44. Geteiltes Leid ist halbes Leid

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„Laaaara!", höre ich die laute Stimme meiner Tante, als ich mich gerade in mein schön warmes Bett kuscheln will. Was will sie denn? Verwundert runzele ich die Stirn, tapse dann aber zwei Sekunden später wie gewünscht die Treppenstufen ins offene Wohnzimmer herunter.

„Schau mal, wer uns besuchen gekommen ist!", ruft sie aufgeregt, als ich nur noch wenige Meter von ihr entfernt zum Stehen komme. Mit hochgezogener Augenbraue überwinde ich auch die letzten Meter, bis ich schließlich ungläubig die Augen aufreiße.

„Überaschuuuung!", schreit Scarlett und wirft freudestrahlend ihre Arme in die Luft. Max, der einen Meter hinter ihr steht, grinst mich fröhlich an. Das glaube ich jetzt nicht! Dass ich überrascht bin, trifft meine Gefühlslage nicht im Geringsten. Tatsächlich empfinde ich in diesem Augenblick Freude, Verwunderung und Erleichterung gleichzeitig.

„Waaaaas? Was macht ihr denn hier?", kreische ich, als ich auf die beiden zukomme, um sie in eine innige Umarmung zu drücken. Im Augenwinkel erkenne ich, wie Theresa uns dabei mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht beobachtet.

„Ist doch klar. Wir sind hier, um dich wieder aufzumuntern!", sagt Scarlett als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Max fügt nur nickend hinzu: „Die Zeiten, in denen du dich im Bett verkriechst, sind vorbei. Wir wollen, dass es dir wieder besser geht."

Ein wenig beschämt beginne ich zu Boden zu blicken. „A-aber das wäre doch gar nicht nötig gewesen. Ihr hättet nicht extra herfahren müssen."

Max kommt grinsend auf mich zu, um mir spielerisch gegen die Schulter zu boxen: „Na, ich habe natürlich auch meine Lieblingscousine vermisst!" Er zwinkert mir zu, weswegen ich nicht anders kann, als in ein breites Grinsen zu verfallen. Dabei bemerke ich erst jetzt, wie mein Herz aufgeregt gegen meinen Brustkorb pocht.

„Kommt, ihr müsst sicher erschöpft von der langen Fahrt sein. Ich habe uns Kaffee gekocht und Kuchen gebacken", steuert meine Tante bei, als sie uns alle weiter in die Villa führt. Verwirrt verenge ich die Augen.

„Wusstest du etwa, dass sie kommen?", frage ich sie im Flüsterton, während die anderen schon Richtung Esszimmer vorausgehen. Theresa schmunzelt leicht. Dann kommen wir beide zum Stehen. Sie hat ihren mitleidigen Rehblick aufgesetzt und legt eine Hand so vorsichtig auf meine Schulter, als würde sie denken, ich könnte darunter zusammenbrechen. „Ach, Herzchen", sagt sie weiterhin mitleidig schmunzelnd, „Es schmerzt mich, dich so zu sehen." Ihre Worte brennen sich in mein Herz und verleihen mir augenblicklich ein schlechtes Gewissen. „Ich weiß zwar nicht, was genau vorgefallen ist, aber ich weiß, dass dieses wochenlange Verkriechen unter deiner Bettdecke nicht gesund ist. Ich habe Max und Scarlett angerufen, weil sie die Einzigen zu sein scheinen, die dir in letzter Zeit richtig gutgetan haben."

Ich muss gestehen, dass ich überrascht von Theresas Geständnis bin. Schließlich war ich der Meinung, dass sie gar nicht mitbekommen hatte, wie schlecht es mir tatsächlich geht. Aber anscheinend lag ich damit falsch...

Leicht beginnt sie aufmunternd zu schmunzeln und mir zu zunicken. Diese Wärme, die sie damit unwillkürlich  ausstrahlt, breitet sich augenblicklich angenehm in meinem Körper aus. Also nehme ich ihre warme Hand von meiner Schulter in meine und flüstere leise: „Danke."

-

Nach einem langen, aber lustigem Wiedersehen mit Scarlett und Max und fünf Kuchenstücke später, haben Max und ich uns der guten alten Zeiten willen noch ein paar Folgen „Prison Break" gegönnt. Wir haben auch Scarlett eingeladen, aber sie bestand noch darauf meiner Tante in der Küche zu helfen, weswegen sie erst jetzt zu uns dazu stoßt.

„Wieso bist du eigentlich heute nicht am Strand, Süße?", fragt sie, während sie mit einem Teller voller Kekse auf mein großes Bett steigt. Augenblicklich steigt mir der Geruch von Vanille und süßer Schokolade in die Nase.

Baby don't hurt meDonde viven las historias. Descúbrelo ahora