5. September 1638

4.7K 439 57
                                    

Ein Wimmern ertönte. Es brachte Anne zum Lächeln. „Lass es ein Mädchen sein!", flehte sie stumm, doch ihre Wünsche wurden nicht erhört. Die Hebamme trat näher. Das Neugeborene auf dem Arm, ein Strahlen im Gesicht. „Königin Anne. Ich darf Ihnen gratulieren. Ihr kleiner Junge sieht wunderschön aus."

Ein Junge. Annes Lächeln erstarb. Sie hatte sich immer einen Sohn gewünscht, aber nicht, wenn sie ihn verlassen musste und wahrscheinlich nie wieder sehen durfte. „Wollen Sie ihn nicht halten?", fragte die Hebamme verunsichert, da Anne keine Anstalten machte, den kleinen Jungen zu nehmen. „Doch, natürlich."

Mit dem Kleinen im Arm konnte Anne nicht anders. Sie musste in seinem Gesicht nach Ähnlichkeiten suchen. Die Nase hatte er von ihr. Doch die Lippen hatte er ganz klar von Aramis geerbt. Die Augen möglicherweise auch, aber das konnte sie noch nicht feststellen.

„Anne?" Constance betrat das Zimmer. „Meine liebe Constance, möchtest du ihn auch einmal nehmen?" Entgegen den Erwartungen blieb die Zofe im Türrahmen stehen. „Der König befiehlt, dass sich die Hebamme entfernen soll und Ihr Euch bedecken sollt. Er will das Kind sehen. Jetzt."

Ein Schrecken ergriff Besitz von Anne. Nicht einmal ein paar Minuten würde sie mit ihrem Sohn haben. Trotzdem bedeutete sie der Hebamme ihr eine Decke zu reichen und dann das Zimmer zu verlassen.

Kaum waren nur noch die beiden Freundinne im Zimmer, trat auch schon der König hinein. „Und?", wollte er wissen. „Habe ich meinen Erben." Anne nickte. „Gib ihn mir", verlangte der Herrscher.

Anne richtete sich auf und übergab ihren Sohn, auch wenn sie ihn am liebsten unter ihrer Decke versteckt und behauptet hätte, das Kind wäre bei der Geburt gestorben.

„Er heisst Louis", verkündete der König und verweigerte seiner Gemahlin jegliche Einwände. Anne nickte zögerlich. Sie hatte sich sowieso nur einen Mädchennamen ausgesucht. Marielle hätte sie ihre Tochter genannt.

„Wer soll bei ihm bleiben, Anne?", erkundigte sich Louis, der Dreizehnte, während Louis, der Vierzehnte, in seinen Armen nach seiner Mutter schrie. „Wie bitte?" Annes Herz zerriss bei jedem Schrei ihres Sohnes mehr und nur mit Mühe wandte sie ihre Aufmerksamkeit ihrem Gemahl zu.

„Meine liebe Anne. Du wirst in einer Stunde in unser Landhaus fahren. Ich werde zu beschäftigt sein, um dich zu besuchen und du magst das Leben im Louvre nicht. Entsprechend besuchst du auch mich nicht. Mein Sohn - entschuldige - unser Sohn wird hier von einer Dame, die sich mit gutem Benehmen auskennt, erzogen und unglücklicherweise wird er seine Mutter nie kennenlernen. Aber ich bin grosszügig und du darfst eine deiner Zofen aussuchen, die dann Zofe des Prinzen wird. Nun wer soll es sein?"

„Constance", entschied Anne ohne gross nachdenken zu müsse. Wenn sie ihr Kind jemandem anvertrauen musste, dann niemand geringerem als ihrer besten Freundin. „Aber Anne, ich kann doch nicht ohne Euch hier bleiben!", ereiferte sich diese. „Soso", säuselte der König. „Du nennst die Königin beim Vornamen. Vielleicht bist du kein so guter Umgang für meinen Sohn."

„Ich habe es ihr befohlen", warf Anne grimmig ein. „Sie hatte keine Wahl. Ich wünsche, dass sie hierbleibt. Tust du mir den Gefallen, Constance?" Diese zögerte nun keine Sekunde mehr, als sie die Verzweiflung in der Königin Augen sah. „Sehr wohl, Madame."

„Wunderbar, dann ist also alles entschieden. Ich wünsche dir ein schönes Leben, Anne. Wünsch deinem Sohn auch noch eins und gib ihn dann Constance."

Schweigend und den Tränen nahe nahm Anne den kleinen Louis in die Arme. Das Weinen verklang. Ganz leicht war er noch. Der Kleine verzog Aramis' Lippen zu einem Gähnen und stiess ein wohliges Geräusch aus.

„Leb wohl, mein Kleiner", sagte Anne mit brechender Stimme. „Constance, nimm ihn." Die Zofe folgte ihrem Wunsch und flüsterte ihr kaum hörbar ins Ohr: „Ich werde d'Artagnan einen Brief für Euch mitgeben. Aber schreiben Sie mir nie direkt. Ein solcher Brief würde sowieso nicht ankommen." Dann folgte sie den Säugling tragend dem König und liess ihre langjährige Freundin allein mit ihrem Kummer.

Das Leben einer KöniginWhere stories live. Discover now