Dinge, die ich gerne vor meiner Transition gewusst hätte

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Ich habe überlegt ob man den Titel etwas kürzen kann, weil das in der Übersicht der Kapitel doch immer nicer ist wenn man alles lesen kann, aber habe mich dazu entscheiden, dass es doch die lange Version sein muss.
Ich werde in diesem Kapitel ein paar Dinge auflisten und erklären, die ich gerne vor meiner Transition gewusst oder gesagt bekommen hätte.
Mit ,,vor meiner Transition" meine ich in einigen Aussagen vor meiner kompletten Sozialen Transition (sprich Outings etc) und in anderen vor meiner medizinischen (Testo, OPs etc), was wann gemeint ist wird relatiev selbstverständlich sein denke ich.
Zu beachten ist natürlich wie immer: Das ganze sind nur meine Erfahrungen und meine Meinung.

1. Zweifeln ist normal und okay.
Ich habe früher und heute auch noch größtenteils nur trans Männer auf diverse sozialen Netzwerken gesehen, die auf die Frage ,,Hast du jemals an deinem Weg gezweifelt?" ,,nein, niemals" geantwortet haben.
Und es kann auch durchaus sein, dass es trans* Menschen gibt, die niemals an ihrem Weg gezweifelt haben. Das will ich niemandem absprechen!
Dennoch habe ich an Stellen meiner Transition gezweifelt.
Wer meine Kapitel zu Testosteron und meinem Weg dort hin gelesen hat, der hat vllt noch im Kopf, dass ich insbesondere die ersten Wochen auf Testo eine extreme ,,Zweifel Phase" durchgemacht habe, die die Freude fast zu nichte gemacht hat. Und auch sonst habe ich an Stellen mal gezweifelt, ob das jetzt echt das richtige ist.
Und das ist normal und okay!!
Bei mir war zweifeln immer nur ein extremes Hinterfragen dessen, was ich tue. Und das ist erstmal nichts negatieves. Man sollte sich da nie zu sehr rein steigern, aber kritisch hinterfragen ist immer erstmal gut. Man trifft große Entscheidungen, bei mir in recht jungem alter, die teilweise irreversiebel sind. Zweifeln und Hinterfragen sind da sehr natürlich und gut, um am Ende sagen zu können, dass man es sich wirklich überlegt hat und voll hinter der getroffenen Entscheidung steht. Das kann ich zB bei Testosteron mitlerweile. Dazu hat unter anderem diese extreme Phase des Hinterfragen beigetragen. Denn ich konnte mir danach die Frage ,,Geht es nicht auch ohne? Kann ich nicht auch als Mädchen leben?" Mit einem klaren ,,Nein." Beantworten.
Und natürlich sind Zweifel in jeder anderen Hinsicht des Weges auch normal. Lasst euch da nicht euer trans* sein aberkennen, weil man wenn man trans* ist ,,das nicht hinterfragt" oder sowas. Das stimmt nicht. Man darf Zweifel, Hinterfragen und überlegen.
Das ist okay und ganz normal!!

2. So wie es immer Leute gibt, die doof sind, wird es auch immer Leute geben, die mich lieben.
Das habe ich nach meinen Outings vor diverse Leuten, Freunden, Verwandten gelernt.
Vorm Outing denke ich hat erstmal fast jeder Angst. Ansgt vor Unverständnis, doofen Reaktionen, doofen Fragen oder Ablehnung. Das hatte ich auch😅
Und man malt sich dann die schlimmsten Szenarien aus. Aber man muss sich echt klar machen: Es wird immer Leute geben, die doof reagieren. Es wird immer Leute geben, die super reagieren und dich lieben.
Und auf die kommt es am Ende des Tages an!
Ich weiß, dass ist schwer, insbesondere wenn Leute die einem wirklich nahe stehen scheiße reagieren. Aber im Endeffekt zählen nur die, die einen Unterstützen und dabei sind und die wird es immer geben, versprochen.
Ob man sie jetzt schon kennt oder sie noch kommen, es giebt diese Menschen!

