18 | Elawa Aikaterini Foxwish

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Einige Tage verstrichen und ich redete nicht mehr wirklich mit Ambrose. Stattdessen war ich viel mit Lizzy und Tai unterwegs, mit denen ich mir ein Zimmer teilte, und obwohl ich nie viel von Freundschaft gehalten hatte, war es teilweise doch ganz okay, die beiden um mich zu haben. Ich fühlte mich weniger einsam und zumindest vordergründig hatten wir alle das gleiche Ziel. Zwar waren wir Konkurrentinnen, aber davon merkte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel.

Ob die Aschefee gefunden wurde, wusste ich nicht, jedenfalls verlor niemand mehr ein Wort darüber und mit den Leuten, die bei den Tests ausschieden, war es schwierig, den Überblick zu behalten. Immer wieder verschwanden Menschen und ich wusste nicht genau, wieso.

Ich hätte gern gewusst, ob sich wirklich eine Aschefee im Wettbewerb befand. Und ob diese Person auch hier war, um den König zu töten. Ich hätte ein wenig Unterstützung auf meiner Mission brauchen können.

An den guten Tagen konnte ich mich auf ebendiese Mission konzentrieren. Auf die Tests, die ich bestand, und das, was ich tun musste, um meine Familie zu retten.

An den schlechten Tagen fühlte ich mich trotz Tai und Lizzy einsam.

An den schlechten Tagen erinnerte ich mich.

Es gab Momente, in denen ich auf Autopilot lief, nicht mehr nachdachte, kaum mehr atmen konnte. In denen ich mir wünschte, tot zu sein. In einem Hotelzimmer in einer namenlosen Stadt aufgefunden, als ich noch nicht für das Überleben von drei Menschen verantwortlich war. Gestorben an einer Überdosis Drogen, obwohl ich nie Drogen genommen hatte. Ich hatte immer nur getrunken.

Aber es war normal gewesen, damals, in unserer Branche. Als ich sechzehn gewesen war, hatte ich eine Freundin gehabt, Lexie. Wir hatten uns super verstanden, waren immer zu allen Castings zusammen gegangen. Zwar war ich immer neidisch auf sie gewesen, weil sie mit ihren langen Beinen und ihrer reinen Haut ohne Narben viel mehr Jobs bekommen hatte als ich, aber sie war mein einziger Anhaltspunkt in all den Städten gewesen, in denen wir gewesen waren. Wir hatten uns Hotelzimmer geteilt und zusammen eine Packung nach der anderen geraucht, wenn wir hatten vergessen wollen. Obwohl ich gewusst hatte, dass Lexie es nicht immer einfach gehabt hatte im Leben, war sie immer alles gewesen, was ich hatte sein wollen. Lexie hatte alles verkörpert, was ich mir erhofft hatte, als ich aus der Hütte meiner Familie geflohen war.

Dann hatte ich Lexie auf dem Teppich unseres gemeinsamen Zimmers aufgefunden und niemand hatte je wieder ein Wort über sie verloren. Ich war einer der wenigen Menschen an der Beerdigung gewesen. Ich hatte eine Rede gehalten, aber nicht das Gefühl gehabt, dass irgendjemand mir wirklich zuhörte. Nicht, weil sich niemand für mich interessierte, sondern, weil sich niemand für Lexie interessierte. Nicht wenn sie tot war.

In diesem Moment hatte ich verstanden, dass es egal war, auf wie vielen Plakaten oder Laufstegen ich zu sehen war, weil sich doch niemand an mich erinnern würde.

Und im Vakuum meiner Gefühle, in dem es keine Luft mehr gab, mit der sich meine Lungen fühlen konnten, hatte ich mehr denn je sein wollen wie Lexie.

Tot.

Vergessen.

Und in diesem Moment hatte ich mir geschworen, mich nie wieder mit jemandem anzufreunden. Nie wieder jemanden an mich heranzulassen. Weil Gefühle einen schwach machten, besonders, wenn es Gefühle für jemanden waren. Sei es Freundschaft oder Liebe.

Aber Lizzy und Tai machten es mir schwer.

Zum Glück verlor ich Lizzy, bevor sie mir mehr bedeuten konnte.

„Die Ergebnisse der Intelligenztests sind da", sagte ein Wächter acht Tage nach dem Test beim Mittagessen. Der etwa dreißigjährige Mann sah müde aus, als hätte er jeden einzelnen der Tests selbst korrigiert. Er tat mir nicht leid. Keiner der Leute hier tat mir leid.

Der Wächter sah auf die Liste in seinen Händen. „Nicht bestanden haben ... Evan Woods, Gracelynn Haney, Bev Crane", las er vor. „Leigh Ellis, Lizzy Everett ..."

Lizzy sprang von ihrem Platz auf. „Das kann nicht sein!", unterbrach sie den Wächter.

„Sie haben die Mindestpunktzahl von 80 knapp nicht erreicht", erwiderte dieser sachlich.

80 von 100 Punkten? Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Ambrose blass wurde, und auch ich war mir plötzlich unsicher. Wie sollte das überhaupt irgendjemand schaffen?

„Das kann nicht sein, ich habe alles zweimal durchgelesen!", sagte Lizzy.

„Wir haben die Punkte gezählt", erwiderte der Wächter.

„Dann zählen Sie sie erneut!" Die Stimme der Rothaarigen wurde zunehmend schrill. „Ich habe ein Stipendium an der [Universität] aufgegeben, um hier teilzunehmen!"

Ich sah Lizzy von der Seite an und biss mir auf die Unterlippe. Ich kannte sie mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass ihre überdurchschnittliche Intelligenz ihr ganzer Stolz war. Niemand hatte damit gerechnet, dass Lizzy beim Intelligenztest ausscheiden würde, am wenigsten wahrscheinlich sie selbst.

Sie fixierte den Wächter. „Wollen Sie dumme Menschen, geht es Ihnen darum? Menschen, die Sie nicht hinterfragen, weil sie nicht wissen, wie man denkt?"

Zwei Wächter, die davor an den Wänden gestanden hatten, traten vor und packten Lizzy an den Armen. Das rothaarige Mädchen wehrte sich, aber die beiden Männer waren stärker als sie.

Kurz vor der Tür blitzte etwas Silbernes in Lizzys Hand auf. Blut spritzte auf den Boden, einer der Wächter ließ Lizzy los, um sich die Hände an die Kehle zu pressen. Ich wusste nicht, woher Lizzy das Messer hatte oder wie sie es geschafft hatte, es unbemerkt mit sich herumzutragen, aber nun riss sie sich vom anderen Wächter los und versuchte, zu fliehen.

Sie kam nicht weit.

Noch bevor sie die Tür erreicht hatte, zog der zweite Wächter seine Pistole,

zielte

und drückte auf den Auslöser.

Tais Schrei wurde vom Knall verschluckt, ich sah nur, wie sie den Mund aufriss. Lizzy presste sich die Hände auf die Brust und ging zu Boden. Blut, nur noch Blut. Blut überall. Ein letztes Mal traf ihr Blick meinen, Angst und Verzweiflung in ihren Augen.

Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht zu schreien, so fest, dass ich Blut schmeckte. Ich durfte nicht fühlen.

Ich durfte nicht die Kontrolle verlieren.

Nicht. Die. Kontrolle. Verlieren.

Ich durfte mir nicht ansehen lassen, dass sich Lizzys Tod anfühlte, als hätte sich eine Kugel in mein eigenes Herz gebohrt.

Lizzys Körper wurde hinausgeschleift, der des Wachmanns ebenfalls. Einen Moment lang war es still im Raum.

Dann begann der Wächter vorne mit neutraler Stimme, den Rest der Liste mit den Ausgeschiedenen vorzulesen.

Weder Ambrose noch ich waren dabei.

Ein Thron aus Eis und AscheTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang