45 | Ambrose McLaren

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Sie waren am frühen Abend aufgebrochen, nach dem Abendessen, weil Tai nicht gewollt hatte, dass Ambrose sich im Labyrinth in einen Wolf verwandelte. Er konnte es nachvollziehen. Was er jedoch nicht wusste, war, wie sie es im Gefängnis machen wollte. Aber er war ohnehin noch zu aufgewühlt, um rational über etwas nachzudenken. Keavan war tot und Elawa würde es vielleicht bald sein, wenn sie scheiterten. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Palast eine Dracai, die sich in den Wettbewerb geschlichen und die Hydranten beim Platz in der Mitte der Stadt hatte aufplatzen lassen, am Leben lassen würde. Erst recht nicht jemanden wie Elawa, der berühmt war. Eine öffentliche Hinrichtung war genau das, was sie brauchten, um zu beweisen, dass sie Verbrechen bekämpften. Erst recht, wenn es von Magischen Wesen begangen wurde.

Tai musterte die Pflanzen, aus denen die Wände gebaut waren, während sie sich einen Weg durch das Labyrinth bahnte. Letztes Mal hatte sie sich hier einen Ausschlag geholt, obwohl sie Glück gehabt hatte, keine der Pflanzen anzufassen, die tödlich waren. Nun fasste sie die Pflanzen gar nicht mehr an. Sie hielt die Arme vor der Brust verschränkt.

„Wir müssen uns beeilen", sagte sie. „Die Sonne geht bald unter."

Ambrose wollte sich ebenfalls beeilen, aber sein Orientierungssinn war fast so schlecht wie der eines Dracai. Im Labyrinth sah alles gleich aus und im Gegensatz zu Tai erinnerte er sich nicht daran, welchen Weg sie letztes Mal genommen hatten. Vielleicht weil er damit beschäftigt gewesen war, die anderen Teilnehmenden zerfleischen zu wollen.

Die Mauer, die sie schließlich erreichten, war mit Pflanzen bewachsen. Keavan hatte recht gehabt – hier waren keine Kameras zu sehen. Aber das Klettern würde wahrscheinlich schwierig genug werden. „Weißt du, was das für Pflanzen sind?", fragte Ambrose Tai.

„Nein, aber ich würde kein Risiko eingehen. Vielleicht wenn du eine Räuberleiter machst erreiche ich das obere Ende der Mauer, ohne die Pflanzen berühren zu müssen", sagte Tai.

„Und dann ziehst du mich hoch oder was? Ich wiege neunzig Kilo." Ambrose verschränkte die Arme vor der Brust.

„Vielleicht, wenn ich auf der anderen Seite hinunterspringe ..."

„Sicher nicht", unterbrach Ambrose sie und begann dann kurzerhand zu klettern. Er hangelte sich an den Ranken, mit denen die Mauer besetzt war, nach oben. Das Brennen auf seinen Handflächen ignorierte er. Oben angekommen hielt er Tai eine Hand hin und zog sie nach oben.

Auf der anderen Seite der Mauer war nur trockenes Gras. Ein paar hundert Meter vor ihnen war ein Wald zu sehen. Tai zeigte darauf. „Wir müssen in diese Richtung", sagte sie. „Hinter dem Wald ist die Stadt."

Ambrose biss die Zähne zusammen, als sie zu rennen begann. Wahrscheinlich wollte sie beim Gefängnis sein, bevor es eindunkelte, aber seine Hände brannten, als die Luft sie streifte. Rote Blasen hatten sich darauf gebildet. Trotzdem rannte er weiter. Konzentrierte sich auf den Schmerz, weil es einfacher war, als nachzudenken.

Im Wald war es bereits fast dunkel, obwohl die Sonne noch nicht vollständig untergegangen war. Alle paar Meter stolperten sie über irgendwelche Äste, aber Tai verlangsamte ihr Tempo trotzdem nicht. Wenn Ambrose davor noch daran gezweifelt hätte, wie wichtig ihr Riya war, hätte er es spätestens jetzt gewusst.

Hin und wieder war ein Knacken im Unterholz zu hören oder das Geräusch eines Autos, das auf der wenige Meter entfernten Straße vorbeifuhr, aber sonst war es still im Wald. Nur Tais und sein schnelles Atmen. Das Brennen in Ambrose' Händen wurde stärker. Er konnte kaum atmen, nicht wegen der Anstrengung, sondern wegen der Schmerzen.

Sie erreichten die Stadt, als die Sonne bereits vollständig untergegangen war. Duckten sich in den Schatten von Gebäuden und schlichen durch Gassen, damit kein Mondlicht auf Ambrose' Haut fiel, obwohl nur ein Sichelmond am Himmel stand. Das Gefängnis befand sich am Rand der Stadt und sie hatten es innerhalb von wenigen Minuten erreicht. Es war ein großes, Gebäude aus grauem Beton und mit vergitterten Fenstern. Am Eingang standen zwei Wächter.

Ein Thron aus Eis und AscheWhere stories live. Discover now