3. Leute brauchen Zeit
Menschen benötigen Zeit, um sich an alles zu gewöhnen und mit der Situation klar zu kommen.
Ich habe ,,Zeit benötigen" zu Anfang immer als ,,Nicht akzeptieren" aufgefasst.
Zeit brauchen fällt mir auch heute noch oft schwer, wegen der guten alten Ungeduld. Aber Menschen brauchen nach einem Outing Zeit. Bei Eltern ist es beispielsweise normal, dass sie nicht freudig in die Luft springen, sondern erstmal skeptisch sind, hinterfragen ob man ,,wirklich trans* ist" und erstmal überfordert sind, sowie sich vielleicht erstmal wehren, deinen neuen Namen zu benutzen. Kommunikation und Zeit ist da das A und O!
Meine Eltern zB haben zu Anfang nichts von sich aus gemacht und haben auch erst mit dem Prozess, dass ich mich immer weiter geoutet habe gecheckt, dass ich es ernst meine und es keine Phase ist.
Das ist normal! Menschen benötigen Zeit um sich an die Situation und was es mit sich bringt zu gewöhnen.
Da muss man immer daran denken, dass man selber zu Anfang auch Zeit benötigt hat, dass alles zu akzeptieren und zu raffen, dass man wirklich trans* ist und man sich das nicht einbildet. Nur weil man selber beim Outing dann schon die ,,Zeit brauch Phase" hinter sich hat, heißt das nicht das alle anderen das auch so geht, denn die beginnen ja ganz von forne.

4.Testo wird nicht alle deine Probleme lösen
Klingt jetzt etwas banal, da es ja offensichtlich ist, dass Testosteron nicht alle Probleme löst.
Dennoch habe ich das Gefühl, dass in der Comunity diese Schritte (auch OPs etc) teilweise als Problemlösung angesehen werden und das war bei mir auch so.
Mir ist klar, dass natürlich Testo und OPs für viele sehr viele Probleme und Unsicherheiten löst, so ist es bei mir ja auch.
Aber nur durch Testo wird das Leben nicht gleich leicht oder alle Probleme verschwinden. Alltags herrausforderungen, schlechte Tage und psychische Probleme werden bleiben und man muss sie über andere Wege lernen zu lösen. Der trans* Weg ist eben nicht alles, damit man ein gutes, glückliches Leben führen kann.
Und es wird auch trotz Testo und OPs wohl immer Dinge geben, die sich an einem stöhren, so wie das bei allen Menschen der Fall ist.

5. Trans* Freunde zu haben kann sehr hilfreich und bereichernd sein
Das ist jetzt eher etwas random, aber ich habe gemerkt, wie toll es ist, auch in seinem direkten Umkreis und Freundeskreis, den man persönlich kennt Freunde zu haben, die auch trans* sind.
Ich habe 2 Trans Jungs als Freunde und ich hätte es früher niemals gedacht, dass ist teilweise echt schön! Also natürlich ist es sowieso schön, weil es gute Freunde sind xD, aber da es hier um trans* geht, gehe ich auf den Aspekt ein.
Ich mag es oft auch sehr, einfach möglichst nicht mit dem Thema konfrontiert zu sein, aber finde wenn es einem mal aus Dysphorie nicht so gut geht, man sich einfach über Dinge was trans* angeht unterhalten will oder man bei Anträgen etc Hilfe braucht, es sehr cool auch Freunde zu haben, die trans* sind. Denn cis Personen werden einfach Dysphorie zB nie so verstehen können, wie andere trans* Personen. Das ist auch klar und okay, aber wenn ich starke Dysphorie habe, ist es oft sehr hilfreich mit Leuten zu sprechen, die das echt verstehen können.
Auch der Austausch ist natürlich einfach sehr bereichernd.
Da können im allgemeinen auch explizite trans* Gruppen auf social Media helfen, denen man beitreten kann, zum Austausch. Da bin ich zwar nicht der größte Fan, aber ich denke für viele ist das echt super!

Ich denke, davon werde ich bei Zeiten, wenn es sich anbietet, nochmal ein zweites Kapitel machen. Aber das waren erstmal Sachen, die ich gerne schon vor meiner Transition gewusst hätte...wobei ich auch denke, dass es normal ist, dass ich sie nicht wusste, denn sie kommen im Großteil aus Erfahrung.

Was für Dinge wünscht ihr euch, dass sie euer pre Transition ich gewusst hätte?
Konntet ihr euch in einigem meiner Dinge wiederfinden?

Achso und, gefällt euch das ,,Format" ansich?

LG Noah

TransStoriesWhere stories live. Discover now