Burning Shadows

Von kalten Füßen & noch kälteren Nächten

Dayna schnappte keuchend nach Luft und stütze dabei die Handflächen auf ihren Oberschenkeln ab. 

"Was war das?", fragte sie Shay so leise, aber dennoch nachdrücklich wie möglich.

Dieser schenkte ihr nur ein weiteres, strahlendes Grinsen. "Ein kleiner Trick, den sie den Schülern der Akademie normalerweise lieber vorenthalten. Glücklicherweise gilt das aber nicht für meinen lieben Cousin und ab und zu schaffe ich es noch, ihn dazu zu bringen, mir das ein oder andere Geheimnis zu verraten, welches ihm in seinen privaten Unterrichtsstunden gelehrt wird."

Die Blondine konnte daraufhin nur fassungslos mit dem Kopf schütteln. Es hatte sich beinahe so angefühlt, als würde ihr jedes Fünkchen Sauerstoff aus dem Körper gezogen, als Shay sie mit seinem kleinen Luftmagie-Kunststück sicher auf den Boden vor ihrem Fenster transportiert hatte. In diesem Moment war sie wirklich heilfroh darüber, sich gegen den Rock entschieden zu haben, der zuerst in ihrer engeren Auswahl gelegen hatte. 

Stattdessen hatte sie sich eine gemütliche, dunkle Stoffhose übergezogen, da es so etwas wie Jeans in dieser Elfen-Welt wohl nicht zu geben schien. Dazu trug sie ein ebenso dunkles Sweatshirt, welches eng anlag und damit ihre Figur perfekt betonte. Zumindest hatte Shay dies lauthals verkündet, als sie frisch eingekleidet aus dem Baderaum hervorgetreten war, um ihm ihr Ausgeh-Outfit widerwillig zu präsentieren.

Dayna richtete sich wieder auf und kämmte sich anschließend einige Male mit den Fingern durch ihr vom Wind zerzaustes Haar, bevor sie es aufgab und dieses letztendlich in einem hohen Pferdeschwanz zusammenband.

"Also, wo ist diese geheime Party?" Sie sah erwartungsvoll zu ihrem Begleiter auf.

Shay legte ihr einen Arm um die Schultern und manövrierte sie dann in Richtung des Waldgebietes, welches das Schloss umgab. "Dreimal darfst du raten."

Ihr Herz begann, wie wild in ihrer Brust zu pochen und sie musste einen dicken Klos hinunter schlucken, damit Shay die Unsicherheit in ihrer Stimme nicht heraushören konnte, als sie fragte: "Wir feiern im Wald?"

"Angst vor der Natur, Dayday?", ärgerte er sie und kniff ihr dabei im Gehen leicht in die Wange. "Du bist eine Teg, der Wald ist sozusagen unsere natürliche Umgebung. Es wird schon nichts passieren."

Sie wusste, dass Caleb sie dafür umbringen würde und selbst Aydan vermutlich nicht begeistert von der Tatsache wäre, dass sie die Nacht zusammen mit einer Gruppe von Jugendlichen in den dunklen Wäldern der Schattenwelt verbrachte. Aber, nachdem sie es in letzter Zeit sowieso niemanden mehr hatte Recht machen können, wollte sie nun wenigstens für ihre neuen Schulfreunde keine Spielverderberin sein. 

Also ließ sie sich von Shay in das finstere Dickicht hineinführen, aus dem sie bereits nach einiger Zeit laute Stimmen und haltloses Gekicher vernehmen konnte.

Die beiden Neuankömmlinge traten zwischen den Bäumen hervor und fanden sich auf einer kleinen Lichtung wieder, welche durch ein paar mitgebrachte Edelsteine noch stärker beleuchtet wurde. Sofort entdeckte Dayna Bryanna, die gemeinsam mit Alycyn auf der feuchten Wiese saß und dabei einen glänzenden Krug in den Händen hielt, in welchem eine rötliche Flüssigkeit schimmerte. Dayna ging stark davon aus, dass es sich bei dem Getränk um dasselbe handelte, welches sie an dem Tag ihrer offiziellen Titelverleihung getrunken hatte - und beschloß noch im selben Augenblick, sich so weit wie möglich davon fern zu halten.

"Ach du meine Güte, Dayna?!" Alycyn sprang sofort auf, als sie Dayna entdeckte und schaffte es dabei natürlich, unglaublich elegant zu wirken. "Ich dachte, du seist krank? Oder sind die Gerüchte tatsächlich wahr und du hast kalte Füße bekommen?"

Dayna wich dem neugierigen Blick ihrer Mitschülerin aus, während sie ihren Kopf krampfhaft nach einer glaubhaften Ausrede durchforstete.

"Wenn Dayna heute Abend hier ist, dann nur deshalb, weil sie den Kopf frei kriegen will, Alycyn", wies überraschenderweise Bryanna das andere Mädchen zurecht. "Also ruiniere nicht die Stimmung, bevor sie überhaupt den ersten Schluck genommen hat!"

Alycyn zog daraufhin tatsächlich beschämt den Kopf ein und murmelte eine leise Entschuldigung, während Bryanna erhobenen Hauptes mit ihrem Krug auf Dayna zu stolzierte.

"Hier." Sie hielt ihr das fremdartige Gefäß unter die Nase. "Danach wird es dir besser gehen."

Dayna schnupperte einmal daran und konnte direkt den süßlichen Duft ausmachen, der sie schon beim letzten Mal hinters Licht geführt hatte. Mit gerümpfter Nase lehnte sie ab. "Vielleicht später."

Bryanna setzte den Krug schulterzuckend an die eigenen Lippen an, bevor er ihr von Shay forsch aus der Hand gerissen wurde. "Auf kalte Füße!", prostete er Dayna zwinkernd zu.

Nachdem einige Minuten vergangen waren, stieß noch ein kleines Grüppchen von Tegs zu ihnen hinzu, die nicht auf ihre Schule gingen und die sie bis jetzt noch nicht kannte. Sie mussten die adligen Kinder von Besuchern sein, welche für die Feier an den Hof gereist waren, schlussfolgerte Dayna.
Wie das Glück es so wollte, kannten sie Dayna ebenso wenig und so blieb sie von neugierigen Nachfragen über die verschobene Verlobungsfeier fürs Erste verschont.

Dies führte allerdings schnell dazu, dass die kleine Zusammenkunft etwas lauter und aufgedrehter wurde. Bis auf Dayna lehnte keine der Anwesenden das Getränk ab, welches aus unerfindlichen Gründen niemals auszugehen schien, obwohl der Krug mittlerweile längt leer sein sollte. Vermutlich ein magisches Utensil, dass die Mädchen irgendwo von einem zwielichtigen Händler erworben hatten. Vielleicht ja sogar bei ihrem alten Bekannten Alwynn, der, soweit sie wusste, so manches seltsame Stück an seinem kleinen Stand verscherbelte.

Irgendwann tanzten alle nur noch schwankend herum und Dayna wurde so langsam etwas kalt mit ihrem dünnen Oberteil, sodass sie sich auf den Boden setzte, die Knie anzog und sich immer wieder über die Arme rieb, um sich warm zu halten.

Da tauchte Shay wie aus dem nichts neben ihr auf und legte ihr seine Jacke um. Der beißende Geruch seines viel zu stark aufgetragenen Parfüms setzte sich umgehend in ihrer Nase fest, doch um seine nette Geste nicht kaputt zu machen, bedankte sie sich mit einem schmalen Lächeln. 

"Doch nicht in Stimmung?", fragte er sie mit Augenmerk auf ihre eher abgeschiedene Position.

"Ich glaube nicht", antwortete sie ihm ehrlich.

Er streckte ihr seine Hand hin. "Komm."

Nach kurzem Zögern ergriff sie diese und ließ sich von ihm aufhelfen. Die anderen waren mittlerweile schon so betrunken von dem Zauberwein, dass ihnen überhaupt nicht auffiel, wie sie zusammen mit Shay die Lichtung verließ, gutgläubig daran, er würde sie einfach nur zurück zu ihrem Zimmer begleiten wollen.

Stattdessen bog er nach wenigen Metern mit ihr in einen Pfad hinein, der ihr nicht bekannt vorkam. "Wohin gehen-"

Ein dumpfes Geräusch ertönte und um sie herum wurde alles schwarz. Das letzte was sie spürte, war eine warme Flüssigkeit, die von ihrem Hinterkopf auf ihren Nacken tropfte, bevor sie bewusstlos auf dem Waldboden zusammensackte.