Erinnerungen - Teil 2 ♤

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Sagenhafte Weiten von Felslandschaften erstreckten sich vor den beiden Reisenden, nachdem sie einige Kilometer weitergelaufen waren und Dayna konnte gar nicht anders, als voller Erfurcht nahe eines Abhanges stehen zu bleiben.

"Wow", stieß sie bezaubert aus.

Der stämmige Wächter, der bereits einige Schritte weiter gegangen war, kam zu ihr zurück getrottet und gesellte sich locker an ihre Seite.

"Es ist schön, nicht wahr?", fragte er sie das Offensichtliche.

Es war mal wieder das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit, dass er direkt mit ihr sprach. Sie riskierte einen vorsichtigen Blick zu ihm und bemerkte, wie Caleb sie neugierig beobachtete.

"Eigentlich sollte das alles für mich nichts besonderes sein, oder?", wollte sie geknickt von ihm wissen.
"Ich meine, es ist ja schließlich der Ort von dem ich eigentlich herkomme. Mein Zuhause, irgendwie..."

Caleb lachte plötzlich ohne Vorwarnung aus voller Kehle los. Etwas verwirrt über seinen plötzlichen Stimmungswechsel, fast schon eingeschnappt, wusste sie nicht angemessen darauf zu reagieren. Machte er sich etwa über sie lustig?

Da ihm auffiel, sie verärgert zu haben, versuchte er ihr sein ungewöhnliches Verhalten zu erklären.
"Oh Seraphina, gerade deshalb ist es doch so wunderschön für dich! Du hast die Schattenseite schon immer geliebt. Du bist doch schließlich ihre Prinzessin, die Thronfolgerin, gewesen. Dein Volk ist es, das hier lebt. Alles, was hier ist, gehört dir!"

Dayna konnte sich die Bedeutung seiner Worte ehrlich gesagt nicht einmal annähernd bewusst machen, so sehr sie sich auch darum bemühte.
Eine Weile starrten die beiden einfach still in die Ferne. Die Ruhe fühlte sich jedoch nicht bedrückend an, sie war eher ziemlich angenehm und entspannt.

"Caleb, kann ich dich etwas fragen?", wandte sie sich dem Ritter nach einiger Zeit aufrichtig zu.

Mit derselben Ernsthaftigkeit antwortete er ihr:
"Natürlich. Was immer du wissen willst."

Sie zögerte kurz, bevor sie weitersprach:
"Nach und nach tauchen Seraphinas - also meine - alten Erinnerungen wieder auf. Aber es sind irgendwie jedes Mal nur kurze Ausschnitte, aus irgendwelchen Situationen. Warum kann ich mich nicht einfach wieder an alles erinnern?"

Er schien intensiv nachzudenken, bevor er seine Meinung kundtat:

"Ich will dich nicht anlügen, ich kann selbst nur raten. Aber ich vermute einfach, dass es zu viel für dein Bewusstsein wäre, wenn du dich auf einen Schlag wieder an alles aus deinem vorherigen Leben erinnern könntest. Du hast ja schließlich auch noch deine ganzen eigenen Erinnerungen und vieles würdest du vielleicht auch noch gar nicht verstehen... Also, was ich damit sagen will: Auf mich wirkt es so, als würden die Erinnerungen dich nicht überfordern wollen. Und deshalb kommen sie nur Schritt für Schritt hoch."

Die nächste Frage brannte dem Mädchen ganz besonders auf der Seele.
"Also kommen zuerst die am leichtesten verdaulichen Erinnerungen hoch? Oder die Wichtigsten?"

Diesmal zögerte Caleb noch länger.
"Eher die, die dich am besten darauf vorbereiten, die Persönlichkeit deines früheren Ichs langsam wieder anzunehmen. Solange, bis dein jetziges Bewusstsein komplett mit dem von deinem früheren Ich ... verschmilzt."

Dayna war entsetzt. Sie hatte überhaupt nicht erwartet, mit ihrem Seraphina-Ich zu "verschmelzen". Das musste sie erst einmal sacken lassen.

Aber obwohl sie es nicht erwähnen wollte, sprudelte es regelrecht aus ihr heraus:
"Ich habe mich auch schon an dich erinnert - an uns."

Die Augen des Riesen weiteten sich.

"Wann?", fragte er verdutzt, wobei sie sich fast sicher war, dass er lieber "Woran?" gefragt hätte.

Burning ShadowsWhere stories live. Discover now