Kapitel 35 Wahrnehmung

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Kapitel 35    Wahrnehmung

Im Kaffeehaus Zimt & Zucker in der Potsdamer Straße in Berlin Schöneberg steht die Zeit still.

In einer der hippsten Bezirke Berlins durchmischen sich alle Geister und Materien der Wonne.

Alle Straßen zeigen Wege.

Verschiedene Geschmäcker, Vorlieben.

Zierlicher Schnörkel trifft auf Raute im Kopfstand.

Regenbogenbunt und frei.

Und im Zimt & Zucker lassen die von den Jugendstillampen beleuchteten Deckenmalereien eine richtige Atmosphäre schaffen. Die richtige Atmosphäre, um es sich an einem Sonntagmorgen auf den Samtsofas und umgeben von Vintagemöbeln gemütlich zu machen.

Hier kehren Generationen ein.

Und so auch an diesem Sonntagmorgen.

Dan sitzt neben Professor Österreich gegenüber von Lee und Professor Dieckmann.

Die Plätze waren ihnen vorgeschrieben. Die alten Freunde warteten eine Stunde in der besagten Atmosphäre auf Dan und Lee.

Als diese neuen Freunde dann schließlich mit noch nassen Haaren ankamen, wurden ihnen ihre zugewiesenen Plätze gezeigt. So hatten die weisen Herren die Möglichkeit, dem jeweiligen Sohn gegenüber zu sitzen. Sie wollten sie lesen, sie sehen bei ihrem Gespräch.

Und so mussten sich Dan und Lee erst einmal von Professor Österreich anhören, dass es fahrlässig sei, im Winter mit nassen Haaren rauszugehen. Und er beschreibt, wie seine Frau ihnen beiden jetzt den Kopf gewaschen hätte. Sie hätte schon dafür gesorgt, dass sie sich danach die Haare föhnen.

Derweil überlegt Professor Dieckmann, wie es sein kann, dass die beiden eine Stunde später kommen und trotzdem nasse Haare haben.

Er guckt in die Augen von Dan, der nur Augen für Lee hat.

Der Lee, der ihm schräg gegenüber sitzt und freundlich seinem Professor zunickt, während dieser unaufhörlicher plappert. Mal wieder seine Fürsorge kundtut.

Dieckmann betrachtet Dans Blick. Die Flammen in seinen Augen. Farben in seinem Gesicht, die er nicht kannte. Noch nie an ihm sah.

Und während Dieckmann ihn unbemerkt dabei erwischt, gibt Dan sich seinem Flashback hin.

Immer wieder blitzen die Bilder ihrer gemeinsamen Dusche in seinen Kopf. Er spürt, wie tiefe Wellen sich aus seinem Bauch heraus in seinen Körper ausweiten. Er guckt in Lees höflich nickendes Gesicht und sieht sein tiefes Flehen in den Augen, wenn Dan den richtigen Weg eingeschlagen hat. Seine Hände ihn so berühren, wie es ihm gefällt.

Wie er es hören kann, wenn es ihm gefällt.

Dieckmann sieht, wie Dan seine Augen schließt und tief einatmet.

Die junge Kellnerin mit tätowierten Armen unterbricht Dieckmanns Fokus und Dans inneren Film.

Die alten und die neuen Freunde schauen sie an, während sie mit holländischem Akzent spricht:

„Schön, jetzt sind sie vollzählig. Womit kann ich ihnen eine Freude machen?"

Und während Österreich nochmal nach der Karte fragt und sich seinen dritten Milchkaffee an diesem Morgen bestellt, sieht Dan, wie Lee eindringlich den Blick der Kellnerin überwacht.

Lee fühlt die Gefahr. Als würden alle Augen der Welt auf seinen Dan gerichtet sein. Als wollen sie ihn alle für sich gewinnen. Überall lauert die Gefahr.

Die Psychologie der LiebeDonde viven las historias. Descúbrelo ahora