A Nobody (Stephen Strange)

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Man hörte einen Schlüssel, der sich im Schloss umdrehte und im nächsten Moment betrat ein hochgewachsener Mann betrat die luxuriöse Wohnung, die dennoch etwas kleiner als seine eigene war.
"Ann? Ann, ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht." sagte er mit nervöser Stimme. Im nächsten Moment trat eine durchschnittlich große, junge Frau mit langen roten Haaren in den Flur. Verwirrt musterte sie ihren besten Freund. Es kam selten vor, dass er so aufgelöst wirkend zu ihr in die Wohnung kam, auch wenn er schon seit Jahren einen Schlüssel besaß. Aber wenn er es dann tat, dann stand die Welt wirklich in Flammen.
"Hallo Steph. Es freut mich auch, dich zu sehen. Darf ich dir etwas anbieten? Tee, Wasser, Kaffee?" fragte sie grinsend und nahm ihm seinen Mantel ab.
"Ann, mir ist nicht zum Spaßen zumute. Ich habe einen Fehler gemacht." wiederholte er sich und sofort erlosch Anns grinsen. 
"Ich habe mich also nicht verhört. Der unfehlbare Dr. Stephen Strange hat einen Fehler gemacht." sie kniff die Augen zusammen, um seine Rektion analysieren zu können. Als er sich nicht sofort verteidigte wurde ihre Mine schlagartig todernst. Sie trat auf den Mann zu und umschlang seinen schmalen Körper mit ihren dünnen Armen. 
"Wer hat dir das Herz gebrochen, hm?" murmelte sie ganz leise, während sie ihren Kopf an seiner Brust platzierte und er seinen auf ihre Haare legte.

Kurz darauf saßen die beiden nebeneinander auf dem Sofa, tranken Tee den Ann gerade frisch zubereitet hatte und schwiegen sich an. Stephen starrte geistesabwesend auf seine Knie und Ann ließ ihm den Freiraum, da sie wusste, dass er von sich aus anfangen würde zu reden.
"Melanie hat mich betrogen." sagte er dann auf einmal mit tonloser Stimme. Ann sah ihn schockiert an.
"Sie hat- was?!" rief sie aus und endlich hob der Chirurg den Blick.
"Tu nicht so überrascht, Ann. Wir wussten es doch beide."
"Ja, aber... ich hatte nicht wirklich gedacht, dass- es tut mir so leid, Steph.", sagte sie ehrlich und zog den gebrochenen Mann in eine feste Umarmung. "Warum tut sie dir sowas an?"
Ann und Stephen waren schon seit sie Kinder waren beste Freunde. Sie waren sich auf der Middle School begegnet, gemeinsam zu High School und zum College gegangen, wo sie zwar unterschiedliche Kurse besucht hatten, sich aber nie voneinander entfernt. Auch wenn der Mediziner furchtbar eingebildet und arrogant war, wollte Ann ihn durch nichts in der Welt ersetzen. Sie kannten einander besser als sich selber und auch als Stephen sie einmal von sich hatte stoßen wollen, weil er Angst gehabt hatte, abhängig von ihr zu werden, war sie bei ihm geblieben, bis er begriffen hatte, dass er ohne sie nicht konnte oder wollte.  Sie konnten einander alles erzählen und sich auch unangenehme Wahrheiten sagen. Sie vertrauten sich mehr als jedem anderen und wussten immer, wie sie mit dem andern umgehen mussten. Und so kam es, dass Ann und Stephen den ganzen Abend auf dem Sofa saßen, sich Pizza bestellten und Filme guckten. In der Nacht blieb Stephen in ihrem Gästezimmer, doch am nächsten Morgen verließ er die Wohnung wieder, um zur Arbeit zu gehen. Da es nicht ungewöhnlich war, wunderte Ann sich auch nicht, als sie keine Nachricht von ihm fand. Sie wusste auch so, dass er am Nachmittag wiederkommen würde. Also stand sie in aller Ruhe auf und fuhr ins Laber, wo sie momentan an einem Wirkstoff gegen eine außergewöhnliche Krankheit forschte. Da sie die Leiterin des Labors war, sah sie auch keiner seltsam an, als sie zwei Stunden früher als sonst nach Hause fuhr. Doch offensichtlich war sie nicht die Einzige gewesen, die auf die Idee gekommen war, früher Schluss zu machen. Denn als sie zuhause ankam, hockte Stephen bereits in eine Decke gekuschelt auf dem Sofa und starrte in die Ferne. Ann ging in ihr Schlafzimmer, zog sich etwas bequemeres an und setzte sich neben ihn auf das Sofa. Einen Moment schwiegen sie, dann begann Stephen zu erzählen, was gestern vorgefallen war. 
"Ich hatte gestern eine schwere Operation am Hirn einer krebskranken Frau und hätte sie fast verloren. Natürlich nur fast und ich konnte sie noch retten und auch den Tumor entfernen.", Ann grinste leicht. Herzschmerz hin oder her, aber sein Stolz war einfach unerschütterlich. "Aber es war ein wenig nervenaufreibend, weswegen ich froh war, als ich Zuhause ankam. Erst höre ich nur einen Stöhnen, dann einen Schrei und als ich ins Schlafzimmer gehe, sehe ich Melanie mit Leonard Graham, dem Ober-Fritzen der Schönheitsabteilung, im Bett. Ich sehe es, drehe mich um, sage nichts und komme einfach her.", inzwischen hatte Stephen seinen Kopf auf ihren Schoß gelegt und sie streichelte ihm beruhigend durch die Haare. Was für einen Außenstehenden nach einem sehr innigen, nahezu schon verliebten Verhalten aussah, war für die beiden völlig normal. "Ann, ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Ich liebe sie wirklich und es macht mir Angst, dass ich ihr nicht so sauer sein kann, wie ich es sollte."
Ann schwieg einen Moment. "Du hast zwei Möglichkeiten, Steph.", sagte sie schließlich. "Entweder, du sagst, du liebst sie so sehr, dass du ihr diesen Fehltritt verzeihst. Aber dann solltet ihr zwei euch definitiv einmal zusammensetzen und über eure Beziehung reden. Und die zweite Möglichkeit ist, dass du so verletzt bist, dass du sie abservierst. Und ehrlich gesagt, dass würde ich machen. Wie lange haben wir den Verdacht, dass sie dich betrügt? Ein Jahr?"
"Anderthalb..." gab er mich brüchiger Stimme zurück.
"Noch schlimmer. Das hast du nicht verdient.", sie hörte, wie er anheben wollte, um Melanie in Schutz zu nehmen, doch sie ließ ihn nicht zu Worte kommen. "Aber Steph, egal wie du dich entscheidest, ich stehe zu 100% hinter dir. Das weißt du."
"Danke Ann. Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde."

In den nächsten Tagen fielen die beiden wieder in die alten Muster zurück. In der Mittagspause gingen sie gemeinsam zum Café an der Ecke und zum Feierabend trafen sie sich auf dem Parkplatz, den das Krankenhaus sich netterweise mit dem Labor teilte. 
"Ann, wie war der Tag?" rief Stephen ungewöhnlich gut gelaunt, als sich eines Abends auf dem Parkplatz trafen. Zum Mittag hatte er ihr abgesagt, weil er laut eigener Aussage noch etwas hatte erledigen müssen. Ohne auf die Frage zu antworten musterte Ann ihren besten Freund.
"Du hast ihr wieder verziehen." stellte sie dann fest.
"Wollen wir das nicht bei mir klären?" schlug der Doktor vor und mechanisch nickte Ann. Sie hatte so gehofft, dieses Mal würde er sich endlich von ihr trennen. Auch wenn sie das nicht laut sagen würde, aber sie konnte Melanie nicht ausstehen. Sie betrog Stephen nicht zum ersten Mal, hatte ihn aber so in ihren Bann gezogen, dass er ihr immer wieder verzieh. Sie war wie eine Sirene - die sagenumwobenen Kreaturen, die Seefahrer mit ihrem Gesang in den Tod lockten. Der Vergleich gefiel Ann und als sie mit Stephen nach Hause ging, versprach sie sich, ihren besten Freund aus dem Bann dieser Sirene zu retten.
"So, jetzt erzähl aber, was passiert ist." sagte sie, als sie schließlich auf dem Sofa in seinem Wohnzimmer saßen.
"Okay, also...", hob Stephen an. "Ich habe die letzten Tage viel über deine Worte nachgedacht... Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich Melanie zu sehr liebe, um sie gehen zu lassen. Und darum haben wir uns einmal zusammengesetzt und uns darüber unterhalten, was sie gemacht hat. Dann sind wir zu dem Schluss gekommen, dass ich einfach viel zu viel Zeit in der Klinik verbringe und sie sich deshalb vernachlässigt gefühlt hat."
"Warum, Stephen?", fragte Ann leise. "Warum hast du ihr verziehen? Versteh mich nicht falsch, ich freue mich für dich, dass du wieder glücklich bist. Aber ich verstehe es nicht. Sie hat dich mehrmals betrogen, angelogen - und trotzdem; sobald sie angekrochen kommt, nimmst du sie wieder auf. Erklär mir nur warum."
"Du hast noch nie richtig geliebt, du verstehst das nicht."
"Dann erklär es mir! Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie du so blind sein kannst, dass du nicht siehst, dass sie dich nur ausnutzt! Dass sie es sogar schafft, ihren Fehler auf dich abzuwälzen in dem sie sagt, du wärst zu viel beschäftigt! Wenn man mit dir eine Beziehung eingeht, dann muss man damit eben rechnen!"
"Sie behandelt mich, als wäre ich ihr wichtig. Als wäre ich mehr als nur ein Doktor. Sie behandelt mich als wäre ich ein jemand Als wäre ich kein Niemand."
"Jeder könnte jemanden lieben, der kein Niemand ist Es kommt darauf an, ob sie dich geliebt hat, als du ein Niemand gewesen bist!" 
"Niemand hat mich geliebt, als ich ein Niemand war!"
"Doch, ich!", Ann funkelte ihn an. "Ich liebe dich, seit wir uns kennen. Nicht in der Art wie Melanie es tut, oder behauptet es zu tun. Ich liebe dich als mein bester Freund. Mein Bruder von einer anderen Mutter. Du bist mein bester Freund vor dem ganzen Ruhm geworden. Ich war an deiner Seite als du ein Niemand warst, als du ein Jemand geworden bist und rate mal; ich bin auch da seitdem du ein Jemand bist! Du bedeutest mir alles! Und glaubst du ernsthaft, dass es mich nicht verletzt, wenn sie dich verletzt? Wir sind beide Niemande gewesen, aber als du den Absprung zum berühmten Doktor gemacht hast, warst du nicht alleine. Ich war da. Mir war es egal, ob du geschrien hast, tagelang nicht mit mir geredet hast. Ich wollte nur, dass du deinen Traum leben kannst. Und deine ach-so-tolle Freundin jammert rum, weil du zu viel auf der Arbeit bist.", Anns Atem ging schwer als sie ihren besten Freund wütend ansah. "Wenn du damit klar kommen willst, dass sie dich an einem Fort betrügt, dann bitte. Tu dir das an. Aber komm nicht bei mir angekrochen, wenn du es wieder herausfindest!" Einen Moment starrten die beiden sich einfach nur an, dann wandte Ann sich zum gehen um. Stephen war in sich gekehrt und auch wenn er sein Pokerface aufgesetzt hatte, konnte man in seinen Augen den Schmerz sehen. Bevor sie die Türe hinter sich zuknallte, rief sie noch: "Und du warst früher kein Jemand, das stimmt. Aber jetzt bist du es noch viel weniger. Jetzt bist du nichts anderes als fake. Jetzt bist du der Niemand."

Ende

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Fast schon zu spät, aber trotzdem noch in der Zeit: Ein weiterer Oneshot.
Ich weiß nicht, ob ich ihn mag oder nicht, aber mir hat jemand ein TikTok zukommen lassen, und ich habe dazu was geschrieben.
Hab euch lieb,
Thi

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