Fourty-Four

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Nolan

Ich hob die Hand und schlug zweimal sachte und doch bestimmt gegen das dunkle Holz. Es rührte sich nichts, aber das hatte ich um ehrlich zu sein auch nicht erwartet. Graham hatte die Angewohnheit, sich von seiner Arbeit nie, und ich meine wirklich niemals, ablenken zu lassen, egal wichtig die Angelegenheit auch war. Das wusste ich nur zu gut, immerhin kamen Carter, Caleb und ich auch immer an zweiter Stelle. Das hatte sich selbst nach so vielen Jahren nicht verändert.

Leicht drückte ich die Tür ein paar Zentimeter auf, um in das Büro zu schlüpfen und mich nach Graham umzusehen. Nicht zum ersten mal fiel mir auf, wie viel Platz Graham als Geschäftsführer der Warren Company doch besaß. Auf der kompletten 35. Etage befanden sich nämlich zwei Konferenzsäle und ein Nebenraum, der Rest gehörte zu seinem Büro. Der Platz dafür war also mehr als nur ein bisschen übertrieben. Da gab es einen ewig langen Schreibtisch, der genau in der Mitte eines Endes stand. Ene Couch und ein paar Sessel standen auf der anderen Seite, genau vor dem riesigen Panoramafenster, das eine perfekte Sicht auf Manhatten gab. Direkt gegenüber von der Tür standen sich außerdem zwei schwere braune Ledersessel gegenüber. Auf dem kleinen Tisch dazwischen fand lediglich ein ziemlich edel aussehendes Schachbrett Platz, an dem sich Graham gerade bediente.

Er saß auf einem der Sessel, lehnte mit nachdenklichem Ausdruck über dem Brett und machte einen Zug nach dem Anderen. Dabei spielte er gar nicht mit jemand anderem, nein, er schien mit sich selbst zu spielen, was nur noch komischer wirkte. Das tat er also als CEO einer Multimillardenfirma? Ich hatte alle Hände voll zu tun und kam wegen der vielen Aufgaben und Pflichten kaum hinter her, und Graham vertrödelte sich seine Zeit mit etwas Schach?

Wut steig in mir auf, doch diese wurde schnell durch ein regelmäßiges Tippen zu meiner Rechten abgelenkt. Eine Frau, vielleicht Anfang 30, tippte mit ausdrucksloser Miene auf ihrem Laptop herum. Ihr Blick lag starr auf dem Bildschirm, lediglich ihre schulterlangen schwarzen Haare wippten mit ihren Bewegungen mit, was mir zumindest sagte, dass sie nicht vollkommen im Trance-Zustand schien.

Als sie meine Anwesenheit bemerkte, hob sie für eine Sekunde den Kopf und nickte mir ohne ein Lächeln zu. Ich erwiderte diese Geste, denn ich wusste nur zu gut, dass die Assistentin meines Vaters definitiv besseres zu tun hatte, als mit mir Smalltalk zu führen.

Syblle arbeitete schon seit Jahren für meinen Vater, dabei hatte ich nie ganz verstanden, was sie zum bleiben bewegte. Dass ich Graham nicht leiden konnte, war kein Geheimnis, denn immerhin kannte ich ihn besser als jeder andere. Sowohl seine guten als auch seine schlechten Seiten, wobei die Schlechten deutlich überwiegten. Ich begriff nie, wie Leute tatsächlich von ihm angetan sein konnten. Dabei meinte ich das nicht oberflächlich, sondern die Art wie er sich gab. Klar, vor Kunden, Partnern und Investoren setzte er immer eine ausdrucksstarke, charmante Fassade auf, aber hier im Unternehmen war er genau so, wie ich ihn Erinnerung behielt. Laut, herrisch und ungemütlich.

Entweder Syblle verdiente also mehr als nur über dem durchschnittlichen Gehalt einer Assistentin, oder aber es gab einen anderen Grund, wieso sie blieb. Etwa wegen ihm selbst. Mein Blick ging zurück zu Graham, der sie allerdings in den letzten Minuten keines Blickes gewürdigt hat. Nein, er war viel zu beschäftigt damit, sein Schachtunier gegen sich selbst zu gewinnen. Möglich, dass er sich also gar nicht so für Syblle interessierte, wie sie es bei ihm tat.

Die Tatsache, dass mein Vater tatsächlich jemand anderen lieben könnte als meine Mutter, war ziemlich verwirrend. Ich hatte ihn seit dem Tod von Mom noch nie mit einer anderen Frau gesehen, was komisch war, wenn man bedachte, wie lange sie schon unter der Erde lag. Vielleicht hatte er einfach ein schlechtes Gewissen, wenn er jemand anderes daten würde als seine Ehefrau. Vielleicht besaß er ja doch ein Herz, das er allerdings für immer und ewig meiner Mutter geschenkt hatte. Vielleicht stieg in ihm tatsächlich so etwas wie Loyalität und Treue auf.

The Warren-Games | (Broken Billionaires, #2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt