☬ σиє ☬

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Ein warmer Wind wehte durch das offene Autofenster und ließ meine rosa gefärbten Haare fliegen. Den Arm auf die Lehne gestützt, betrachtete ich in Gedanken versunken die vorbeiziehende Landschaft. Heute war es soweit. Ich kam nach Onryx, eine Schule für Halbgötter. Das Schuljahr hatte schon angefangen, weswegen ich als Quereinsteiger dazu komme. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass ich ein Halbgott bin. Ich meine, wie verrückt ist das denn. Ein salziger Geruch stieg mir auf einmal in die Nase. Ich erwachte aus meinen Gedanken und aufgeregt schaute ich nach vorne zur Frontscheibe des Autos, wo sich bereits am Horizont der Pazifik erstreckte. Es würde nicht mehr lange dauern und wir erreichen die Anlegestelle für die Fähre. Ab da würde sich mein Leben komplett verändern und diesen neuen Lebensabschnitt musste ich alleine durchstehen. Traurig schweife mein Blick zu meinem Bruder, welcher neben mir saß und wie ich aus dem Fenster sah, um den Ozean mit großen Augen zu begutachten. Es war das zweite Mal für uns, dass wir am Pazifik hier in Tokyo waren. Wobei man das erste Mal eigentlich nicht mitzählen konnte, da wir beide noch zu klein waren.

Wir erreichten nach einer Stunde Fahrt von zu Hause aus endlich den gut vor Menschen verborgenen Hafen. Ich öffnete mit einem mulmigen Gefühl im Bauch die Tür und atmete die salzige Meeresluft ein. Meine Eltern stiegen ebenfalls aus und mein Vater half Hanako in seinen Rollstuhl. Verbittert beobachtete ich, wie mein Bruder auf uns zu rollte und die Umgebung bestaunte. Es war allein meine Schuld, dass er nun so leben musste. Am liebsten wollte ich nicht in diese Schule gehen, sondern bei ihm bleiben und ihn beschützen. Doch meinen Eltern wäre es ganz lieb, wenn ich diese Kräfte in mir kontrollieren könnte. Mein Blick viel von meinem Bruder zur Anlegestelle vor uns. Die Sonne glitzert auf dem dunkelblauen Wasser, welches leichte Wellen gegen die Felswand am Ufer schlug. Der Platz war umrundet von hohen Bäumen, die leicht im Wind schaukeln und dabei ein raschelndes Geräusch erzeugten. In dem Brief den ich bekam, als mein Vater mich in Onryx angemeldet hatte, war neben der Liste was ich alles mitbringen sollte, auch noch eine genaue Wegbeschreibung zur Fähre. Natürlich mit der Anmerkung diese gleich nachdem ich in die Fähre eingestiegen bin, zu verbrennen, damit Menschen diese Insel niemals fanden. In der Ferne kam die Fähre langsam auf die Anlegestelle zu und nun überdeckte doch eher die Aufregung das mulmige Gefühl. Meine Mutter seufzte. Sie wollte mich nicht gehen lassen, doch mein Vater hielt es, wie gesagt für besser. Sie waren mir nicht böse. Immerhin meinten die Ärzte, dass Hanako mit viel Geduld und einer guten Therapie irgendwann wieder laufen könnte. Und ich glaube an ihn. "Sei vorsichtig, lass dich nicht unterkriegen und schreib uns einmal pro Woche, ja?!", schluchzte meine Mutter halb und umarmte mich fest. "Mom...Luft.", presste ich heraus. Sie lockerte ihren Griff und ich schlang ebenfalls meine Arme um sie. "Keine Sorge. Ich lass mich nicht so leicht unterkriegen, dass weißt du doch." Mit Tränen in den Augen lächelte ich. "Das ist mein Mädchen.", seufzte sie, danach ließ sie mich los und schon kam die nächste Umarmung von meinem Vater. Auch er ließ erst nach gefühlten Stunden und einer Aufforderung von mir ab und somit wandte ich mich Hanako zu. Ich hockte mich vor den Rollstuhl, um mit ihm auf einer Augenhöhe zu sein. Er blickte mich traurig lächelnd an. "Komm ja schnell wieder zurück.". schluchzte der Jüngere und ich nahm ihn schnell in meine Arme. "Das hatte ich vor.", murmelte ich, ebenfalls kurz vor dem Weinen. Doch ich wollte stark sein. Für ihn. Für meine Familie. Ich vergrub mein Gesicht in seinem T-Shirt. "Es tut mir so leid.", hauchte ich und versuchte, die sich anstauenden Tränen zurückzuhalten. "Naomi...wir haben dir schon Mal gesagt, dass du nichts dafürkannst. Im Gegenteil. Wir hätten dir alles erzählen sollen.", erwiderte meine Mutter bereuend. "Genauso, wie ich dir schon oft gesagt habe, dass ich dir verzeihe.", lächelte Hanako und drückte mich noch einmal fest. Und trotz ihrer Worte fühlte ich mich schuldig. "Die Fähre ist da.", sagte der Jüngere bedrückt und löste sich von mir. "Also dann." Ein gequältes Lächeln zierte meine Lippen. Lieber kurz und schmerzlos, ehe es am Ende noch weher tat, als es so schon ist. Ich schwang mir meinen Rucksack auf die Schultern und nahm meinen Koffer, bevor ich mit schwerfälligen Schritten die kleine Rampe zum Schiff hinaufstieg. Dort stellte ich meine Sachen ab und drehte mich wieder zu meiner Familie. Hanako war ein kleines Stück weiter auf das Ufer zugerollt, steht's meine Eltern hinter sich, die ihre Hände auf die Schultern meines zwei Jahre jüngeren Bruders gelegt hatten. "Wehe du schreibst nicht!", rief Hanako zu mir herüber und grinste verschmitzt. Auch ich lächelte die drei zum letzten Mal an. Ok, es war nicht das letzte Mal, aber das letzte, welches ich ihnen für eine längere Zeit geben werde. "Jeden Abend.", brüllte ich etwas lauter zurück, da sich die Fähre bereits in Bewegung gesetzt hatte. Ich winkte ihnen wild zu, was sie mit einem Lachen kommentierten und ebenfalls winkten. Den Rest musste ich nun alleine bewältigen.

𝕻𝖊𝖗𝖋𝖊𝖈𝖙𝖑𝖞 𝕴𝖒𝖕𝖊𝖗𝖋𝖊𝖈𝖙Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt