12 | Elawa Aikaterini Foxwish

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„Es wird lustig! Ambrose wird dort sein! Und Keavan!"

„Warum sollte ich mich bitte für Ambrose interessieren?", fragte ich Lizzy.

„Und ich mich für Keavan?", fragte Tai, die aussah, als würde sie das rothaarige Mädchen am liebsten zusammenschlagen wollen. Ich hatte sie heute nach dem Abendessen bereits gesehen, wie sie sich mit einem Mann prügelte, der an unserem Tisch gesessen hatte. Nicht, dass ich hätte zusehen wollen, aber die beiden waren das Zentrum der Aufmerksamkeit aller Teilnehmenden gewesen.

Überraschenderweise hatte Tai gewonnen und auch wenn ihr rechtes Auge nun besorgniserregend anschwoll, schien sie gar nicht daran zu denken, sich auszuruhen. „Ich bin dabei", sagte sie zu Lizzy, die uns zu irgendeiner Party überreden wollte, die einige der Männer geplant hatten. „Aber nicht wegen Keavan."

„Ich nicht." Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich werde mich garantiert nicht bei illegalem Alkoholkonsum erwischen lassen. Hier sind überall Kameras. Und jetzt entschuldigt mich."

Ich wollte das Bad verlassen, in das Lizzy uns gezerrt hatte, damit unsere Unterhaltung nicht von Kameras aufgenommen wurde, aber die Rothaarige hielt mich am Arm fest. „Wir sind im Palastgarten. Keavan hat gesagt, er kenne alle Orte, wo es keine Kameras gibt."

„Keavan, Keavan, Keavan", mischte sich Tai ein. „Bist du sicher, dass nicht du auf ihn stehst?"

„Das wäre kontraproduktiv. Gefühle sind ein Nachteil in diesem Wettbewerb", widersprach Lizzy.

„Und Alkoholkonsum etwa nicht?", fragte Tai.

„Das ist etwas Anderes. Ihr kommt mit oder ich erzähle Keavan und Ambrose, dass ihr Gefühle für sie habt."

„Ich habe keine Gefühle für Keavan!", widersprach Tai.

„Das wird er dir dann aber nicht mehr glauben."

Tai und ich tauschten einen Blick aus, bevor wir Lizzy aus dem Zimmer in den Palastgarten folgten. Eigentlich mochte ich das dunkelhaarige Mädchen nicht, aber ausnahmsweise schienen wir einer Meinung zu sein. Wir waren nicht hier, um Spaß zu haben. Wir waren hier, um zu gewinnen.

Im Palastgarten befand sich bereits eine größere Menschenmenge. Sicher die Hälfte des Wettbewerbs war hier und reichte Alkoholflaschen herum. Sie saßen zwischen einer Trauerweide, die sie wahrscheinlich größtenteils von möglichen Kameras im Palastgarten verband, und einem Teich, in dem sich das Mondlicht spiegelte. Es war Vollmond, die Zeit, zu der man von einem Werwolf angegriffen werden konnte, wenn man sich zu lange in der falschen Ecke aufhielt.

Zu meiner Überraschung war Ambrose nicht hier, aber Keavan rutschte zur Seite, um Platz für uns zu machen. Wir wurden von enthusiastischem Johlen begrüßt, das zu laut war, um nicht von einer Kamera eingefangen zu werden. Obwohl ich als eine der einzigen drei Frauen, die noch im Wettbewerb waren, leicht erkannt werden konnte, strich ich mir die Haare vors Gesicht.

„Was wollt ihr trinken?", fragte Keavan. „Wir haben Alkohol oder Alkohol."

„Wo ist Ambrose?", fragte Lizzy statt einer Antwort mit einem vielsagenden Blick zu mir. Ich stieß sie so fest in die Seite, dass sie sich auf die Unterlippe beißen musste, um nicht aufzuschreien. Ich durchschaute ihre Strategie sofort. Sie tat, als wären wir so etwas wie Freundinnen, aber eigentlich wollte sie nur mein Vertrauen gewinnen, mich manipulieren. Vielleicht wollte sie mich sogar mit Ambrose verkuppeln, damit ich wegen meiner Gefühle aus dem Wettbewerb flog.

„Ambrose wollte nicht kommen." Keavan zögerte kurz. „Ich weiß nicht, warum", sagte er dann.

