Falsches Spiel

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*1 Monat später*

Dayna betrachte ihr für den bevorstehenden Abend harausgeputze Antlitz in dem bodenlangen, mit Silber verzierten Spiegel.

Sie trug ein atemberaubendes Ballkleid, welches mit feinen Ornamenten bestickt war und ihr, da es extra für sie geschneidert worden war, wie angegossen passte. Die saphirblaue Farbe des Stoffes traf exakt denselben Ton ihrer außergewöhnlichen Iriden. Ihre Haare waren prunkvoll hochgesteckt worden und das Make-Up vervollständigte den Schein ihrer Makellosigkeit.

Ihr Blick fiel auf die silberne Kette, welche ihr freiliegendes Dekolleté schmückte.

Ein Stich fuhr ihr durch die Brust.

Prinz Aydan hatte ihr diese Kette geschenkt, kurz nachdem er von ihrem Einverständnis zur gemeinsamen Verlobung erfahren hatte. Er war so glücklich gewesen und das Schmuckstück sei so wunderschön und einzigartig wie sie, hatte er freudestrahlend beteuert.

Mit der Schönheit des Unikats musste sie ihm Recht geben.  Trotzdem fühlte es sich falsch an, sie zu tragen. Denn die Kette war nur ein weiterer Beweis für ihrenLügen. Ein Symbolbild dafür, wie gefangen sie bereits längst in den Machtspielen des Königs war.

Sie mochte ein Geschenk der Zuneigung sein und dies schmeichelte dem Mädchen natürlich. Aber sie war nicht von ihm.

Caleb.

Wie sehr sie seine Nähe täglich vermisste, dabei hatte sie bis vor kurzem noch nicht einmal erkannt gehabt, wie tief ihre Gefühle für ihn schon längst gingen.

Nun wuchsen sie mit jedem Tag, an dem sie ihn gleichgültig behandeln musste, als wäre er nur irgendeiner ihrer unwichtigen Bediensteten, von denen sie mittlerweile mehr als genug hatte, stetig an. Und in jeder Sekunde, die sie mit einem anderen Mann an ihrer Seite verbringen musste, sollte ihr zukünftiger Verlobung auch noch so charmant sein, wurde ihr klarer, dass das unvermeidliche schon längst passiert war.

Sie hatte sich in ihren Wächter verliebt.

Und, auch wenn er es ihr im Moment nicht mehr zeigte und seine Emotionen wieder einmal hinter der für ihn so typischen Maske aus Gleichgültigkeit verbarg, war sie sich sicher, dass er für sie genauso fühlte.

Sie glaubte es spüren zu können, was vielleicht dem Bund den sie sich teilten geschuldet war. Und in jeder geheimen Botschaft, welcher er ihr gedanklich zusandte, sobald ihm auffiel, dass sie mit ihrer momentanen Bürde haderte, meinte sie zwischen den Zeilen andere Worte herauslesen zu können.

Sie vermisste ihn schrecklich.

Er war stets in ihrer Nähe, doch sie durfte ihn weder berühren, noch ihm auf andere Weise zu nahe treten. Aus Angst vor den Konsequenzen die folgen würden, sollte dem König etwas von ihren Handlungen zu Ohren kommen.

Es war schier zum verrückt werden.

Ein Klopfen an ihrer Zimmertür riss Dayna aus ihren trübseligen Gedanken.

Schnellen Schrittes begab sie sich zur Tür, um diese zu öffnen.
Entgegen blickte ihr ein elegant gekleideter Kronprinz, der sie mit seinem typischen schiefen Grinsen begrüßte, während er seinen Blick auffällig über Daynas Körper wandern ließ.

"Kaum zu glauben, dass das eines Tages alles mir gehören wird", stieß er anerkennend hervor.

Dayna schoss die Röte ins Gesicht. Wohlwissend, dass Sir Caleb in Hörweite sein musste, da er abends für gewöhnlich vor ihren Räumen Wache hielt und ihr Gegenüber selbst von seinen zwei eigenen Wachleuten flankiert wurde.

Sie rollte nur mit den Augen.
"Wenn du so weiter machst wäre es allerdings gut möglich, dass du diesen Tag nicht mehr erleben wirst."

Aydan lachte kehlig auf.
"Wie ich deine störrische Art jedes mal aufs Neue genieße, kleine Prinzessin."
Er hielt ihr einen Arm hin und zwinkerte ihr frech zu.
"Na dann, wollen wir?"

Sie nickte nur stumm und hakte sich bei ihm ein.

Gemeinsam gingen sie ein paar Schritte, dann stieß auch schon Daynas eigener persönlicher Wächter zu ihnen hinzu und gesellte sich zu den anderen Argussen, welche sich ein Stück weit zurückfallen lassen hatten, um den vermeintlichen Turteltauben eine Illusion von Privatsphäre zu gewähren.

Die Prinzessin erlaubte sich nur ganz kurz den Blick über ihren Ritter schweifen zu lassen, als er an ihr vorbeilief. Auch er war formell gekleidet und wirkte heute unnatürlich steif.
Zu gerne hätte das Mädchen den Grund für seine Angespanntheit erfahren, doch ihn jetzt telepathisch danach zu befragen erschien ihr dann doch als zu gefährlich. Sie wusste nämlich bereits, dass Aydan ein wahrer Meister darin war, anderer Leute Köpfe nach Verdächtigem zu durchsuchen. 

Eine Fähigkeit, dessen Perfektion er einem Training mit dem König höchstpersönlich zu verdanken hatte und welche er inzwischen auch schon begonnen hatte, Dayna zu lehren. Aber auch wenn er ihr versprach, sich nur während der gemeinsamen Unterrichtsstunden an ihrem Innersten zu vergehen und dies auch nur so weit wie sie es ihm erlaubte, hütete sie sich deshalb wenn möglich vor jeder unnötigen Nachricht, welche sie ansonsten vielleicht an Caleb gesendet hätte.

Während des Weges zum Ballsaal, begann sich Aydans Hand auf ihrem Arm mit jedem Schritt ein bisschen schwerer anzufühlen. Schon komisch, war sie doch noch vor einem Monat ganz locker und frei mit ihm durchs Schloss spaziert, ohne sich dabei auch nur im Mindesten eingeengt vorzukommen. Damals war er für sie sogar noch ein Fremder gewesen. Heute allerdings, wirkte seine Nähe regelrecht erdrückend. Und dies, obwohl sie ihn mittlerweile meinte fast in und auswendig zu kennen. Sie mochte Aydan immernoch, keine Frage. Aber mit dem Hintergedanken der aufgezwungenen Verlobung in ihrem Kopf, hatte sich eine Abneigung gegen die Gesellschaft des Prinzen entwickelt, gegen die Dayna sich nicht wehren konnte.

Ob er es wollte oder nicht: Aydan war der Grund dafür, weshalb sie sich von Caleb fernhalten musste.

Und völlig egal, wie gütig sich der Kronprinz ihr gegenüber verhielt, sie war sich dennoch sicher, dass er sich insgeheim darüber freute, seinem Rivalen damit eins auswischen zu können. Dayna machte sich keine falschen Hoffnungen; sie erinnerte sich nur zu gut daran, wie Aydan sie mehrfach in heikler Lage mit ihrem Wächter erwischt hatte. Selbst wenn er nichts davon, dass Dayna in Caleb verliebt war, ahnte, so ging sie stark davon aus, dass er von Calebs Gefühlen für Dayna wusste. Oder dahingehend zumindest eine Vermutung hatte.

Wer weiß, vielleicht ließ er Dayna ja sogar beschatten, um sicherzustellen, dass sie ihn nicht mit dem von ihm verhassten Argus betrog. Um diesen dann im Ernstfall zu seiner eigemen Genugtuung bestrafen zu können und somit ein für allemal loszuwerden.

Ein Grund mehr, dem Kronprinzen keinen Anhaltspunkt für die Wahrheit über ihr Verhältnis zu liefern.
Was immer diese auch genau sein mochte. Im Moment wusste sie es ja selbst nicht mal genau.

Doch jetzt blieb keine Zeit, sich weiter über ihre verzwickte Lage den Kopf zu zerbrechen.
Soeben waren sie nämlich vor den breiten Flügeltüren angekommen, hinter denen man das royale Pärchen bereits sehnlichst erwartete, damit man übers Wochenende genug Gesprächsstoff parat hatte, um seinem eigenen tristen Dasein wenigstens für den Hauch eines seelenlosen Getratsches entfliehen zu können.

Ein Ball erwartete Dayna.

Und sie hatte vor, ihrem neuen Stand als einzige Prinzessin der Tenebrae-Blutlinie heute Nacht alle Ehre zu machen.

Burning ShadowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt