CHAPTER ELEVEN: Wahrheiten II

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Ob du gefährlich bist.

Ihre Worte fühlen sich eigenartig schwer an. Akustisch habe ich sie ganz genau verstanden, aber es dauert noch eine ganze Weile, bis mein Gehirn die Bedeutung dessen, was sie gesagt hat, erfasst hat. Sie fragen sich ob ich gefährlich bin? Ich unterdrücke den Drang laut los zu lachen. Was für eine Ironie, nachdem sie mich blindlings in die Gefahr haben rennen lassen.

Obwohl ich es schaffe nicht zu lachen, verlässt ein beinahe frustriertes Schnauben meine Lippen. Es ist nicht so, dass ich es nicht irgendwie verstehen kann, denn das kann ich. Ich bin durchaus in der Lage das ganze aus ihrer Sicht zu betrachten. Mich aus ihrer Sicht zu betrachten. Ein dahergelaufenes, fremdes Mädchen, welches nicht nur ganz plötzlich aufgetaucht ist, sondern auch noch über Fähigkeiten verfügt, die weit über das hinaus gehen, was als normal betrachtet wird.

Und dennoch; auch wenn es vollkommen verständlich ist, fühle ich mich noch einsamer als vorher. Ich weiß nicht was ich gedacht habe. Weiß nicht einmal wieso ich die Chance am Auto, vor zwei Tagen, nicht genutzt habe und die Erinnerungen von Steve und Nancy gelöscht habe, als ich noch die Möglichkeit dazu gehabt habe. Es wäre mir ein leichtes gewesen meine Hand auszustrecken, sie beiläufig auf ihre Haut zu legen und sie vergessen zu lassen. Wieso habe ich das nicht getan?

Die Antwort ist nicht kompliziert. Nach all den Jahren, nach all meinem Verlust habe ich gehofft, dass ich vielleicht hier neu anfangen kann. Dass ich trotz meiner schrecklichen Vergangenheit etwas positives an diesem Ort finden kann, aber mir ist das Gefühl von Hoffnung so fremd geworden, dass ich es bis zu diesem Moment, selbst nicht bemerkt habe. Vielleicht habe ich es auch einfach nicht sehen wollen. Vielleicht ist die peinliche Vorstellung von einem Happyend auch der Grund, weshalb ich überhaupt wieder hier bin und weshalb ich geblieben bin und unbedingt helfen musste.

Robin steht immer noch vor mir, was mir aber erst wieder bewusst wird, als sie aufsteht und einen erneuten Schritt auf mich zugeht. Ich bin so perplex, dass ich dieses Mal nicht darauf reagiere und sie scheint das als Bestätigung zu sehen. Vorsichtig lässt sie sich neben mich auf das Bett sinken. Ich sehe auf und blicke ihr direkt ins Gesicht.

»Es tut mir leid«, sagt sie aufrichtig. Ihre Stimme ist nicht mehr als ein Raunen, aber ich erkenne an ihrem Blick, dass sie es ernst zu meinen scheint.

Ich schlage die Augen nieder und sehe auf meine Hände, die bewegungslos in meinem Schoß liegen. Einen Moment überlege ich, dann entscheide ich mich dazu auch etwas zu sagen. »Ich würde niemandem von euch etwas tun«, murmle ich leise. Es bildet sich ein Kloß in meinem Hals, der sich nicht herunterschlucken lässt. Als ich weiter spreche, zittert meine Stimme. »Wirklich nicht. Ich bin kein Monster.«

»Das glauben wir auch nicht. Wir sind nur vorsichtig, verstehst du?«

»Ja«, sage ich. »Das verstehe ich, aber ich möchte, dass ihr wisst, dass ihr durch mich nicht in Gefahr seit. Ich bin nicht hier, weil ich irgendwem schaden möchte.«

»Okay«, gibt Robin knapp zurück. Einen Moment scheint sie nicht so richtig zu wissen, ob sie noch etwas sagen soll, dann öffnet sie erneut den Mund und die Worte sprudeln nur so aus ihr heraus. »Du solltest das den anderen sagen. Wirklich. Sie sind verständnisvoller als sie vielleicht den Anschein machen, aber uns ist so viel passiert und so viele Menschen sind gestorben oder verletzt worden. Wir wollen einfach nur, dass niemand von uns draufgehen muss und dann kommst du -« Sie schließt mit einer Bewegung ihrer Hand meinen gesamten Körper ein. »- und du bist nett und hilfsbereit, aber alles was wir denken können ist, dass wir nicht wissen wer du bist und als du dann den Demogorgon getötet hast und Nancy und Steve ... Na ja, sagen wir es mal so: Wir alle sind einfach überrascht und wissen nicht, was wir von der ganzen Sache halten sollen. Schon gar nicht, nachdem wir dich auch noch ausgerechnet am Labor getroffen haben und du warst alleine und dieser Ort ...« Sie schüttelt sich, als würde sie an etwas gruseliges erinnert werden. »Ich selbst war zwar nie da, aber wir wissen, dass der Ursprung von all dem so ziemlich genau dort ist, deshalb ... Wir wissen einfach nicht was wir davon halten sollen.«

Sie beendet ihren Wortschwall genauso abrupt wie sie begonnen hat.

Ich öffne den Mund, hole tief Luft und schließe ihn dann wieder. Immer wieder versuche ich die richtigen Worte zu finden, aber sie scheinen sich irgendwo in meinem Kopf vor mir zu verstecken.

Als ich nichts sage, ergreift Robin nochmal das Wort. »Es würde wirklich, wirklich helfen, wenn wir von dir ein paar Antworten bekommen könnten.«

In meinem Kopf taucht die Unterhaltung mit Nancy und Steve auf. Ich erinnere mich daran, wie ich sie angefahren habe und jegliches Gespräch niedergeschmettert habe. Meine Gedanken darüber, dass ich nicht bereit bin über mich zu reden, sind immer noch präsent, aber es hat sich etwas verändert. Ich sehe ein, dass ich ihnen eine Erklärung schuldig bin, wenn ich bleiben möchte und obwohl mir bei der Erinnerung an die Kreatur; einen Demogorgon, wie sie diese Monster zu nennen scheinen; schlecht wird, kann ich nicht leugnen, dass ich nicht gehen will. Es wartet nirgendwo etwas oder jemand auf mich.

»Ich weiß«, sage ich schließlich, als mir keine bessere Entgegnung einfällt. »Du hast Recht.«

Robin atmet erleichtert aus. »Ich bin froh, dass du das sagst! Noch einen Tag hier an deinem Bett und einem Gespräch mit Dustin darüber, dass wir endlich mit dir reden müssen und ich schwöre dir, ich verliere den Verstand.«

Meine Mundwinkel zucken. »Dustin mag mich nicht besonders, oder?«, frage ich neugierig.

»Er weiß nicht was er über dich denken soll, glaube ich«, antwortet Robin. Sie ist an die Bettkante gerutscht und steht nun auf. »Er ist ein wirklich guter Mensch, aber er hat viel durchgemacht und viele schlimme Dinge gesehen. Ich bin mir sicher, dass du ihn vom Gegenteil überzeugen kannst. Mit dem „Ich bin kein Monster" solltest du es auf jeden Fall versuchen.« Sie grinst mich an.

Ich kann nicht anders als ihr Grinsen zu erwidern. »Danke für den Tipp.«

»Keine Ursache.« Robin zuckt mit den Schultern, ehe sie herumwirbelt, die Zeitschriften vom Boden klaubt und sie sorgsam zurück auf den einzigen kleinen Tisch legt, den es in diesem Zimmer gibt. »Wollen wir?«, fragt sie sogleich.

»Jetzt?« Verdutzt sehe ich sie an.

»Wenn du mich fragst, dann haben wir genug getrödelt.«

Ich ziehe eine Augenbraue nach oben und versuche abzuschätzen ob sie es ernst meint. Sie verzieht keine Miene, sondern scheint tatsächlich zu warten, also hieve ich meinen steifen Körper ebenfalls nach oben. Als ich schon fast bei ihr bin, verzieht sie das Gesicht. Sie mustert mich von Kopf bis Fuß.

»Obwohl, bevor gehen -«, fängt sie an. »Nimm es mir bitte nicht übel, Megan, aber wie wäre es, wenn du vielleicht vorher im Bad verschwindest? Du siehst echt grausam aus.«

Das letzte KapitelWhere stories live. Discover now