Kapitel 7 Verdrängung

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Kapitel 7   Verdrängung

Dan liegt am Montagabend bei sich zu Hause auf der Couch und grübelt.

Das Essen war köstlich. Und der Anblick von einem genießenden Lee gefiel ihm mehr, als er sich eingestehen würde.

Nachdem er mit Lee essen war, sind sie noch zum Campus der Technischen Universität Berlin spaziert. Dort zeigte ihm Dan die verschiedenen Fachbereiche und Gebäude.

Lees staunenden Katzenaugen amüsierten Dan so sehr, dass er einen steigenden Drang verspürte, immer mehr neue Errungenschaften zu erlangen. Eine Sammlung an Momenten, in denen er Lee zum Strahlen bringt.

Nachdem sie sich noch einen Kaffee aus der Cafeteria des Mathe-Gebäudes geholt hatten, der besten Cafeteria der Technischen Universität, brachte Dan Lee noch zum Bus, der ihn bis zur U-Bahn bringen sollte. Das war um 17 Uhr.

Seither liegt Dan auf seiner Couch und grübelt.

Noch immer ist er nicht zufrieden, dass Lee ihn nicht hat mit dem Auto nach Hause fahren lassen.

„Das gehört sich so!", ruft Dan plötzlich in seine leere Wohnung.

Natürlich lässt er sich von seinem Über-Ich, seinen gesellschaftlichen Normen überzeugen. Er fragt sich nicht, welche gesellschaftliche Normen vorschreiben, dass man einen Studenten nach Hause fahren muss, nachdem man einen Nachmittag fern ab von irgendwelchen Forschungstätigkeiten verbrachte.

Und er verdrängt den geheimen Wunsch, durch die Fahrt noch mehr Zeit mit Lee verbracht haben zu können.

Dan schüttelt den Kopf, nimmt sein Diktiergerät in die Hand, überlegt kurz und legt das Gerät wieder weg.

Stattdessen nimmt er sein Handy und ruft Professor Dieckmann an.

„Dan, welch Überraschung. Wie geht es dir?", grüßt Dieckmann am Telefon.

„Hey, bitte verzeih die Störung, ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt", antwortet Dan verlegen.

„So alt bin ich noch nicht, dass ich schon um 21 Uhr ins Bett gehe. Ich bin aber neugierig, was dich zu dem Anruf bringt. Der Montag Abend gehört doch sonst deinen Büchern", leitet Dieckmann das Gespräch in die entscheidende Richtung.

Dan zögert.

Er ist sich nicht sicher, ob er seinem deutschen Vater mit seinen überflüssigen Gedanken belästigen soll.

Wen soll er aber sonst von seinen Gedanken erzählen?

Das plötzliche Aufkommen von Lees lächelndem Gesicht verdrängt Dan erfolgreich.

Er ist nicht mehr Herr seiner Gedanken und Professor Dieckmann wird ihm sicher helfen.

„Ich kann mich heute nicht auf meine Bücher konzentrieren. Mir gehen zu viele Sachen durch den Kopf", beginnt Dan.

„Verstehe. Was ist das erste, was dir jetzt in den Kopf kommt?", leitet Dieckmann Dan in sein Inneres.

„Lee Yeng", antwortet Dan ehrlich, „Wir hatten heute die erste Sitzung. Eine sehr aufwühlende Sitzung. Sein Widerstand ließ ihn 43 Minuten lang schweigen. Aber er übertrug wieder verdeckte Emotionen auf mich. Meine Gegenübertragung verlief intuitiv und ließ ihn tiefer eindringen. Wirklich eine sehr aufwühlende Sitzung.

Aber es ist nicht die Sitzung, die mich so beschäftigt. Mein Erleben und Verhalten nach der Sitzung irritiert mich. "

„Beschreibe mir dein Erleben zunächst", ertönt Dieckmanns sanfte Stimme.

Die Psychologie der LiebeWhere stories live. Discover now