☬ fιfту-fινє ☬

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Jay's Pov.

Mit einem kräftigen Schlag meiner Flügel landete ich auf einer der vielen Verandas aus rotem Stein. Ordentlich faltete ich die ledernen Schwingen zusammen und lief auf den Torbogen vor mir zu. Unter mir prasselten die Flammen des Fegefeuers unermüdlich und meterhoch, vereinzelt konnte man unklare, dunkle Gestalten ausmachen. Ich betrat den Flur hinter dem Torbogen. "Jay, du hast meine Bitte erhalten. Gut das du kommst. Hades ist stinksauer." Persephone ging neben mir her und gemeinsam schritten wir durch den nächsten steinernen Bogen hinein ins Wohnzimmer. "Wann ist er das nicht?", fragte ich und schnaubte. "Allerdings.", kicherte die rothaarige Göttin und betrachtete schelmisch ihren Ehemann, welcher in einem der zwei schwarzen Sessel saß. "Euch ist bewusst, dass ich im Raum bin.", brummte Hades und warf Persephone und mir einen warnenden Blick zu. "Das war der Sinn der Sache.", lachte die Göttin der Toten und gesellte sich zu dem Gott der Unterwelt. Der schwarzhaarige Mann im Sessel schüttelte nur ungläubig den Kopf, ehe er sich an mich wandte. "Hast du ihn endlich ausfindig gemacht?" Abbadon. Ich fand ihn einfach nicht. Seine letzte Spur verlor sich in Kanada und von da an erhielt weder Ayato eine Vision von ihm, noch fanden die größten und besten Aufspürdämonen nicht. Ich schüttelte den Kopf. Hades knurrte. "Dreckskerl." Eine Welle dunkler Macht erschütterte das Schloss des Hades, sodass die Gläser auf dem kleinen Tisch erzitterten, das Feuer in sich einging und die gesamten Geräusche der Unterwelt für einen Moment verstummten. "Finde ihn!", wisperte mein Vater und ballte die Hände zu Fäusten. "Ja.", erwiderte ich bloß und drehte mich, ohne eine Miene zu verziehen um. Kein Wort sage er. Kein Wort über die Disziplin von der Persephone ihm erzählt hatte. Kein Wort über die zweite Disziplin; der Abschlussprüfung. Kein Wort über die Arenakämpfe, wo er doch bei jedem meiner Kämpfe dabei war. Nicht mal eine winzige Anerkennung. Doch was hatte ich erwartet. So war es die letzten Jahre auch schon gewesen. Ich war fast an der Verandatür angelangt, als er meinen Namen rief: "Jayna." Langsam, die Hände in die Hosentaschen gesteckt drehte ich mich noch einmal zu ihm um. Schon lange hatte er nicht mehr meinen vollen Namen ausgesprochen. Umso überraschter war ich, als er ihn jetzt verwendete. Kurz musterte Hades mich, die Flügel, meine Haltung, mein gesamtes Ich. "Du hast gut gekämpft. Etwas Anderes hätte ich nicht von dir erwartet. Allerdings hast du dich bei der Athene Tochter zurückgehalten." Ups erwischt. "Und noch dazu hätte ich gerne meinen Seelenfächer wieder." Doppelt erwischt. Hades Gesicht war zwar zu einer strengen Grimasse verzogen, jedoch war dieses schalkhafte Funkeln in seinen Augen nicht zu übersehen. Er war nicht sauer auf mich, sondern musste nur den Schein waren. Oh wie ähnlich wir uns in diesem Sinne waren. Ich lachte leise und verbeugte mich spöttisch. "Irgendwann mal." Mit einem Grinsen trat ich auf die Veranda und war im nächsten Moment verschwunden.

Langsam manifestierte sich der Wald um mich herum und ich trat aus dem Schatten einer großen Eiche. Tief atmete ich die Waldluft ein und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Wie sollte ich ihr nur gegenübertreten? Ich hasste diese andauernde Stille zwischen uns. Ich vermisste die Sticheleinen zwischen uns. Ich war ein Idiot gewesen! Fuck, ich war so ein riesen Idiot! Seufzend strich ich mir die blauen Strähnen aus den Augen und schritt auf das schwarze Haus mit den großen Fenstern zu. All diese Worte die ich gesagt hatte, fraßen mich auf. Ja, ich war eifersüchtig auf die Beiden gewesen. Und doch war da noch etwas Anderes an Jonathan. Etwas das ich nicht beschreiben konnte. Dieses Gefühl bescherte mir jedes Mal, wenn ich ihn sah eine Gänsehaut. Er war nicht immer so, beziehungsweise hatte ich damals als wir uns kennen gelernt hatten, noch nicht dieses Gefühl gehabt, sondern einfach den Drang ihn zu übertrumpfen. So war das nun mal bei den Kindern der großen Drei oder allgemein bei Halbgöttern. Dieses Gefühl kam mit einem Mal. Doch ich wollte mir jetzt nicht über diesen weißhaarigen Angeber Gedanken machen. Vielmehr sollte ich mir Gedanken machen, wie ich mich wieder mit Naomi versöhnen soll. Fuck, dieses Mädchen. Noch nie hatte ich solche Gefühle für jemanden empfunden, wie für sie. 'Go get your girl!' Die belustigte Stimme von Persephone erklang auf einmal in meinem Kopf und ich verdrehte grinsend die Augen. Ich hatte Persephone alles erzählt. Vielleicht weil ich ihren teils mütterlichen Rat, teils Rat als Ehefrau brauchte. Und vielleicht auch, weil sie mich dazu gezwungen hatte. Ich öffnete die Glastür, trat ins Innere des Hauses und lauschte. Es war totenstill. Vermutlich saß sie oben im Erker und las mit Kopfhörer in den Ohren, wie sie es die ganze Zeit schon tat. Ich zog die Stiefel aus und ließ die Flügel verschwinden. Dann stieg ich die Treppe nach oben Richtung Erker. Die Stirn runzelnd betrachtete ich die zerknüllte Decke, das Buch und die leere Kakaotasse. Sie musste also hier sein. Vielleicht im Zimmer? Also schlug ich den Weg zu ihrem Zimmer ein. Die Tür stand einen Spalt breit offen und ich drückte sie ganz auf, sodass ich den Raum betreten konnte. Nichts. Nur der Gecko blinzelte mich von seinem Felsvorsprung aus lustig an. Ich schüttelte den Kopf. Wieso hielt man sich so etwas? Ich tat einen weiteren Schritt in den Raum rein. Die Bettdecke lag unordentlich auf den Boden, ebenso wie einige Kissen. In einem der graufarbenen Kissen steckte ihr Dolch. Nun verzog sich meine Miene noch mehr. War sie wegen irgendetwas wütend gewesen? Ich beugte mich nach unten und riss den elfenbeinfarbenen Dolch aus dem Kissen. Eine Weile betrachtete ich ihn. Er war zu klein für mich, doch wie geschaffen für Naomis Hände. Ein Bellen ertönte, gefolgt von einem energischen Kratzen auf Holz. Schnell wandte ich mich von dem Zimmer ab und huschte in den Flur. Erneut hörte ich dieses Winseln, lief zur Bad Tür und rüttelte an ihr. Verschlossen. Das Winseln wurde lauter und steigerte sich zu einem wütenden Heulen. Was machte Malou im Bad? Und noch dazu mit abgeschlossener Tür. Naomi würde sie nie einsperren. Und rein theoretisch konnte sich der Dämon auch aus dem Raum teleportieren, doch wie schon so oft waren dem jungen Wolfsdämon seine Kräfte nicht bewusst. Mich beschlich ein seltsames Gefühl und mit ein paar geschickten Handgriffen knackte ich das Schloss. Malou kam laut kläffend aus dem Bad und rannte sofort in das Zimmer von Naomi, wo sie jede einzelne Ecke nach ihr ab schnupperte und vor dem Kissen in dem der Dolch gesteckt hatte, stehen blieb. "Was hast du? Was ist passiert?", murmelte ich und hockte mich neben den jungen Dämon. Verwirrt schaute sie mich durch schokoladenbraunen Augen an, wie als wüsste sie nicht, was genau alles passiert war. Ich starrte sie eindringlich an. "Wo ist sie?" Ein leises Winseln als Antwort, dann streckte ich ihr den Dolch unter die Nase. "Such." Sie schnüffelte kurz an der Klinge, dann in der Luft, lief einige Male im Zimmer herum und setzte sich dann wieder vor mich. Keine Spur von ihr. Ich schluckte hart. "Fuck Naomi!", brüllte ich durch das ganze Haus und stand auf. Nichts regte sich. Mein Herz raste. Scheiße! Wo war sie? Hektisch rannte ich durch das Haus, immer wieder ihren Namen rufend. Niemand antwortete. So langsam verstärkte sich dieses ungute Gefühl und Panik breitete sich in mir aus. Ich malte mir tausend verschiedene Sachen aus, die ihr passiert sein könnten. Fuck! Schnell atmend blieb ich in der Mitte des Wohnzimmers stehen. "Scheiße!", schrie ich und raufte mir wild die Haare. Alles deutete auf eine Auseinandersetzung hin. Doch wer sollte sie entführt haben und aus welchem Grund? Sie muss im Erker gelesen haben und als sie jemanden durch die Eingangstür kommen hörte, musste sie in ihr Zimmer gelaufen sein. Dort hat sie sich ihren Dolch geschnappt und gewartet bis die Person ihr Zimmer erreicht hatte. Die Person muss außerdem Malou ins Bad eingesperrt haben, als sie Naomi beschützen wollte. Tief atmete ich durch, um mich wenigstens etwas zu beruhigen. Vielleicht machte ich mir umsonst Sorgen und sie war nur in der Stadt oder bei ihren Freunden. Doch das würde noch längst nicht erklären, warum Malou im Bad war. Ich schüttelte den Kopf und zog mir meine Stiefel an. Möglicherweise wusste die Tochter der Aphrodite mehr.

𝕻𝖊𝖗𝖋𝖊𝖈𝖙𝖑𝖞 𝕴𝖒𝖕𝖊𝖗𝖋𝖊𝖈𝖙Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt