Kapitel 5 Widerstand

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Kapitel 5    Widerstand

Das zaghafte Klopfen erreicht Dan unmittelbar. Er öffnet die Augen und atmet tief durch, steht auf und läuft zur Tür. Das Kribbeln in seinem Körper breitet sich langsam aus.

Mit der Hand auf der Türklinge schüttelt er sich kurz und öffnet schließlich die Tür. Ein freundliches Lächeln umsäumt sein Gesicht, während er seine Hand zum Begrüßen ausstreckt.

Und er erblickt Lee.

Lees Herz setzt einen Schlag aus, als er Dan vor sich stehen sieht.

Er hat das Gefühl, sein Blut würde aus seinem Körper entfliehen. Jeder erhöhte Herzschlag pumpt sein Blut aus seinem Körper.

Er streckt seine eiskalte Hand aus und legt sie in Dans warme.

Blutleer spürt er, wie Dans Wärme in seinen Körper steigt.

Er erwidert Dans Lächeln.

„Guten Morgen, Lee Yeng", ertönt Dans tiefe Stimme, während er noch immer Lees kalte Hand hält.

Lee verliert sich in Dans Augen. Er fühlt sich nicht in der Lage, zu antworten. Seine inneren Fesseln genehmigen ihm keine Ausflüchte. Kein Rettungsboot.

Je länger die warme Hand Dans seine blutleere Hand hält, desto enger umschließen ihn seine inneren Fesseln.

Je länger er Dan in die Augen schaut, desto mehr verlassen ihn seine Sinne.

Er spürt, wie er seinen Körper verlässt. Abhebt. Von außen diesen Moment beobachtet.

Dan sieht Lee in die Augen und sieht seine schwindende Kraft. Als habe Lee gerade einen Geist gesehen.

Seine Augen zittern leicht, seine eiskalte Hand liegt leblos in seiner. Er ist verstummt.

Dan beschließt, Lee aufzufangen.

„Komm doch rein. Es ist heute besonders kalt. Wärm dich auf", sagt er und zieht Lee in seine Praxis. Ohne seine Hand loszulassen, führt er ihn zu der Therapiecouch. Dort angekommen, legt er seine andere Hand auf Lees Schulter und drückt ihn sanft runter. Lee setzt sich und spürt die plötzliche Leere an den Stellen, wo eben noch Dans Hände lagen.

Er kann keinen klaren Gedanken fassen. Eine kalte Welle von traurigen Gefühlen überrollt ihn. Er ist nicht bereit, seinen Verstand einzusetzen. Lässt sich einfach überschwemmen. Er spürt die Tränen in ihm fluten. Mit all seiner Kraft hält er sich zurück. Kann nicht fassen, was gerade mit ihm passiert.

„Lee, ich werde unsere Sitzungen und die anschließenden Analysen aufzeichnen. Das Diktiergerät liegt hier auf dem Beistelltisch. Wie du siehst, habe ich jetzt eine Therapiecouch. Du kannst dich nun hinlegen", sagt Dan ruhig, startet die Aufnahme und lehnt sich auf seinem Sessel zurück.

Lee schaut auf das Diktiergerät, wendet seinen Blick wieder zu Dan und prägt sich das Bild Dan Rin auf seinem Sessel ein.

Ein markantes Gesicht mit großen, schwarzen Augen, volle, lächelnde Lippen, schwarzes Haar, das ihm in Strähnen auf der Stirn liegt. Sein blaues Hemd liegt eng an seinem Oberkörper. Die ersten beiden Knöpfe sind geöffnet und genehmigen einen Blick auf seine helle Haut. Sein Adamsapfel liegt ruhig. Lee sieht das langsame Heben und Sinken seiner Brust. Seine starken Schultern halten seine muskulösen Arme. Das Blau spannt an seinen Oberarmen und lockert sich bis zu seinen Unterarmen. Seine großen, warmen Hände liegen auf den Sesselarmen.

Lees Augen verharren auf Dans Händen und nehmen schließlich seine schwarze Hose und die weißen Turnschuhe wahr.

Er richtet seinen Blick wieder auf Dans Augen. Sie schauen sich still an.

Die Psychologie der LiebeWhere stories live. Discover now