Kapitel 25 Über-Ich

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Kapitel 25   Über-Ich

Dan guckt auf die Uhr, als er die Badezimmertür sich öffnen hört.

Samstag, 14.03 Uhr.

Lee betritt nackt das Zimmer und grinst frech.

Seine Haare tropfen.

Er hält mit den Händen seinen Schambereich verdeckt.

Die ersten Züge der Moral fahren in dem Bahnhof seines Bewusstseins ein.

Scham.

Er läuft zu seiner kleinen Kommode und holt zwei schwarze Shorts raus, zieht sich eins über, läuft weiter zu Dan, der auf dem Bett sitzt, und schmeißt ihm die zweite Shorts entgegen.

„Jetzt bist du dran. Fühl dich frei. Ich belästige dich auch nicht", kichert Lee.

Dan lächelt.

„Vorher föhne ich dir noch die Haare trocken. Und zieh dir was an. Es ist kalt", antwortet Dan.

„Ja, Mama, mach ich", verstellt Lee seine Stimme und hüpft in die Luft. Sein wild fröhliches Lachen schallt im Raum. Er holt sich eine Hose aus der Kommode und zieht sich mit rhythmischen Tanzbewegungen an.

„Das muss aber reichen", trotzt Lee.

Dan staunt grinsend.

Er sieht Lees Regression und weiß, dass Lee nun die nächste Entwicklungsstufe erreicht hat. Eine Stufe, die erstmals die Außenwelt als reglementierendes Instrument wahrnimmt. Im Alter von 6 Jahren entwickelt sich die moralische Instanz, das Über-Ich. Der Schlüssel zu unserem Gewissen.

Lob und Tadel formen das Ich und seine aus dem Gewissen gewonnenen Entscheidungen.

Und Dan weiß, dass er durch seine Gegenübertragung nun Lees Über-Ich erreichen kann. Das Über-ich, das durch seine sadistische Mutter zur Destruktivität geformt wurde. Zur Auto-Aggression programmiert wurde.

Lees Gewissen richtet sich nur gegen sich selbst. Zerstört ihn. Wartet in ihm auf die androhenden Strafen.

Und wenn Dan jetzt dem regressierten Lee wertschätzt und liebt, kann er sein Über-Ich formen und sein Bewusstsein erreichen.

Dan beobachtet den kleinen Lee lächelnd und nickt ihm zustimmend zu.

Lee erwidert seinen Blick mit strahlenden Augen.

„Gut gemacht. Komm, jetzt föhne ich dir die Haare", sagt Dan, greift Lee an die Hand und will ihn ins Badezimmer führen.

Lee stoppt und wartet, bis Dan sich wieder umdreht.

„Ich will eine Umarmung", sagt Lee schmollend und mit geöffneten Armen.

Dan nimmt ihn in den Arm und streicht mit seinen Fingern durch sein Haar.

„Klar, wann immer du willst. Ich mache mir nur Sorgen, dass du dich erkältest", raunt Dan liebevoll und drückt Lee fest.

„So lange du mich hältst, kann mir nichts passieren.", flüstert Lee und schmiegt sich an Dans Körper.

Beide spenden einander ihre Wärme.

Minutenlang.

Bis Lee plötzlich die Nähe bricht und fröhlich in die Luft springt. Er dreht Dan abrupt um, springt ihn von hinten an und lässt sich Huckepack tragen.

„Los, jetzt föhne dem Prinzen das Haar!", befiehlt Lee theatralisch und klatscht Dan auf den Hintern.

Aus Dan bricht ein lautes Gelächter aus. Er kann nicht fassen, was ihm gerade widerfährt. Sein Körper hüpft vom lauten Lachen und schüttelt Lee auf seinem Rücken.

Die Psychologie der LiebeOnde histórias criam vida. Descubra agora