Kapitel 21 Verneinung

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Kapitel 21    Verneinung

Dan parkt auf der Müllerstraße am U-Bahnhof Seestraße noch kurz in zweiter Spur und hüpft in den türkischen Imbiss-Restaurant Hambir rein, eine berühmte Kette in Berlin, um Lee eine gelbe Linsensuppe zu kaufen.

Er will keine Zeit verlieren und die freundlichen Männer hinterm Tresen bedienen fleißig die vielen Passanten, die sich eine Köstlichkeit bei Hambir einverleiben wollen.

Dan zahlt und steigt wieder in sein Toyota ein.

Es ist 18.37 Uhr und er spürt, Lees Anwesenheit sich nähern.

Nachdem er endlich einen Parkplatz in der Kamerunerstraße findet, steigt er aus und läuft mitten in sein Leben hinein.

Er klingelt bei Yeng und wartet.

„Wer ist da?", ertönt Lees Stimme in der Gegensprechanlage.

Dans Herz macht eine Rolle.

„Eine Lieferung", verstellt er seine Stimme und wird belohnt.

Nun rennt er in das Treppenhaus des Vorderhauses, hüpft an den Kinderwagen vorbei, düst über den kleinen Hof und überspringt mehrere Stufen beim Aufsteigen in den 3. Stock.

Außer Atem und mit kaltem Schweiß auf der Stirn steht er plötzlich Lee gegenüber.

Lee.

Er steht an seiner weit geöffneten Eingangstür.

Lee.

Dan spürt, wie er von dem Gefühl seines Traumes überrollt wird.

Er ist der 5. Jährige, der vor Lee steht. In seinem Keller. Im Dunkeln.

Er will ihm in die Arme springen.

Spürt die Tränen seines Sturms gegen seine zitternden Augen peitschen.

Er holt nochmal tief Luft und sagt mit verstellter Stimme:

„Eine heiße Linsensuppe für Lee Yeng."

Er hält die Tüte mit der Suppe hoch und lächelt weich.

Und erntet nichts.

Nichts.

Kein Lächeln. Keine Fassade. Nur Nichts.

Dan spürt einen Stich im Herzen.

„Lee, bitte lass mich reinkommen. Kann ich bitte reinkommen? Lass mich, bitte", fragt Dan nun mit demütiger, tiefer Stimme.

Lee dreht sich um und geht in die Küche.

Die noch offene Tür steht Dan zum Eintreten bereit.

Er atmet erleichtert aus, zieht die Schuhe aus und betritt Lees Wohnung.

Aufgeregt. Besorgt. Etwas verängstigt.

Er betritt die Küche und sieht Lee an dem kleinen Tisch sitzen. Er sitzt auf dem Stuhl mit an den schwarzen Körper gezogenen schwarzen Beinen. Seine schwarzen Fersen ruhen auf dem Stuhlrand. Seine schwarzen Arme umschließen seine schwarzen Unterschenkel. Sein helles Gesicht ruht auf seinen schwarzen Knien.

Dan sieht seine schwarze Schildkröte in ihrem Häuschen.

Sein Herz bricht bei dem Anblick. Ein intensiver Schmerz ergreift seinen Körper. Er spiegelt Lee und beschließt stark zu sein. Für ihn da zu sein.

„Kennst du die türkische Linsensuppe. Mit Zitrone schmeckt sie besonders gut. Und stärkt auch den Körper. Du siehst blass aus. Ich bereite sie dir vor", sagt Dan fürsorglich, während er in der Küche sich dreht und wendet, hemmungslos alle Schränke und Schubladen öffnet, um alles zusammen zu sammeln, was er braucht.

Die Psychologie der LiebeWhere stories live. Discover now