Kapitel 37 Abkommen

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Kapitel 37   Abkommen

Lee schenkt Dan ein verführerisches Lächeln und führt ihn zur Promenade runter.

Beide laufen berieselt von der gegenseitigen Anziehung die Promenade entlang.

Es sind viele Menschen unterwegs.

Eltern mit umher rennenden Kindern, Fahrradfahrer, in Gruppen formatierte Jugendliche mit lauter Musik aus tragbaren Boxen und natürlich Liebespaare.

Einander die Hände haltende, in Gespräche verwickelte Liebespaare.

Dan folgt seinem Instinkt und führt seine Hand zu Lees.

Dieser sehnt sich auch danach, seine Hand zu halten, findet aber, dass sich das nicht gehört. Gleichgeschlechtliche Liebe sollte nicht offen gezeigt werden.

In Japan wird Homosexualität moralisch nicht verurteilt. Die sexuelle Beziehung zwischen Männern ist seit dem 9. Jahrhundert üblich und akzeptiert. Auch in der Literatur und der Kunst werden diese besonderen Vorlieben zelebriert. Nur sollte diese besondere Vorliebe nicht offen gezeigt werden.

Viele gründen eigene Familien und outen sich ihr Leben lang nicht. Ihre besondere Vorliebe halten sie geheim. Bewahren ihr Geheimnis wie einen Schatz.

Und auch, wenn Lee genau spürt, dass er Dan sein ganzes Leben lang bewundern und begehren wird, dass er den wertvollsten Schatz gefunden hat, sieht er sich nicht in der Lage, ihre besondere Zusammenkunft offen zu zeigen. Das gehört sich nicht. Das macht man nicht.

Und da er sich eh nicht als sehenswert empfindet, keine bedingungslose Liebe erfahren hat, möchte er Dan mit in seinen Schatten nehmen. Würde Dan gerne einfach mitreißen. Ihn dort verstecken. So dass sie nur für sich sind. Keiner sie sehen kann.

Ohne die anderen sind sie eins.

Er fühlt Dans Hand, die vorsichtig nach seiner sucht und zieht sie dezent zurück.

Es tut ihm auch weh. Er spürt die Enttäuschung von Dan.

Dan legt beide Hände hinter seinem Rücken ineinander und guckt auf den Plötzensee. Er weiß, dass er darüber mit Lee sprechen muss. Aber er weiß nicht, wie er anfangen soll. Also beschließt er, sich von dem Anblick der Lichtreflexionen auf der Wasseroberfläche und den im Wind wehenden, leeren Ästen der hohen Bäume beruhigen zu lassen.

„Dan", hört Dan Lee nach ihm rufen, „Du bist nicht bloß der Psychoanalytiker, den ich bewundere. Nicht bloß der Kamerad, den ich endlich gefunden habe. Du bist mehr. Mehr als ich mir je vorstellen konnte. Du bist der einzige, dem ich mich zeigen möchte. Du bist derjenige, dem ich mich voll und ganz hingeben möchte. Ich möchte mit dir zusammen sein. Ich möchte nur dir gehören. Und du sollst bitte nur mir gehören", gesteht Lee mutig.

Er hofft, Dan mit seinen tiefsten Gefühlen besänftigen zu können.

„Voll und ganz. Aber nicht in der Öffentlichkeit. Du willst eine geheime Beziehung?", fragt Dan.

Sie laufen an dem kleinen See vorbei in einen großen, weitläufigen Park.

„Ich will dich nur für mich. Wir haben einander doch gerade erst gefunden. Lass uns unser Privatleben privat leben. In der Uni forschen wir gemeinsam. Nach der Uni erforschen wir einander", schlägt Lee vor und kichert etwas über seine Andeutung.

Er packt Dan an den Arm und zieht ihn zu einem sehr hohen Baum mit dickem Stamm.

Dan guckt nach oben und sucht im Himmel nach dem höchsten Ast.

Er hört, wie Lee ihm zuflüstert:

„Dan Rin zeigte mir den Weg. Er ist das wertvollste Geschenk in meinem Leben. Gib mir Zeit. Ich will dich nur für mich. Alles an dir genießen. Lass mich nur dir gehören. Gib mir Zeit."

Die Psychologie der LiebeWhere stories live. Discover now