PROLOG

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Es ist kalt.

Große, eisige Regentropfen prasseln auf meinen Körper herab, als ich mich hinter einem dicken Baumstamm ducke, meine Knie umschlinge und sie an meinen Oberkörper ziehe. Meine Beine sind nackt und das weiße Nachthemd ist zerschlissen von meiner Flucht durch das Dickicht des Waldes. Ich sehe das Muster auf dem schmutzigen Stoff an; es erinnert mich an kleine, graue Sonnen und augenblicklich sehne ich mir Wärmeherbei, als ein erneuter Kälteschauer meinen Körper durchzuckt.

Im Hintergrund, in weiter Ferne, höre ich den Alarm aus dem Labor. Die schrillen Sirenen; die Schreie der Mitarbeiter. Ich sehe das Blut, welches an Böden, Wänden und leblosen Körpern herabläuft und bilde mir ein es sogar noch riechen zu können. Der metallische Geruch nach Eisen und Salz hängt in meiner Nase fest und bringt mich erneut zum frösteln – dieses Mal allerdings nicht vor Kälte, sondern vor Furcht. Wie war es nur soweit gekommen?

Müde richte ich mich auf und strecke meine eingefrorenen Glieder von mir. Meine kurzgeschorenen Haare sind verklebt von meinem Schweiß und obwohl ich mich am liebsten auf dem Boden zusammengekauert und dort verharrt wäre, zwinge ich meine Füße vorwärts. Ich stapfe über den nassen Waldboden und hinterlasse ein schmatzendes Geräusch im nassen Blattwerk und der vom Regen aufgelockerten Erde. Das alleshier muss ein Albtraum sein, schießt es mir durch den Kopf, doch als ich weiter renne und meine Lungen drohen zu bersten, muss ich mir eingestehen, dass ich nicht aufwachen würde. Das hier war die Realität und sie war genauso erbarmungslos, wie die Monster, deren Anblick ich hoffte eines Tages vergessen zu können, sollte ich das hier überleben.

Vom Wind, der mir beim Rennen ins Gesicht peitscht und von Erinnerungen geplagt, ist meine Sicht verschleiert von Tränen, als ich beiläufig auf mein Handgelenk sehe. Die tiefschwarzen Ziffern sind trotzverschwommenem Blick nur zu deutlich zu erkennen. Sie sind in meine Haut tätowiert und obwohl es bereits hunderte Jahre her zu sein scheint, ist die Farbe immer noch nicht verblichen. 004.



Das letzte KapitelWhere stories live. Discover now