43 | Elawa Aikaterini Foxwish

31 10 0
                                    

„Warum sind wir hier draußen?", fragte Ambrose mich. Es war der Tag, nachdem Keavan gesagt hatte, dass er sich stellen würden, und wir standen auf einem Platz in der Mitte der Stadt, zusammen mit mindestens hundert anderen Menschen. In der Mitte des Platzes war eine Bühne mit einem Mikrofon aufgebaut worden.

Kameras wurden auf die Menge gerichtet, ein Reporter bahnte sich einen Weg durch die Leute, um mir ein Mikrofon hinhalten zu können. „Ella Smith. Die Öffentlichkeit hat Sie schon lange nicht mehr gesehen. Warum sind Sie ausgerechnet zu Kae Cartwrights Hinrichtung gekommen?"

Ich blinzelte. Zu wessen Hinrichtung? „Ich bin nur zufällig hier", sagte ich, weil ich der Presse nichts von dem Wettbewerb erzählen wollte. Der Wettbewerb war meine Möglichkeit gewesen, mich zu verstecken.

In diesem Moment fiel mein Blick auf die Bühne und obwohl ich wusste, dass Kameras auf mich gerichtet waren, konnte ich nicht verbergen, wie schockiert ich war.

Keavan wurde auf die Bühne gezerrt, in Handschellen. Seine Kleidung war schmutzig und zerrissen und er hatte ein blaues Auge. Er sah gefährlich aus, wie ein Mörder. Wie ein Assassine. Von seinem Sarkasmus und seinem Humor war nichts mehr zu sehen.

Ich hatte nicht gedacht, dass sie ihn so schnell hinrichten würden. Ich wusste noch immer nicht, was er dem Palast erzählt hatte, aber wahrscheinlich hatte es schon gereicht, dass er eine Aschefee war und gesagt hatte, er hätte die Morde begangen. Menschen kamen ins Gefängnis, wenn sie jemanden umbrachten. Magische Wesen wurden hingerichtet.

Keavans Blick traf meinen und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Am liebsten wäre ich nach vorne gestürmt, um ihn zu retten, aber er wurde von mehreren Wächtern festgehalten. Ich hätte keine Chance gehabt.

Ich konnte nur zusehen, wie ein Mann im Anzug mit einer Spritze in der Hand nach vorne trat. „Dieser Mann, Kae Cartwright, ist ein berüchtigter Assassine und eine Aschefee. Er hat unter mehreren falschen Namen insgesamt über zwanzig Leute umgebracht. Erwischt wurde er, als er sich beim Wettbewerb für die neue Leibgarde des Königs einschlich und dort mehrere andere Teilnehmende umbrachte. Bei einem Ball vor wenigen Tagen erpresste er außerdem eine andere Teilnehmerin, Fürst Xzavier nicht zu beschützen, weil er ihn umbringen wollte. Nachdem er seine Taten gestern gestanden hat, wurde er letzte Nacht zum Tod verurteilt."

Das war also sein Plan gewesen. Er hatte gesagt, er hätte Tai erpresst. Und es hatte funktioniert. Er wurde hingerichtet.

Keavan, der immer gesagt hatte, wie gut er in seinem Job war, wurde hingerichtet. Und die Öffentlichkeit würde es wahrscheinlich als weiteren Beweis sehen, dass Magische Wesen gefährlich waren.

Vielleicht waren wir das auch. Keavan hatte Ambrose' Arm verbrannt. Ambrose hatte sich im Labyrinth im Palastgarten in einen Werwolf verwandelt und hätte beinahe jemanden zerfleischt. Vielleicht waren wir alle Monster. Tödlich.

Aber das bedeutete nicht, dass sie Keavan einfach umbringen konnten.

„Wollen Sie etwas Letztes sagen?", fragte der Mann im Anzug ihn.

Keavans Blick fixierte mich und Ambrose. Für einen Moment war Trauer in seinen blaugrünen Augen zu sehen.

Dann zog er einen Mundwinkel hoch. „Es ist wirklich schade um dieses Gesicht, oder?"

Natürlich machte Keavan einen absurden Witz als seine letzten Worte. In der Menge lachten vereinzelt Leute. Ich konnte nicht lachen. Er hatte recht. Es war wirklich schade um dieses Gesicht. Es war schade um diesen intelligenten und talentierten Menschen, der so viel hätte sein können.

Zwei Wächter zerrten Keavan vom Mikrofon weg. Der Mann im Anzug zog den Ärmel von Keavans T-Shirt ein Stück nach oben und presste die Nadel an Keavans Haut. Für einen kurzen Moment sah ich Panik in Keavans Augen. Seine Fassade bröckelte. Zerbrach. Zusammen mit meiner eigenen. Ich drehte mich zu Ambrose um und presste mein Gesicht in sein T-Shirt, weil ich nicht mit ansehen wollte, wie Keavan starb. Weil ich meine Augen vor der Wirklichkeit verschloss, so wie ich es immer tat. Nun wünschte ich mir Alkohol, um meine Schmerzen zu betäuben. So wie ich es immer tat. Weil ich Angst hatte. Weil ich mich der Realität nicht stellen wollte, genau so wenig wie meinen eigenen Gefühlen. Weil ich glaubte, dass meine eigenen Gefühle mich, wenn ich mich ihnen stellte, umbringen würden.

Besonders jetzt.

Besonders jetzt, wo ich viel zu viel fühlte, wo ich nicht mehr atmen konnte, wo ich ertrank. Ich war selbst schuld. Ich hatte Keavan an mich herangelassen, obwohl ich wusste, dass es gefährlich war, mich mit anderen Menschen anzufreunden. Weil ich sie verlieren konnte. Und weil meine Gefühle gefährlich waren.

Als ich die Augen wieder öffnete, war die Welt überschwemmt.

Ein Thron aus Eis und AscheWhere stories live. Discover now