„Wir brauchen ihn eh nicht." Lizzy angelte sich die Flasche von Keavan. „Wir brauchen nur Alkohol." Sie trank einen Schluck und streckte die Flasche dann Tai hin, die sie nach kurzem Zögern entgegennahm und ebenfalls trank. Ich wusste nicht, wann das dunkelhaarige Mädchen ihre Meinung geändert hatte, aber eigentlich hatte sie recht. Es war ohnehin zu spät. Wenn wir hier erwischt wurden, würden sie uns aus dem Wettbewerb werfen, auch ohne dass wir tranken.

Also nahm ich auch einen Schluck. Der Alkohol brannte in meiner Kehle und erinnerte mich an die Zeiten, in denen ich ihn gebraucht hatte, um meine Schmerzen zu betäuben – physische und psychische. Die Zeiten, in denen mein Rücken gebrannt hatte, wenn ich mich hingelegt hatte, und in der ich kaum Kleidung tragen konnte, ohne dass es wehtat. Und in der ich mich immer wieder fragte, wie ich außerhalb der Hütte meiner Familie überleben sollte.

Ich reichte die Flasche weiter und beobachtete die Gruppe, aber richtig auf eine Unterhaltung konzentrieren konnte ich mich nicht. Meine Augen folgten dem Alkohol, meine Gedanken schweiften ab. Zu Bierdosen auf dem Boden von Hotelzimmern, zerbrochenen Spiegeln, dem einen Mal, als ich einen Umkleideraum unter Wasser setzte. Zu all den Orten, die ich gesehen und nur nach Hause gewollt hatte. Aber es war zu spät gewesen. Meine Familie hatte den Kontakt zu mir abgebrochen.

Als die Flasche mit dem Alkohol zum zweiten Mal bei mir ankam, trank ich einen weiteren Schluck, dann stand ich auf. Entfernte mich von der Gruppe, bis sie in den Schatten verschwanden und ihr Lachen in der Luft verhallte. Ich suchte meinen Weg zurück zum Palast und wahrscheinlich war es mehr Glück als Fähigkeiten, aber dieses Mal verirrte ich mich zu meiner eigenen Überraschung nicht.

Dachte ich zumindest.

Denn als ich den Flur des Palastflügels von dem ich glaubte, dass wir darin untergebracht waren, entlanglief, fand ich meine Zimmernummer nicht. Im Dunkeln brauchte ich einige Minuten, um zu merken, dass ich im falschen Flügel gelandet war – dem der Männer.

Frustriert drehte ich mich um und wollte den Flügel verlassen – und lief geradewegs in etwas hinein, was sich anfühlte wie eine Wand.

Nur, dass es keine Wand war, sondern ein fast zwei Meter großer, breitschultriger Mann.

Ambrose McLaren.

Er zog die dunklen Augenbrauen zusammen. Er stand genug weit vom Fenster weg, dass das Mondlicht ihn nicht traf, aber es war genug, um zu sehen, wie irritiert er war. „Was machst du hier?", fragte er.

„Ich habe mich verirrt", stammelte ich. Wenn eine Kamera das jetzt einfing, würden sie mich für meine Angst wahrscheinlich aus dem Wettbewerb werfen, aber jetzt gerade konnte ich mich nicht darauf konzentrieren. Ambrose und ich alleine in einem dunklen Flur. Würde er die Chance nutzen, um sich für den Schwertkampf zu rächen?

„Warum bist du nicht draußen bei den anderen?", fraget er. „Hat Tai dich nicht mitgeschleppt?"

„Glücklich sein liegt mir nicht", gab ich zu.

Ambrose fuhr sich mit den Händen durch die Haare. „Mir auch nicht."

Noch immer machte er keine Anstalten, mich anzugreifen. Vorsichtig machte ich ein paar Schritte rückwärts, um Distanz zwischen uns zu bringen. „Ich gehe dann mal wieder."

Ambrose musterte mich von oben bis unten. Ich fragte mich, was er sah. Ob meine Tarnung auffliegen würde.

Ich stolperte rückwärts und mein Rücken traf auf etwas, was tatsächlich eine Wand war. Das Ende des Flurs. Ich war eingekesselt.

Ein Thron aus Eis und AscheOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz