12. Enttäuscht

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Was?!
Kippen?!

Entgeistert starre ich die fremde Person, die sich offensichtlich als Logans Freund entpuppt, an. Bitte sage, dass ich mich verhört habe!

Als selbst nach ein paar Sekunden diese Worte nicht über irgendwelche Lippen kommen, wende ich mich zu Logan und mustere ihn ungläubig. Dieser scheint nichts zu merken, denn er nickt nur wissend. Mit einem "Danke, Sam" nimmt er den Nikotinstab an und steckt ihn sich in den Mund. Sam verschwindet wieder rasch, als Logan ein Feuerzeug aus seiner Hosentasche kramt und seine Zigarette anzündet.

Ich kann gar nicht beschreiben, wie angeekelt ich mich plötzlich fühle. Jegliche Schwärmereien und Schmetterlinge scheinen für einen Moment wie verschwunden. Unbewusst rutsche ich noch weiter von ihm weg, in dem kläglichen Versuch, ja nichts von seinem widerlichen Rauch einzuatmen.

"Ist etwas?", fragt er mich dann doch, während er einen Zug nimmt und die Zigarette lässig in der Hand verweilen lässt. 

Immer noch zutiefst entgeistert sitze ich wie angewurzelt da. Ich weiß, dass ich keine Erwartung daran haben sollte, dass Logan mein Zigarettenproblem blind versteht. Mir ist auch bewusst, dass ich mich in anderen Augen ziemlich übertrieben verhalte, doch ich bin mir sicher, dass Logan mein Verhalten verstehen würde, wenn er die Wahrheit kennen würde. Wenn er wissen würde, wie mich der Geruch von Zigaretten und Alkohol geprägt hat. Wenn er wissen würde, dass es mein Leben zerstört hat.

Ich schlucke einen tiefen Kloß voller Erinnerung und Frustration hinunter. Auch, wenn ich so viel Hoffnung und Vertrauen in Logan gesteckt habe, kann ich nicht leugnen, dass diese Eigenschaft an ihm, etwas in mir zerbricht. Und deshalb stehe ich rasch auf beiden Beinen. "Tut mir leid, ich kann das nicht", wispere ich enttäuscht, traue mich aber nicht in seine karamellbraunen Augen zu schauen. Nichtsdestotrotz kann ich seine gigantische Verwirrung auf mir spüren. Bevor er weiter nachfragen kann, suche ich mit schnellen Schritten das Weite, während mein Herz zu verbluten droht. Doch ich weiß, dass ich diesmal das Richtige tue.

Angekommen im großen Haus Masons scheint die Party noch im vollen Gange zu sein. Alle kreischen und die Musik dröhnt nur so in meinen Ohren. Ich boxe mich schwach an den Partygästen vorbei, muss sogar manche zur Seite schieben, da diese entweder nicht mehr in der Verfassung sind, sich selbstständig zu bewegen oder mich nicht wahrnehmen. Als ich endlich Mason entdecke, muss ich genervt seufzen. Denn dieser hat nichts Besseres zu tun, als auf dem Küchentresen lautstark "My House" von Flo Rida in den schiefsten Tönen überhaupt zu trällern. Einige jubeln ihm zu, doch ich bin mir sicher, dass sie das nur tun, weil sie mindestens genauso betrunken sind, wie Mason.

"Welcome to my house. Play that music too louuuuud...", kreischt er und gibt taumelnde Tanzbewegungen von sich. Fremdschämend schlage ich mir die Hand gegen die Stirn. Dieser Typ macht sich gerade zur reinsten Witzfigur!

"Mason, was tust du da? Ich dachte, du wolltest rauskommen, um mit mir zu reden!", rufe ich ihm sauer von unten zu.

"Ahhh Lara!", erkennt er mich. "Ich war draußen, aber du hast fast mit irgendeinem Typ herumgeknutscht", ruft er gegen die Musik. Sofort macht sich ein gewisses Schamgefühl in mir breit. "Naja dann habe ich mir das Baby hier geschnappt...", triumphierend hält er eine Wodkaflasche in die Höhe, "...und dann ging es mir wieder suuuuuuper!" Wieder taumelt er grinsend, fällt diesmal jedoch fast vom Tresen, weswegen ich ihm umständlich helfe von da runterzukommen.

"Du bist viel zu besoffen, Mason. Ich sollte gehen", bemerke ich enttäuscht vom ganzen Abend. Masons eisblauen Augen weiten sich. "Aber warum denn? Nein. Lass uns wenigstens noch...", sein Blick eilt auf die tanzenden Personen im Wohnzimmer, "Tanzen!" Zufrieden klatscht er übertrieben in die Hände und schon werde ich widerwillig mitten auf die Tanzflächen gezogen. In dem sich ständig wechselndem Licht erkenne ich, wie Masons Augen amüsiert funkeln und er ein zufriedenes Grinsen aufzieht. Ich dagegen bin weder in der Laune zu tanzen, noch eine Sekunde länger auf dieser Party mit einem gebrochenen Herzen zu verweilen.

"Mason. Ich meine es ernst. Ich gehe jetzt", versuche ich ihm entgegen der Lautstärke zu verstehen zu geben. "Ach was. Jetzt lass doch mal den Spaß an dich ran!", jault er. Bitte was?

"Was soll das denn heißen? Dass ich keinen Spaß habe!?", erwidere ich sauer.

"Na ja, ein bisschen mehr Alkohol würden dir sicher nicht schaden." Wie bitte!? Mein Geduldsfaden scheint langsam aber sicher zu platzen.

"Spinnst du?", frage ich gereizt.

"Komm runter, Lara. So war das nicht gemeint. Mach dich locker. Das ist meine Party und ich möchte, dass du dich wohlfühlst." Fast hätte ich seinem versöhnlichen Blick Glauben geschenkt, doch dann höre ich ihn rufen: "Ich hole dir mal Alkohol, dann hast du auch endlich Spaß." Gerade will er verschwinden, da ziehe ich ihn an seinem blauen Ärmel wieder zu mir. "Ich brauche keinen Alkohol, um Spaß zu haben. Lass das!"

Zum ersten Mal, seit ich ihn betrunken vorgefunden habe, zerfällt sein fröhliches Grinsen. Stattdessen wird seine Miene unbequem ernst. "Oh, doch. Du bist so verklemmt! Es ist Zeit, dass du dich anpasst und nicht mehr bei deiner Tante verkriechst." Empört schnaufe ich und stamme meine Arme demonstrierend in die Hüfte. Was fällt ihm ein?!

"Ist doch so. So wie du dich aufführst, ist es doch klar, dass du keine Freunde hast." Diese Aussage trifft mich bitterlich an einem wunden Punkt, der mir so kaum bewusst war. Es kommt mir vor, als würde er bei jedem neuen Wort, welches er so leicht über die Lippen bringt, mein Glaube an den alten Mason verschwinden. Was habe ich nur bei dieser Party gedacht? Nur, um mich wieder mit ihm anzufreunden, bin ich gekommen. Nur wegen ihm!

Während ich ihn verstört anblicke, ziehe ich ihn leicht in eine Ecke. So eine Konversation sollte man nicht zwischen lauter Betrunkenen führen. "Du hast doch keine Ahnung, was in meinem Leben abgeht. Was ist los mit dir, dass du mich so anfährst?", versuche ich es nun etwas friedlicher, in der letzten Hoffnung doch noch sein altes Ich aus ihm zu holen.

"Warum? Das ist doch die Wahrheit! Oder hast du Freunde?", für einen Augenblick lacht er ironisch auf, "Nein! Natürlich hast du das nicht. Hättest du mich damals nicht abserviert, wärst du jetzt vielleicht sogar glücklich."

Seine Worte verletzten mich. Es verletzt mich, dass er so über mich denkt. Es verletzt mich, dass er gerade einen neuen Schluck Alkohol seinen Rachen herunterspült. Es schmerzt, dass er gerade nicht mehr der verständnisvolle Mason von früher ist. Doch am meisten verletzt es mich, dass er vielleicht recht haben könnte.

Bin ich glücklich? Eine Frage, an der ich kläglich scheitere. Hätte er mich vielleicht wirklich geändert? Nein! Das war verdammt nochmal in der 8. Klasse. Da ist man quasi noch ein Kind!

"Möchtest du da wirklich noch drauf herumreiten? Das war in der 8. Klasse!", flüstere ich enttäuscht und versuche meine zitternden Hände unter Kontrolle zu bekommen.

"Ja, Lara. Ich hätte dich glücklich gemacht! Aber du willst ja lieber als verbitterte Jungfrau sterben. Stimmt, doch oder? Wenn du mich geliebt hättest, wärst du glücklich. Ich könnte es dir jeden Tag besorgen!"

Genau das ist der Zeitpunkt, an dem das Fass überläuft und meine rechte Hand wie von alleine einen schmerzhaft roten Abdruck auf seiner Wange hinterlässt. Verwirrt sehe ich meine Hand an, die ungewohnt zu prickeln beginnt. Und plötzlich kitzelt es mich unangenehm in der Nase, sodass keine zwei Sekunden später eine Menge Tränenflüssigkeit produziert wird. Meine Sicht verschwimmt von der einen auf die andere Sekunde. Meine Hände fangen unkontrolliert an zu schwitzen. Mein ganzer Körper fühlt sich an, als würde er jeden Moment verglühen und ich kann mein Herz nervös gegen meinen Brustkorb klopfen hören.

Das ist gar nicht gut!
Ich muss hier raus!

Verletzt renne ich, so gut es mir möglich ist, aus dem lächerlichen Partyzimmer und beschleunige meine Schritte immer mehr. Immer weiter...

Bis ich den Türgriff der Eingangstür in der schwitzigen Hand halte und diesen hastig zu mir ziehe.

*****

Ohlàlà. Was geht denn da ab?

Was denkt ihr, wird als Nächstes passieren?

Baby don't hurt meWhere stories live. Discover now