Kapitel 48 Alte Freunde

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Kapitel 48   Alte Freunde

„Wo fährst du denn hin? Warum bist du in Rudow? Fährst du zum Flughafen Schönefeld? Wo willst du hin? Es ist 23.16 Uhr. Was willst du am Flughafen um diese Uhrzeit?", ertönt Professor Österreichs besorgte Stimme über die Freisprechanlage von Dieckmanns Audi.

Dan schielt zu Manfred rüber und will sehen, wie er auf die besorgte Stimme seines alten Freundes reagiert.

„Woher weißt du, wo ich bin?", fragt Manfred trocken.

„Was denkst du, warum ich dir das neue Handy besorgt habe? Ich kann dich orten.", antwortet Bernhard freundlich.

Nach freundlich ist Manfred aber gerade nicht. Er ärgert sich über Bernhard. Er ist kein Kind, das man orten muss.

„Das ist ziemlich übergriffig. Du musst nicht immer wissen, wo ich bin. Kümmere dich um deine Familie", ertönt Dieckmanns harte Antwort.

Und Dan staunt über die Härte in seiner Stimme. Aber er gibt seinem deutschen Vater recht. Man muss nicht immer wissen, wo der... . Dan unterbricht seine Gedanken und sucht nach dem richtigen Begriff.

Man muss nicht immer wissen, wo der Mensch gerade ist, den man liebt.

Dans Herz wird noch schwerer bei dem Gedanken.

Er verliert sich wieder in den Gedanken an Lee und sein Gesicht zeigt offen seine Trauer.

„Bitte verzeih, ich habe mir nur Sorgen gemacht", sagt Bernhard deutlich gekränkt.

„Du musst dir keine Sorgen machen. Mir geht es gut. Ich fahre Dan zum Flughafen. Wir sprechen morgen. Schlaf gut", sagt Dieckmann und legt auf.

Eine traurige Stimmung herrscht im Auto.

Beide Männer nehmen sich die Zeit.

„Du warst etwas schroff zu deinem Freund", kommentiert Dan schließlich.

„Nach dem heutigen Abend fällt mit wohl die Fassade schwer. Er wird es überleben. Er kann sich ja bei seiner Frau ausheulen", antwortet Dieckmann und lacht kurz über seinen eigenen Ton.

Dan lächelt und spürt die Gegenwehr in sich wieder aufbrechen.

Er will nicht lächeln.

Er will nicht weg.

Er will nicht.

Er will doch nur bei Lee sein.

Wieso hat er sich nicht einfach entschuldigt? Er hätte Lee sicher wieder beruhigen können. Warum muss er so stolz sein? Für die Liebe muss man sich halt auch mal verbiegen. Er hätte Nadine nicht auf die Schulter fassen sollen.

„Dan, hör auf, dich selbst zu verurteilen. Ich kann deine Gedanken förmlich hören. Du machst das Richtige. Abstand ist genau das Richtige jetzt. Lee muss sich von dir frei machen und seine Traumata aufarbeiten. Wenn er dann wieder zu dir zurückkommt, gehört er dir. Lass ihn frei.

Und mach dir keine Sorgen. Ich passe auf ihn auf. Denke daran, mich anzurufen, wenn du ankommst. Mein Schwager holt dich vom Flughafen Sylt ab. Du hast es dir wirklich verdient, zur Ruhe zu kommen", beruhigt Dieckmann Dan.

„Und gib mir dein Handy. Lee wird sicher versuchen, dich zu kontaktieren. Du musst dieser Versuchung widerstehen. Lass ihn los. Ich berichte dir alles. Halte dich auf dem Laufenden. Du musst nur alle deine Probanden informieren, dass du für ein Semester pausierst", erklärt Dieckmann.

„Manfred, mich belastet auch eine andere Sache. Mustafa, eh, ich meine Hassan, einer meiner Probanden hatte gerade einen Durchbruch und wir wollten diesen Freitag daran arbeiten. Ich habe wirklich ein schlechtes Gewissen, ihn jetzt alleine zu lassen. Könntest du ihn am Freitag empfangen zur Sitzung und ich spreche mit ihm per Telefon?", sagt Dan.

Die Psychologie der LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt