Eine neue trans* Doku kritik/Review

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Vielleicht haben es einige von euch mitbekommen, andere vielleicht sogar geschaut. Es gab am 15.1 eine neue Dokumentation über trans* sein auf Vox.
Ich persönlich war so verpeilt, dass ich die zwar nicht ,,live" gesehen habe, aber online nachgeschaut habe. Einerseits weil ich Dokus um das Thema einfach spannende finde und andererseits, weil ich viel Kritik und Aufmerksamkeit der Doku gegenüber in den sozialen Medien mitbekommen habe.
Und auch ich habe mir meine Meinung zu dem ganzen gebildet und möchte hier dann jetzt ein kleines ,,review" oder eben eine Kritik äußern.
Die Dokumentation könnt ihr auf Tvnow kostenlos anschauen. Zwar gibt es relativ viel Werbung, aber dafür lohnt es sich doch wie ich finde. In der Google Suchleiste einfach ,,Vox Mediathek männlich, weiblich, divers" eingeben und dann die um und bei 30min lange Dokumentation ansehen. Für meine Kritik hier müsst ihr euch die Doku nicht ansehen, wenn ihr nicht wollt oder gerade keine Zeit habt, ich denke mal das ich meine Punkte so erkläre und aufziehen, dass man sie allgemein versteht, auch ohne die Doku angesehen zu haben.
Eine letze wichtig sache: Wie immer, ist das alles nur meine Meinung, ihr könnt eine andere haben. Teilt diese gerne respektvoll in den Kommentaren mit mir/uns.

Also zunächst finde ich die Dokumentation grundsätzlich gelungen!
Es ist keine dieser 5 Minütigen Videos, die schlecht recherchiert und mies zusammen geschnitten sind, bei weitem nicht.
Ich finde grundsätzlich auch immer, eine weitere Dokumentation, die nicht ,,Trans ist krank, sie vergiften unsere Kinder und verstümmelt ihre Körper" aussagt, sondern möglichst neutral und mit betroffenen redet einen Schritt in die richtige Richtung! Die Dokumentation ist würde ich sagen ganz allgemein gute Aufklärung und für eine Person, die von dem Thema noch nie gehört hat erstmal posotiever input über das ganze. Dennoch habe ich einige Punkte, die zunächst vermutlich sehr kleinkariert wirken könnten, die ich in Zukunft gerne verbessert sehen würde. Diese Kritik betrifft hierbei wohlgemerkt bei weitem nicht nur diese eine Doku, sonder ist bei vielen Dokus über das Thema trans* ein Problem. Aber natürlich möchte ich auch positive Aspekte der Dokumentation hervorheben, um das ganze eben hier nicht ausvershene in den Dreck zu ziehen.

Mein erstes Problem spiegelt sich direkt im Titel der Doku wieder. Der lautet ,,Männlich, weiblich, divers-was ist das dritte Geschlecht?"
Ich finde den Titel missverständlich gegenüber dem, was in der Doku behandelt wird. Es werden auch intersexuelle Menschen gezeigt und mit ihnen und ihrem Umfeld gesprochen. Hierbei ist besonders die gelungene und Faktengeszützte Kritik an den lange an intersex Personen durchgeführten OPs in Baby oder Kinderjahren sehr gelungen.
Allerdings werden mindestens zum gleichen Anteil wie intersex Personen auch binäre trans Menschen gezeigt. Sowohl trans Männer, als auch trans Frauen. Und hier liegt mein Problem. Mit dem Titel, der offensichtlich die Frage aufwirft: Was ist das dritte Geschlecht? Damit wird impliziert, dass in dieser Dokumentation die Frage nach dem dritten Geschlecht, nach dem ,,divers", beantwortet wird. Daraus kann man dann schließen, das vermutlich auch von diesem Phänomen betroffene Menschen begleitet werden.
Aber neben den intersex Menschen, sind eben auch binäre trans Menschen gezeigt, die nunmal nicht zum dritten Geschlecht dazu zählen. Der Titel kann hier irreführen und so wirken, als sei generell trans* das dritte Geschlecht. Was schlicht und einfach nicht der Fall ist. Die gezeigten trans Frauen sind Frauen, die gezeigten trans Männer sind Männer und dienen so weder als Repräsentation des dritten Geschlechts noch als Betroffene. Als laie könnte man also, wie ich finde, durch den Titel vermittelt bekommen, dass trans Menschen das dritte Geschlecht sind. Und das ist ein Problem, was viele binäre trans Menschen sowieso schon haben, dass sie nicht als das Geschlecht anerkannt werden, was sie sind, sondern als etwas dazwischen. Hier hätte ich mir einen etwas anderen Titel gewünscht, der auf sowohl intersex Menschen (das dritte Geschlecht), sowie binäre trans Menschen und besten Falls noch nicht binäre trans Menschen passt.

Mein nächster Punkt ist auch relativ zu Anfang der Doku gefallen. Dort wurde gesagt ,,....Menschen sind Transgeschlechtlich...".
Diese Formulierung finde ich sehr schwierig. Das Wort Transgeschlechtlich kann hier erneut zu Missverständnissen führen. Es hört sich so an, als hätte man als trans Person das Geschlecht ,,trans". Was nicht der Fall ist. Ich bin ein trans Junge, aber grundsätzlich männlich und nicht trans. Genauso natürlich bei allen anderen trans* Menschen. Unser Geschlecht ist nicht ,,trans".
Ich denke der Begriff ,,Transgeschlechtlich" konnt hierbei aus einer Vermischung des aus dem englischen genommenen Begriff ,,Transgender" und der deutschen Sprache. Aus ,,gender" wurde eben zu deutsch ,,Geschlecht" gemacht. Was ja rein sprachlich auch korrekt ist.
Allerdings kann man den englischen Begriff ,,gender" nicht mit dem deutschen Begriff ,,Geschlecht" so direkt gleichsetzen. Im englischen gibt es die Wörter ,,Gender" und ,,sex". Gender beschreibt hierbei das gefühlte und gelebte Geschlecht einer Person und ,,sex" die biologischen Gegebenheiten was das Geschlecht angeht einer Person. Somit sind das zwei Begriffe, die man nicht als Synonym nutzen kann, da sie unterschiedliche Aspekte an Geschlecht meinen.
Im Deutschen gibt es eine solche Unterscheidung nicht. Es gibt nur den Begriff ,,geschlecht". Deshlab ist der Begriff ,,Transgender" durchaus ein korrekter Begriff, da er sich mit dem gefühlten Geschlecht auseinandersetzt, die Übersetzung ,,Transgeschlechtlich" hinkt aber finde ich etwas.

Ein schöner Punkt an der Doku ist, dass nicht nur aus Sicht von trans Personen berichtet wird, sondern auch die Schwierigkeiten erläutert werden, die das Umfeld wie Familie, Geschwister und Freunde damit haben können. Hierbei wird keine Angstmache betrieben oder abgeschreckt sondern einfach erzählt wie es nunmal ist. Ohne den Weg und die Hürden für Betroffene und das Umfeld zu romantiesieren. Das gefällt mir sehr gut, da es ein reales Licht auf die Situation wirft!
Eine negatieve Sache sind hierbei die hin und wieder auftretenden Formulierungen. Es werden am laufenden Band die alten Namen der trans* Personen erwähnt, sowie teilweise auch das falsche Pronomen, wenn man von der Vergangenheit spricht. Das ist ein typisches Fettnäpfchen, in das cis Menschen treten. Zwar hat nicht jede Trans Person Probleme damit, wenn der alte Name genannt wird, allerdings ist es dennoch falsch zu dem früheren ich eines trans Mädchen zu sagen,,Damals, als Emma (beispielname) noch (männlicher Name) hieß, war er ein lebhaftes Kind." Emma war auch damals ein Mädchen und dementsprechend wären weibliche Pronomen angebracht. Auch das nutze des alten Namen emfinde ich persönlich als einfach nicht nötig. Selbst wenn die Person kein Problem hat mit dem Namen, was tut er zur Sache? Ich ha zB auch kein großes Problem mit meinem alten Namen, nenne ihn aber trotzdem nicht, weil er einfach nicht relevant ist. Es bringt weder meinen Weg, noch meine Aufklärung oder Erzählungen voran, wenn man den Namen weiß. Genauso ist es auch bei der Doku, es wäre einfach nicht nötig. Indem man eben den alten Namen nicht nutzt, sensibilisiert man auch unaufgeklärte mehr, dies nicht zu tun, anstatt am laufenden Band falsche Namen zu nutzen und so das ganze eher zu normalisieren.

Mein letzter Punkt soll noch einmal positiev sein.
Ich fand es echt cool und interessant, dass gen Ende der Doku noch einmal auf die frühe Geschichte der sexualmedizien und dem Thema trans* eingegangen worden ist. Zwar nicht super lange und ausschweifend, aber so, dass man sehen konnte das schon im frühen zwanzigsten Jahrhundert die Anfänge für uns heute gelegt wurden.
Auch die Begrifflichkeiten rund um OPs fand ich gelungen. Zwar wurde darüber echt nicht viel gesprochen, aber zB wurde der Begriff ,,Penoid Aufbau" verwendet. Anstelle von ,,Dann hat er seine Genital OP" oder ,,Die Umwandlung" wurd hier der korrekte Begriff verwendet, was bei weitem keine Selbstverständlichkeit ist und mich gefreut hat!

Fazit:
Als Fazit lässt sich von meiner Seite sagen, dass die Doku alles in allem gelungen war mit einigen Schwächen. Doch trotz dieser Schwächen wurde nichts negatives über die trans* Counity verbreitet oder falsche Infos genannt. Grundsätzlich gab es im wesentlichen Schwierigkeiten bei Begrifflichkeiten, was auch noch relative normal und verständlich ist, wie ich denke. Als Tipp denke ich hätte es nicht geschadet, eine trans Erfahrene Person nochmal über das voiceover schauen zu lassen, um mögliche Fettnäpfchen zu vermeiden.
Allerdings scheint diese Doku nur Teil 1 einer Reihe zu sein und so bin ich gespannt, wann Teil 2 kommt und wie der wird.

Wie ist eure Sicht auf das ganze? Habt ihr die Doku schon gesehen?

LG Noah

TransStoriesWhere stories live. Discover now