☬ fιfту ☬

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Graue Wolken hingen über dem Labyrinth. Es würde wohl noch anfangen zu regnen. Na super. Der Junge und ich traten als letztes aus dem Raum hinein in das Heckenlabyrinth. Die Halbgötter und Götter die zusahen, grölten lauter. Das Eisengitter wurde hinter uns runtergelassen. Tief atmete ich durch, schaute noch einmal kurz zu dem Jungen, welcher mir grinsend zunickte. Ich hob zum Gruß die Hand und wir wurden getrennt. Er wurde nach links in die Gasse geführt, ich nach rechts. Ungefähr fünf Minuten wanderte ich ziellos durch die Gräben. Dann ertönte ein weiterer Kanonenschuss. "Lasst ihn frei!", rief eine Lehrkraft, als der Schuss verhallte. Alles an und in mir spannte sich an, als ich das Rasseln eines weiteren Eisengitters hörte. Es war nicht weit weg von mir. Dann erklang ein bedrohliches Knurren und ein so lautes Brüllen, bei dem ich glaubte, mir würden die Trommelfelle platzen. Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. 'Reiß dich zusammen!', brüllte mich meine innere Stimme an. Der Lärm der Menge senkte sich zu einem Flüstern, leise genug, dass ich ein dumpfes Grummeln hören und die Vibration im feuchtem Boden spüren konnte. Der Dämon näherte sich mit rasender Geschwindigkeit. Tief atmete ich durch, um mich zu beruhigen und blickte dann hoch in die Menge. Ich glaubte, ihre blauen Haare irgendwo zu sehen. Kurz sahen wir uns in die Augen und sie nickte mir zu, als Zeichen, dass sie da war. Ihre Lippen formten ein einziges Wort. "Lauf!", flüsterte sie.
Und dann erschien er.
Ich rannte los.
Jay hatte mir gesagt, dass ich einen höheren Dämon bekommen würde, doch ich hätte nicht gedacht, dass es ausgerechnet einer dieser Grausamen war. Er hatte den Körperbau eines Wolfes, war aber viel größer und kräftiger. Die Beine, die spitz zulaufende Schnauze, die Flanken und der Rücken waren in eine Blut- bis Rostrote Farbe getaucht, der Rest des Körpers war milchig weiß. Über den gesamten Leib der Höllenkreatur verteilt, saßen Mäuler mit rasiermesserscharfen Zähnen, die Mundwinkel immer zu einem dämonischen Grinsen verzogen. Selbst die Augen waren solche Mäuler. Er war zum Jagen geboren. Hektisch rannte ich durch die Gassen und wünschte mir, ich hätte mir gestern die Zeit genommen, um den Aufbau des Labyrinths zu studieren. Jederzeit konnte ich in eine Sackgasse landen und ich wollte nicht daran denken, was dann passierte. Diese Dämonen hatten zwar den Befehl uns nicht zu töten, aber verletzen konnten sie uns dennoch. Die Menge über mir brüllte auf, brüllte mir zu, dass ich da wegmusste. Sie übertönten die kräftigen Schritte und den schnaufenden Atem des Dämons. Ich erinnerte mich nicht mehr an den Namen der Kreatur, wollte ich auch gar nicht. Vor mir gabelte sich der Weg und ich seufzte erleichtert auf. Scharf bog ich nach links ab. Ich musste so viel Abstand zwischen mich und dieser Kreatur bringen, wie möglich. Nur dann konnte ich mir einen Plan ausdenken, wie ich am besten zur Mitte kam. Noch eine Gabelung. Dieses Mal bog ich nach rechts ab. Vielleicht kam ich zu einem der Freiräume, denn, wenn ich mich recht entsinne, dürfte ich relativ nah an einem sein. Was mir das bringen würde, wusste ich noch nicht. Das Vibrieren seiner Schritte hinter mir verblasste langsam und ich traute mich, einen kurzen Blick über die Schulter zu werfen. Der Dämon tappte genüsslich um die Ecke. Die Mäuler grinsten noch fieser. "Hallo Tochter der Athene.", säuselte eine Stimme, die klang als hätte jemand zu viel Helium eingeatmet und war davon heißer geworden. Dann sprintete er wieder auf mich zu. 'Heilige Scheiße!', brüllte ich in Gedanken. Ich schlitterte um die nächste Ecke und rutschte aus. Gerade noch so konnte ich mich vom Boden abrollen und weiterrennen. Ich dankte stumm den vielen Geländeparkouren, die ich immer mitgemacht hatte, so unendlich für ihre Lektionen. Rostroter Rauch schlängelte neben mir her und ein weiterer gewagter Blick nach hinten verriet mir, dass der Dämon unheimlich nah war. Durch diesen Blick hätte ich fast das schmale Loch in einer Seite der Hecke nicht gesehen. Es war zu klein für den Dämon, dessen Schulterhöhe ungefähr Jay's Größe hatte, aber er konnte sicher eh durch die Hecke brechen. Ich hielt mich an einem raushängenden Geäst fest und beförderte mich durch meinen eigenen Schwung durch das Loch in die Hecke. Taumelnd landete ich auf den Boden auf der anderen Seite des dichten Geästs, noch halb mit den Beinen in der Hecke. Der schnaufende Atem des Dämons kam näher. Ich blieb lautlos auf den Boden liegen und versuchte möglichst keine Geräusche zu machen. Ich sah nicht, wie er sich näherte und wusste nicht, wo er war. Aber das Schnaufen wurde immer lauter und der Geruch von Eisen immer stärker. Der Boden brummte unter den kräftigen Bewegungen der Kreatur. "Wo bist du?", kicherte diese Stimme wieder. "Komm raus. Versteck dich nicht." Ich hielt mir eine Hand vor meinen Mund, um meine heftigen Atemgeräusche zu dämpfen. Er musste direkt hinter mir stehen. Ich runzelte die Stirn. Hatte er mich nicht gesehen, als ich durch das Loch geschlüpft bin? Das Geräusch der Pfoten, die unruhig hin und her tigerten, blieben kurz still, als ich zwei andere Halbgötter in der Nähe laut reden hörte. Dann kicherte die Stimme leise und tappte davon. Ich nahm meine Hand vom Mund. Er hatte nicht gesehen, wohin ich floh. Er hatte mich nicht gesehen. Er war...

𝕻𝖊𝖗𝖋𝖊𝖈𝖙𝖑𝖞 𝕴𝖒𝖕𝖊𝖗𝖋𝖊𝖈𝖙Where stories live. Discover now