Der Fluch

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Sobald Caleb den Raum verlassen hatte, wich Aydans feindselige Miene sofort wieder seiner  wohlbekannten Freundlichkeit. Schnurstracks gesellte er sich zu ihr, während er sie dabei mit seinem typisch schiefen Lächeln betrachtete.

"Willst du die Umarmung noch nachholen?", erkundigte er sich zu ihrer Überraschung.

"Mir ist jetzt nicht mehr so danach", gab Dayna zu.

Der Prinz gab sich gespielt niedergeschlagen. Oder war er wirklich enttäuscht darüber?

"Na gut", seufzte er dramatisch.

Bevor sie es abwehren konnte, strich er ihr sanft eine gelockte Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann legte er seine Hand auf ihre Wange und sah ihr eindringlich in die Augen.

"Du solltest dich in Zukunft besser davor hüten, einen Argus so nah an dich heranzulassen."

Autsch. Irgendwann musste er es ja ansprechen. Schließlich hatte er sie jetzt schon zum dritten Mal in verdächtiger Vertrautheit mit Caleb erwischt. Sie konnte noch froh darüber sein, dass er sie nicht gleich beim König verriet. Wobei er das auch schon längst getan haben könnte. Wollte der König vielleicht sogar deshalb mit ihr reden?

Wider besseren Wissens, fragte sie: "Wieso nicht?"

Der Prinz hob eine Augenbraue, doch er erklärte ihr ganz ruhig: "Das Herz eines Tegs ist sehr empfindlich, kleine Prinzessin. Wenn du dich nicht vorsiehst, wirst du es noch verlieren."

Dayna schluckte. "Was wäre so schlimm daran?"

Ein nachsichtiges Lächeln umspielte Aydans Lippen. Seine warme Hand lag immer noch auf ihrer Wange und sie war überrascht davon, dass sie sich überhaupt nicht unangenehm anfühlte.

"Die Argusse sind schließlich halb-menschlich. Und auf unseren Frauen lastet ein Fluch, der sie zu Jili Ffrwtan werden lässt, wenn sie sich in einen Menschen verlieben."

"Was ist das für ein Fluch?", wollte sie verwirrt wissen.

Er strich ihr langsam mit einem Finger über den Hals, über die Schulter und ließ seine Hand dann dort ruhen. Daynas Puls begann zu rasen. Aydan machte sie nervös. Sehr nervös.

"Du solltest im Unterricht besser aufpassen. Aber es ist auch nicht so wichtig. Normalerweise wird ein Teg sowieso zur Heirat versprochen, vor allem Angehörige des Adels meistens schon zu ihrer Geburt."

Wow. Das war ja wie im Mittelalter.

"Bist du deiner Zukünftigen also auch schon versprochen?"

Bis jetzt hatte sie ihn noch nie mit einem Mädchen gesehen. Allgemein blieb der Kronprinz meistens eher für sich, lediglich im Unterricht beteiligte er sich ab und zu an Gesprächen mit seinen Mitschülern. Das lag womöglich auch daran, dass seine Leibwachen ihm selbst im Schloss fast permanent auf Schritt und Tritt folgten. Sie konnte sich vorstellen, das es da nicht gerade leicht war, Freundschaften zu schließen. Geschweige denn, ein Mädchen zu daten.

Aydans Augen leuchteten plötzlich auf, so als freue er sich über ihr Interesse an seinem Liebesleben. 

"Als zukünftiger König ist mir das Privileg vergönnt, mir die Frau an meiner Seite selbst aussuchen zu dürfen.", erklärte er ihr freudig.

"Und diese Frau muss dich dann einfach heiraten, auch wenn sie es gar nicht will?", entgegnete Dayna missmutig.

Die Stirn des Kronprinzen zog sich zusammen und er antwortete ihr mit einer Ernsthaftigkeit, die sie sonst nicht von ihm gewohnt war: "Ich würde ihr die Wahl lassen."

Dann zwinkerte er ihr zu und war wieder ganz er selbst.

"Aber welche vernünftige Frau mit Augen im Kopf würde meine Offerte wohl ablehnen? Ich bin Aydan Ragon, der best-aussehendste König, den die Schattenwelt je gesehen haben wird." Er beugte sich ein Stück zu ihr hinunter, sodass er ihr ins Ohr flüstern konnte. "Aber verrate das dem momentanen König bitte nicht, wenn wir ihn gleich treffen."

Trotz ihrer Furcht vor dem Aufeinandertreffen mit dem machtausstrahlenden Volksherren konnte sie sich ein Grinsen nicht verkneifen. Aydan wusste anscheinend immer, wie er sie am besten aufheitern konnte.

Wieder hielt er ihr seinen Arm hin, damit sie sich bei ihm einhaken konnte. Dieses mal war sie sogar dankbar darüber, da sie ihrem Gleichgewichtssinn ob ihres angetrunkenen Zustandes  noch nicht ganz traute.

"Hab' keine Angst, kleine Prinzessin. Wir gehen jetzt zwar in die Höhle des Löwen, doch wie du weißt schreckt ein jeder Löwe vor dem Feuer zurück. Und ich bin der beste Feuerbändiger unseres Königreiches", verkündete er munter, bevor er sie aus dem kleinem Raum hinaus in Richtung des Thronsaals führte.

Und obwohl sie sich mit Aydan nicht ganz so sicher wie an der Seite von Caleb fühlte, machte sich eine entspannte Gelassenheit in ihr breit, als sie wie selbstverständlich mit ihrem Begleiter durch die langen Flure des Schlosses schlenderte. Caleb mochte ihn zwar nicht, doch Dayna hatte ihren Mentor bereits ins Herz geschlossen.

Sie hoffte nur, dass sie dies nicht noch in weitere Schwierigkeiten bringen würde.

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