluft bekommt dir nicht. Du wirst kränker und kränker mit jedem Tag. Ans Bett gefesselt bringst du Louis nichts mehr. Wenn du aber aufs Land ziehst, wie es dir der Doktor rät, dann hat deine Lunge die Möglichkeit sich zu erholen. Wäre das nicht schöner? Wenn du wieder normal atmen könntest? Louis wird dich bestimmt besuchen."

Anne schloss die Augen und dachte darüber nach. Es wäre das Beste. Es wäre das Beste für sie. Sie könnte im Landhaus leben. Mit Aramis, Constance und d'Artagnan. Und Louis könnte sie besuchen, so oft er Zeit fand. Doch sie wollte nicht schwach sein.

„Anne, du bist eine wunderbare und starke Frau, aber gegen deine Atembeschwerden kannst du nicht kämpfen. Du musst endlich anfangen dich zu schonen! Versprich es mir", flehte Aramis. Er sah seine Geliebte vor seinem inneren Auge, wie sie in einem schlichten Kleid zu Grabe getragen wurde. Er sah es vor sich, als wäre es real.

„Ich werde mich in Zukunft schonen. Zufrieden?", lenkte Anne ein, die wusste, dass sie keine Wahl haben würde. „Für den Moment, ja. Aber ich werde dich noch überzeugen ins Landhaus zu ziehen. Verlass dich darauf."

Das Leben einer KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt