Rote Augen ♤

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"Was ist DAS?", fragte Dyana ihren belustigten Begleiter wenig begeistert.

Dabei starrte sie auf den Teller vor ihr, welcher mit einer Art rotgefärbten Bohneneintopf gefüllt war.

Caleb grinste hämisch.
"Vertrau mir. Es wird dir schmecken."

Dann reichte er ihr ein Stück von dem frischen, selbstgebackenen Weißbrot, welches er ihr ebenfalls aufgeladen hatte. Dayna war für gewöhnlich äußerst skeptisch gegenüber unbekannten Speisen eingestellt. Doch sie war auch am verhungern, und so nahm sie direkt einen gnadenlos großen Löffel der seltsam aussehenden Brühe und - konnte es kaum glauben. Es schmeckte einfach himmlisch!

„Wie heißt das?", fragte sie den Mann, der nun ebenfalls fleißig am herunterschlingen war.

„Pasul", mampfte er zwischen zwei Bissen.
"Eines unserer Volksgerichte."

Das Mädchen begann so langsam, sich in dieser neuen Welt wohlzufühlen.

Nachdem sie zwei Portionen des wohlschmeckenden Eintopfes verschlungen hatte, wollte sie sich gerade übersättigt in ihrem Stuhl zurück lehnen, da stand Caleb bereits auf.

„Ich bringe dich jetzt auf dein Zimmer. Es ist schon sehr spät. Du hast morgen einen anstrengenden Tag vor dir."

Das Mädchen musste sich beeilen, um dem Wächter hinterherzukommen. Sie war sich nicht ganz sicher, wieso ihr Tag so anstrengend werden sollte, doch das würde sie bestimmt schon bald erfahren.
Wieder liefen sie durch unendlich lange Flure, an dessen Seiten wundersame Leuchtmittel aus Edelsteinen die Wände schmückten. Dayna war sehr müde, versuchte jedoch trotzdem, sich alles ganz genau einzuprägen.

„Da auf dem Tisch liegen deine Bücher und ein Stundenplan. Du solltest am besten kurz drüber lesen, bevor du schlafen gehst. Vielleicht erklärt es dir schon einiges."

Der Wächter hatte sie in ein ziemlich großes Zimmer mit gehobener Einrichtung gebracht. Hier würde sie bestimmt um einiges besser schlafen, als in der knätschigen alten Waldhütte die Nacht zuvor. Allerdings war es die erste Nacht, welche die 17-Jährige in dieser fremdem Welt alleine verbringen würde. Und das machte ihre eine Höllenangst.

„Wo schläfst du eigentlich?", fragte sie Caleb und versuchte dabei, ganz beiläufig zu klingen.

Doch ihr Wächter durchschaute sie sofort und lächelte ihr aufmunternd zu.
„Ich bin nur einige Gänge entfernt von euch, mylady. Falls ihr mich brauchen solltet, werde ich es durch das Band spüren."

Das beruhigte Dayna tatsächlich ein wenig, auch wenn die Intimität der Wächter-Verbindung ihr immer noch nicht ganz behagte. Dann kreuzte ein anderer Gedanke plötzlich ihr komplexes Gefühlsleben.

„Auch, wenn ich etwas furchteinflößendes träume?", hakte sie nach.

Der Wächter ließ sich dieses mal etwas mehr Zeit mit seiner Antwort, bevor er sagte:
„Ja, Prinzessin. Doch ich weiß nicht, wie ich euch davor bewahren soll."

Das hatte Dayna auch nicht erwartet.

„Sorge bitte lediglich dafür, dass mich Nachts niemand schreien hört. Das würde wohl keinen guten ersten Eindruck hinterlassen."

Ein breites Grinsen erschien auf Calebs Gesicht, auch wenn es seine Augen nicht erreichte.
„Seid euch versichert, dass ihr euren ersten Eindruck beim König bereits hinterlassen habt. Gute Nacht, mylady."

Er drehte sich um und ließ das Mädchen in ihren neuen vier Wänden allein.
Sie wollte sich gerade erschöpft in das verlockende Queensize-Bett fallen lassen, da fiel ihr eine weitere Tür im Raum auf. Ob das wohl das Badezimmer, mit heißersehnter Dusche, war?

Mit zögerlichen Schritten näherte sie sich der kleinen Tür und träumte dabei bereits davon, von heißem Wasserdampf umgeben zu sein. Und bei einem so teuer ausgestatteten Zimmer müsste das Badezimmer mindestens genauso luxuriös sein, oder? Vielleicht gab es sogar eine - sie wagte kaum daran zu denken - Badewanne! Neugierig öffnete sie das Türchen, fest entschlossen, zu erkunden was sich dahinter verbarg.
Und staunte nicht schlecht, als sie einen höhlenartigen Raum vorfand, welcher genau wie die Flure durch zig Edelsteine an den Wandseiten erhellt wurde.

In dessen Mitte eingelassen, war ein rundes Becken aus Felsgestein, vollgefüllt mit Wasser.
Doch Dayna konnte nirgendwo einen Wasseranschluss entdecken. Als sie bemerkte, dass der Raum viel zu hell war, um lediglich von einigen leuchtenden Steinen beleuchtet zu werden, schaute sie sich nach einer weiteren Lichtquelle um. Erst, als sie ihren Blick zur Decke richtete, erkannte sie, dass diese komplett verglast war und dadurch der helle Vollmondschein direkt in ihre Gemäuer drang.

Und obwohl sie das wundersame Setting vielleicht erstmal kritisch hätte beäugen sollen, konnte sie sich nicht zurückhalten - es war, als würde sie geradezu magisch angezogen von der atemberaubenden Wellness-Oase.
Sie entledigte sich ihrer Kleidung und wagte den Sprung ins hoffentlich angenehm warme Wasser.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, schlurfte Dayna tiefentspannt zurück in ihr exklusives Schlafgemach.
Mit einem hörbaren Plumpsen ließ sie sich auf ihre große Matratze fallen. Bevor sie jedoch in Versuchung geraten konnte, ihre Augen zu schließen und im wunderbaren Land der Träume zu versinken, fiel ihr Blick auf den Stapel Bücher auf ihrem Schreibtisch.

Von Weitem konnte sie vage einen Titel erkennen:

Kampf- und Waffenkunde Vol. 3

Waren das etwa ihre Schulbücher?

Sofort war sie wieder hellwach und rückte näher an den Holztisch heran, um das Gefundene genauer zu betrachten. Neugierig las sie sich durch die anderen Titel hindurch:

Bewusstseinskontrolle Vol. 3

Übergreifende Geschichte Vol. 8

Magie Vol. 6

Es war allerdings ein eher unscheinbares Lehrbuch, welches ihre Aufmerksamkeit besonders erregte.

Schattenweltgeschichte Vol. 8.

Ob sie darin wohl endlich mehr Antworten auf ihre Fragen finden würde?

Fest entschlossen, zumindest nichts unversucht zu lassen, schlug sie den dicken Band auf und blätterte ein wenig darin herum. Was sie zuerst fand, waren einige Legenden über die Tylwyth Teg, ein paar davon hatte sie selbst schon einmal irgendwo gehört. Am Ende jeder Seite sollte man raten, was davon stimmte und was frei erfunden war. Auf der Rückseite folgte dann die Auflösung.

Dayna musste ein wenig schmunzeln, als sie sich vorstellte, der Unterricht würde wie eine Quizshow aus dem Fernsehen ablaufen.
Beim Weiterblättern entdeckte sie dann aber etwas, was ihr das Lächeln direkt wieder verdarb.

Llygaid coche stand dort fett gedruckt.

Hinzugefügt war eine Zeichnung von einer grässlich verunstalteten Kreatur.

Doch das weitaus markantere an der Gestalt; war der furchteinflößende Blick ihrer bis ins Mark durchdringenden roten Augen. Und obwohl es lediglich ein Bild war, schauderte es Dayna bei dem Gedanken daran, eines Tages vielleicht einem von ihnen gegenüberzustehen.

Dann erstarrte sie, als ihr urplötzlich wieder in den Sinn kam, von einem von diesen Dingern geträumt zu haben.

Oder waren das Erinnerungen gewesen?

Sie bezweifelte es.
Shließlich hatte der Mann längst nicht so schrecklich ausgesehen, wie die Darstellungen in diesem Buch. Und dies war doch ein Schulbuch und kein Fantasyroman. Wahrscheinlich hatten ihr die Erzählungen von Caleb einfach etwas Angst eingejagt, sodass sie sich diese rotäugigen Wesen im Traum vorgestellt hatte. Doch die Stimme des Rotäugigen, welcher im Schlaf zu ihr gesprochen hatte, wollte ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen.

"Chwaer", hatte er ständig wiederholt.

Was das wohl bedeutete?

Sie hatte sich noch nicht getraut, ihren Wächter danach zu fragen. Vielleicht würde sie die Grundlagen dieser seltsamen Sprache ja bereits in naher Zukunft in ihrer neuen Schule selbst erlernen.

Burning ShadowsWhere stories live. Discover now