Kapitel 30 Tabu

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Kapitel 30    Tabu

Es gibt nur noch einen Tisch am Ende des Restaurants. In dem recht schmalen Bereich gibt es lediglich zwei Tischpaare. Eins am Schaufenster, eins an der Wand gegenüber.

Lee ist erleichtert, dass ihm die vorbei laufenden Passanten nicht beim Essen beobachten können. Er will mit Dan alleine sein. Und dass an dem Tisch am Fenster drei Frauen sitzen und lautstark im Gespräch verwickelt sind, stimmt ihn nicht fröhlich.

Dan legt seine Hand auf Lees Rücken, während er ihn durch den schmalen Weg zu ihrem Tisch führt.

Auch Dan fallen die drei Frauen auf, deren Tischpaar sehr nah an ihrem steht. Er merkt aber, dass sie Dan und Lee nicht wahrnehmen. Sie sind in ihrer eigenen Welt. Lachen und staunen laut über ihre gegenseitigen Kommentare.

Dan lächelt bei dem Anblick des Einkehrens dieser einander nahestehenden Frauen.

Und nun möchte er mit Lee direkt nebenan einkehren.

Genau das liebt er an Deutschland. Die gegenseitig respektierte Anonymität. Jeder kann sich frei entfalten. Die sozialen und gesellschaftlichen Zwänge und Tabus wurden in dem Land der Denker und Dichter durch Diversität und Freiheit ersetzt.

Ein Wandel, der den Freidenkern die Möglichkeit gibt, Offenheit für das Bunte des Lebens zu leben, aber auch den Rückzug in die Privatsphäre zu zelebrieren.

Und so sieht Dan die drei Freidenker-Ladys am Nebentisch ihnen trotzdem die angemessene Privatsphäre schenken. Lee und Dan müssen sie nur genauso ausblenden, wie sie es tun. Frei und anonym.

Nachdem ihnen die Speisekarte von einer jungen Kellnerin überreicht wird und sie nacheinander grinsend nach einer guten Wahl suchen, schwingen die ersten aneinander gereihten Buchstaben, Wörter, Sätze vom Nebentisch zu ihnen rüber.

Freidenker-Lady 1 und 2 lachen laut auf, während die 3 immer wieder ihre Neugier verkündet: „Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie das dann läuft. Erzähl doch mal. Nun, mach schon. Nennt man das bei Lesben dann nicht Petting? Ich meine beim Sex muss man doch empfangen. Beim Geschlechtsverkehr muss es doch einen Verkehr geben."

Die 2 seufzt laut: „Typisch Hetero-Frau. Sex ist weit mehr als Penetration. Du hast wirklich keine Ahnung."

„Das muss ich jetzt googlen. Wie wird den Geschlechtsverkehr definiert?", ruft 3 und greift nach ihrem Handy.

Alle drei Freidenker-Ladys rücken ihre Köpfe zusammen. Sie warten, bis eine seriöse Website ihnen die Definition bietet.

Und während die Definition gerade verkündet wird, kann Lee nicht mehr zuhören. Die Kellnerin möchte die Bestellung aufnehmen und er hat noch gar nicht richtig in die Karte geguckt.

Er war zu sehr damit beschäftigt, dem Gespräch mit zugeneigtem Kopf zu folgen.

Er merkte nicht, dass Dan ihn die ganze Zeit über beobachtet.

Wie Lee mit geöffnetem Mund die zugegebener Weise etwas leiser hätten sprechenden Frauen beobachtet.

Dan fragt sich, was in Lees erstauntem Kopf vor sich geht.

Ist es die extrovertierte Art des Austausches oder das Thema, das Lee so brennend interessiert.

Er weiß nur, dass Lee ihn nicht einmal angesehen hat, seitdem sie sitzen.

Sein Blick nimmt alles auf. So wie seine Ohren auch.

„Ich nehme das, was er nimmt.", sagt Lee , in der Hoffnung, dass Dan schon gewählt hat. Endlich guckt er Dan an und schenkt ihm ein Lächeln.

Die Psychologie der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt