☬ ѕιχту-fινє ☬

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Ich wachte mitten in der Nacht auf, doch nicht von einem Albtraum, sondern von dem Gefühl, dass irgendetwas fehlte. Und tatsächlich. Als ich neben mich nach Jay tastete, fand ich eine leere Bettseite vor. Grummelnd drehte ich mich in dem kleinen Bett um und stierte die leere Seite an. "Jay?" Mich aufsetzend, suchte ich mein Zimmer nach der Blauhaarigen ab. Im Bad konnte sie nicht sein, da kein Muchs in der Wohnung zu hören war. Ich strich mir die wirren Haare aus meinem Gesicht und stand auf. Ein leichter Wind wehte durch das weit geöffnete, große Fenster und ließ die weißen Vorhänge fliegen. Tief durchatmen lehnte ich mich auf das breite Fensterbrett und blickte auf die Stadt hinunter. Selbst kurz nach Mitternacht war immer noch Betrieb in Tokyo. Autos hupten, die Straßen waren hell beleuchtet durch die ganzen Reklamen, Menschen wuselten umher, was von hier oben aussah, wie ein paar winzige Ameisen. Wir wohnten in einer der obersten Etagen von einem der riesigen Wolkenkratzern und ich war jedes Mal aufs Neue überwältigt von der Aussicht, die sich mir bot. Jedoch wurde sie jetzt von einem Schatten verdeckt und kurz darauf landete Jay auf dem Fensterbrett außerhalb meines Zimmers. Ich zuckte erschrocken zurück, was sie zum Lachen brachte. Die Tochter des Hades faltete die ledernen Flügel hinter ihrem Rücken und musterte mich, immer noch auf dem Fensterbrett hockend. "Fuck hast du mich erschreckt!", japste ich und kam näher. Jay schmunzelte und strich sich die blauen Haare aus dem Gesicht. "Das sehe ich." "Warum bist du wach.", murmelte ich und legte ihr eine Hand an die Wange. Sie lehnte sich leise brummend der Berührung entgegen und öffnete einen Spalt breit die Augen. "Ich konnte nicht schlafen.", seufzte sie und blickte hinter sich auf die Stadt. "Ich hätte nie gedacht, dass Tokyo so laut und hell selbst bei Nacht ist." Oh. "Man gewöhnt sich dran, glaub mir." Die Blauhaarige schnaubte und rieb sich kopfschüttelnd über die Augen. "Worauf habe ich mich hier nur eingelassen." "Hey du hättest sonst nirgendwo hingekonnt.", widersprach ich ihr lachend. Sie grinste mich schelmisch an, stand auf und hielt mir eine Hand hin. "Lust eine Runde zu fliegen?" "Immer." Vorfreudig ergriff ich ihre kühle Hand und sie zog mich mit einem Ruck auf das Fensterbrett. Ich prallte gegen sie und hatte schon Angst, wir würden einfach nach hinten runterfallen, allerdings lachte sie bloß und legte ihre Arme um mich, das Gleichgewicht komplett haltend. "Du solltest mir mehr vertrauen." "Ja tue ich, aber diese Situation ist anders. Wie oft bist du mit jemanden in den Armen geflogen?", fragte ich und schaute in ihr grinsendes Gesicht. "Nur einmal. Und das war mit dir.", raunte Jay und ließ sich nach hinten fallen. Ich quiekte erschrocken auf, doch statt im freien Fall zu sein, sackte wir nur kurz nach unten und schwebten dann in der Luft. "Ich weiß, was ich tue Nao." "Ach halt die Klappe!", fauchte ich über den leichten Wind hinweg und klammerte mich noch fester an sie. Ihr Körper vibrierte, als sie mir unter die Kniekehlen griff, mich hochhob und hinauf in die Luft schoss. Sie lachte mich aus! "Jay, lach nicht!" "Du bist zu süß.", meinte sie und ging in einen Gleitflug über. Ich löste mein Gesicht von ihrer Halsbeuge und betrachtete mit großen Augen die Stadt unter uns. "Woahh." "Nicht so schön, wie Onryx, aber doch ganz ansehenswert." "Ich find's klasse. Jetzt hätte ich auch gerne Flügel. Damit kann man frei sein und immer irgendwo hinfliegen.", seufzte ich und Jay brummte zustimmend. Hier oben war es ruhiger, als in der Wohnung und nun verstand ich, warum sie diese Nacht aufgewacht und einfach geflogen ist. Wir glitten eine Weile schweigend über die Stadt und Jay landete irgendwann auf dem flachen Dach eines Wolkenkratzers. Dort setzten wir uns an den Rand und genossen den Ausblick. Wie schon bei den alten Ruinen legte sie eine Schwinge um mich, um den Wind abzublocken. Ich kuschelte mich näher an sie und legte den Kopf auf ihrer Schulter ab. "Daran könnte ich mich gewöhnen.", murmelte ich und spielte mit dem Armband an ihrem linken Handgelenk. Ich erinnere mich noch genau an dem Moment, an den ich es ihr geschenkt hatte und seitdem hatte sie es nie abgelegt, fiel mir auf. "Ja, ich mich auch. Allerdings wirst du mit der Zeit schwer.", grinste sie und knuffte mich in die Seite. "Yahh du Miststück!", rief ich und schlug ihr spielerisch auf die Schulter. Schmunzelnd küsste sie meine Schläfe und murmelte: "Du weißt, wie das gemeint ist." Ich gab einen bejahenden Laut von mir und es wurde wieder still. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Mir hingen dabei schon seit dem Abschlussball die Worte von Hades im Kopf. 'Ihr seid für einander bestimmt.' Gab es wirklich so etwas, wie Seelenverwandtschaft? Ich hatte einmal von einem griechischen Mythos gelesen, fiel mir auf einmal ein. Dieser besagte, dass Menschen eigentlich mit vier Armen, vier Beinen und einen Kopf mit zwei Gesichtern kreiert wurden. Sie waren entweder aus beiden Teilen Männer, aus beiden Teilen Frauen oder ein Teil Frau und der andere Teil Mann. Zeus hatte ihre Macht gefürchtet und teilte sie in zwei separate Lebensformen, was dazu führte, dass sie ihr ganzes Leben damit verbrachten ihre andere Seite zu suchen. Eine Seele in zwei Körpern. Und dann gab es da noch eine alte chinesische Geschichte, die mir meine Oma als ich noch klein war, erzählt hatte. Über eine magische Verbindung zwischen zwei Menschen, die dazu bestimmt sind Seelenverwandte zu sein. Genannt wurde diese Verbindung 'Der rote Schicksalsfaden'. Die beiden Personen, die durch diesen roten Faden verbunden sind, sind auserwählte Geliebte, unabhängig von der Zeit, dem Ort oder den Umständen. Das magische Band kann sich dehnen oder verwickeln, aber es wird niemals reißen. Wie oft hat sich meine Oma viele verschiedene Geschichten zu diesem Mythos einfallen lassen? Auf mein Gesicht schlich sich ein leichtes Lächeln, als ich an diese schlaflosen Nächte dachte, da ich mir die Story immer weitergesponnen hatte. Mein Bruder hatte bei den Erzählungen immer nur mit dem Kopf geschüttelt, sich rumgedreht und geschlafen. "An was denkst du?", brach Jay plötzlich die Stille und ich blinzelte, die Erinnerungen vertreibend. "Glaubst du an Seelenverwandtschaft?" "Geistern die Worte meines Vaters immer noch in deinem Kopf herum?", fragte sie schmunzelnd und ich nahm meinen Kopf von ihrer Schulter, um sie anzuschauen. "Ja, aber was ist, wenn er Recht hatte? Die Schreie in deinem Kopf werden leiser, sobald du mich berührst. Genau so war es bei Persephone und Hades." "Ach Nao. Glaubst du wirklich daran?" "Ja.", erwiderte ich entschlossen und sah, wie sie sanft lächelte. "Gut, dann tue ich das auch." Mein Herz schlug höher bei dieser Aussage. Vielleicht redete ich mir nur etwas mit dieser ganzen Sache ein. Vielleicht steckte auch Wahrheit dahinter. Wer wusste es schon. Sie beugte sich näher zu mir und streifte mit ihren Lippen meine. Gebannt, was sie als nächstes tun würde, blieb ich stillsitzen und verlor mich währenddessen in ihren Augen. "Wir sollten langsam zurück.", murmelte Jay und ihr Blick wanderte von meinen Lippen hoch zu meinen hellblauen Augen. "Später.", hauchte ich, verschränkte meine Hände in ihrem Nacken und zog sie zu mir. Unsere Münder prallten aufeinander und ich merkte, wie Jay in den Kuss hineingrinste. Die schwarzen Flügel raschelten, als die Blauhaarige sie unbewusst spreizte. Mir sind die vielen, kleinen Bewegungen, die ihre Flügel machten, wenn sie verschiedene Emotionen verspürte nicht entgangen. Zum Beispiel, dieses unbewusste öffnen oder wenn sie sich siegessicher fühlte oder wenn sie verärgert war, hob sie die schwarzen Schwingen drohend. Und ich fand sie zu süß oder...süß war nicht das richtige Wort...eher verdammt heiß. Genau wie die Sachen, die sie mit ihrer Zunge in meinem Mund anstellte. Vor meinen geschlossenen Augen blitzten plötzlich mehr als versaute Bilder auf und ich schreckte mit einem lauten: 'Yahh!' aus dem Kuss zurück. "Raus aus meinem Kopf!", fauchte ich und schaute rot werdend überall hin, nur nicht zu Jay, die den Kopf in den Nacken gelegt hatte und ihr Lachen durch die Nacht hallen ließ.

"Was ist Ta...Tanabata?", fragte Jay und blickte fragend von dem großen Zeitungsartikel auf. Ich schmunzelte mit einem Haargummi im Mund und betrachtete sie durch den langen Spiegel, der an meiner Zimmertür hing. Ein letztes Mal fuhr ich mit der Bürste durch meine Haare, nahm mir den Gummi aus dem Mund und band mit geübten Griffen meine Haare zusammen. "Tanabata ist das Sternenfest. Es findet jährlich am 07.07. statt. Damit ist sozusagen der sieben Tage alte Mond des siebten Mondes des Jahres gemeint." Von Jay kam ein Schnauben und ich drehte mich zu ihr, den Zopf festzeihend. "Was?" "Das ist morgen. Um was geht es bei diesem Fest?" "Soll ich dir jetzt ernsthaft die ganze Sage erzählen?" Jay nickte schmunzelnd und lehnte sich auf meinem Bett zurück. Grinsend warf ich mich neben sie. Eigentlich wollten wir zusammen zu einem Sparringclub gehen, doch jetzt wurde wohl eher eine Geschichtsstunde daraus. Doch immerhin zeigte sie Interesse an meiner Heimat. "Die Geschichte soll wohl ursprünglich aus China stammen, naja egal. Es war einmal eine fleißige Weberin namens Orihime. Sie war zufälligerweise die Tochter des Himmelskaisers oder vielleicht auch des Himmelsgottes...egal jedenfalls vom obersten Chef." Jay lachte leise bei dem Satzanfang: 'Es war einmal...' "Seine Tochter war ein sehr fleißiges Sternchen. Der Vater wünschte sich ein wenig Abwechslung im Leben seiner Tochter, deshalb beschloss er: Ein Mann musste her!" "Bei Hades, warum muss es immer gleich eine Heirat geben.", schnaufte die Ältere. Ich zuckte lachend mit den Schultern und fuhr mit der Geschichte fort: "Da gab es den ganz hellen Rinderhirten Hikoboshi. Im Himmel wurde nicht lange gefackelt und so wurde die Tochter vom Big-Boss mit Hikoboshi verheiratet. Orihime schien von dem Hirten ganz angetan zu sein und war so verliebt, dass sie jetzt gar nicht mehr an ihrem Webstuhl zu sehen war. Nach der Heirat kümmerte sich Hikoboshi intensiv um seine Ehefrau, was ich ja sehr begrüße, nur leider verwahrlosten seine Rinder immer mehr." Jay's Glucksen hallte durch den Raum, während ich weiterredete. Anscheinend fand sie die Story genau so amüsant, wie ich, als ich sie zum ersten Mal hörte. "Am Ende verärgerte das den Himmelsgott so sehr, dass er die beiden Verliebten trennte. Hikoboshi sollte fortan auf der einen Seite eines großen Flusses seine Rinder hüten und seine Tochter Orihime sollte auf der anderen Seite des Flusses namens Milchstraße wieder fleißig weben. Einmal im Jahr durften die Beiden sich aber dann doch wieder treffen. In der siebten Nacht des siebten Neumondes konnten sie den Fluss überqueren und in Japan feiern wir das Zusammentreffen der verliebten jedes Jahr mit einem Fest- mit Tanabata. Jedoch kamen die Verliebten aber nur über die Milchstraße, wenn es nicht regnete. Und so hoffen wir natürlich immer auf eine regenfreie Nacht.", beendete ich meine Geschichte und schaute Jay an. Sie musterte mich mit schief gelegtem Kopf. "Die Milchstraße...", murmelte sie. "Ja, Orihime wird von dem Stern Wega dargestellt und Hikoboshi als Altair. Sie sind zwei der hellsten Sterne am Nachthimmel und zwischen ihnen verläuft die Milchstraße." "Wieso lässt man sich so etwas einfallen?", stöhnte Jay und ließ sich nach hinten in die Kissen fallen. "Ich habe keine Ahnung, doch Tanabata ist nicht nur das Sternenfest, sondern auch ein Fest der Hoffnung. An verschiedenen öffentlichen Orten, wie Kindergärten, Schulen, Bahnhöfen oder auf Marktplätzen werden an Bambusästen oder Bambusbäumen Wünsche oder Hoffnungen auf buntes Papier geschrieben und an die Zweige geknotet, in der Hoffnung sie mögen in Erfüllung gehen." "Ist einer von dir schon einmal in Erfüllung gegangen?" Kurz dachte ich an die vergangenen Jahre zurück und erinnerte mich dann an das Tanabata vor zwei Jahren. "Tatsächlich ja. Ich hatte mir damals gewünscht, dass mein Leben ein wenig spannender wird, als immer dieser elend langweiligere Schulalltag." Die Blauhaarige ließ ein prusten vernehmen und setzte sich auf. Wir sahen uns gegenseitig für eine Weile in die Augen. "Lass uns morgen Abend hingehen. Lass uns gemeinsam auf dieses Fest gehen, Jay." "Ja."

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1979 Wörter

Hope u enjoy🖤

Axy D left the Chat.

𝕻𝖊𝖗𝖋𝖊𝖈𝖙𝖑𝖞 𝕴𝖒𝖕𝖊𝖗𝖋𝖊𝖈𝖙Where stories live. Discover now