Kapitel 13 Eine Reise

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Kapitel 13   Eine Reise

Dan und Lee sitzen an dem kleinen Tisch in der Küche. Der heiße Dampf der Ramen-Suppe steigt in die Luft und legt sich auf die Fensterscheibe.

Lees Blick ist auf Dan gerichtet. Dieser inhaliert gedankenverloren den köstlichen Duft der frischen Zutaten. Er hält die Essstäbchen in seiner auf der Tischplatte ruhenden Hand und betrachtet den frischen Koriander neben den Rindfleischstreifen schwimmen.

Er spürt, wie ein trauriges Gefühl in ihm aufsteigt und ihm die Kehle zuschnürt.

Lee beobachtet, wie Dan mehrfach den Kloß in seinem Hals runterschluckt und ergreift die Initiative. Er führt seine Stäbchen in Dans Schale und schnappt nach einer Scheibe gebratenem Fleisch. Er führt die dampfende Köstlichkeit zu seinem Mund und pustet.

Noch immer ruhen Dans Augen auf seiner Schüssel.

Lee spürt Dans nostalgische Wehmut und lächelt liebevoll, hält Dan das abgekühlte Fleisch an seinen Stäbchen vor den Mund.

„Dan, schau mich an", bittet er vorsichtig, „Du musst nicht den ersten Schritt machen. Lass mich dir die Tür öffnen und dir den ersten Stoß geben."

Dan landet endlich wieder in der Realität und guckt in Lees milde Augen. Dann erst riecht er das duftende Stück Fleisch und sieht Lees filigrane Finger die Stäbchen vor seinem Mund halten.

Er schließt die Augen und schnappt nach dem verdrängten Geschmack seiner Heimat.

Der deliziöse Geschmack des pikant gewürzten Rindfleisches zergeht auf seiner Zunge und löst eine Lawine befriedigter Gefühle aus.

„Mhmmmmmmm!", brummt es aus Dan mit geschlossenen Augen heraus, während er kaut.

Sein tiefes Brummen wird von Lees Glucksen begleitet.

Dan öffnet die Augen und sieht in die funkelnden Augen Lees. Sein Gesicht strahlt hell. Er ist von seiner Freude so eingenommen, dass er Dan noch immer die Stäbchen entgegenhält.

Dan grinst und schnappt mit dem Mund nach den Stäbchen.

Er erschreckt Lee, der seine Hand schnell zurückzieht.

Beide lachen.

„Schmeckt es der Nacktschnecke? Beginnt sie zu schleimen?", fragt Lee kichernd.

Dan schmunzelt. Sein Gehirn setzt Endorphine frei. Das traurige Gefühl wird mit fürsorglicher Wärme getröstet.

„Köstlich. Ich will mehr. Aber pass auf, dass du nicht auf meiner Schleimspur ausrutschst", antwortet Dan mit leiser, tiefer Stimme.

Lees Freude sprudelt aus ihm hervor und zeigt sich durch sein wildes Kichern.

Seine Augen beobachten Dan ungeduldig.

Und als er merkt, dass Dan seinen Blick geduldig erwidert, versteht er endlich, dass Dan auf den nächsten Happen wartet.

Sein Herz setzt einen Schlag aus. Endlich wird seine Geste gesehen, seine Fürsorge wahrgenommen, sein Essen verspeist.

Er dringt mit seinen Stäbchen wieder in Dans Schüssel und schnappt nach den Reisnudeln und Gemüse. Die dampfenden Köstlichkeiten werden von Lee angepustet und abgekühlt, um schließlich wieder in den wartenden Mund Dans zu verschwinden.

Dan schließt wieder die Augen und lässt sich von seinem Geschmackssinn auf eine Reise führen.

„Mhmmmm, lecker. Du kannst ja richtig gut kochen. Daran könnte ich mich gewöhnen", schnurrt Dan, während er kaut.

Die Psychologie der LiebeWhere stories live. Discover now