Kapitel 5 - eine harte Nuss für die coole Katy

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Katy Cool war schon allein aufgrund ihres Namens häufig den Frotzeleien ihrer männlichen Kollegen ausgesetzt.

„Die coole Katy", gehörte dabei noch zu den netten Bezeichnungen. Meist gingen die Äußerungen eher in die Richtung: „Katy ist cooler als ihre Leichen unten in der Kühlung." Oder „Katy lässt alles kalt", was eine Anspielung darauf war, dass sie auf Einladungen konsequent ablehnend reagierte.

Mit einer Äußerung hatte die Kollegen tatsächlich recht: Es ließ Katy wirklich kalt, was die Herren der Schöpfung da von sich gaben. Sie war auch an keinem der Männer erotisch oder romantisch interessiert. Sie war, wenn man es wirklich so bezeichnen wollte, mit ihrer Arbeit verheiratet. Und man konnte auch nicht umhin anzuerkennen, dass sie gut in ihrem Job war. Richtig gut.

Sie teilte ihre Wohnung mit Kater Francis Ford und mit ihren Forensik-Büchern. Und sie war mit diesem Lebensentwurf völlig zufrieden.

Gerade stand sie in dem blassgrün gekachelten Obduktionsraum im Keller der Pathologie, die der Universität in Davis, Kalifornien, angehörte und inspizierte mit Hilfe einer Lupe und zwei sehr lichtstarken, schwenkbaren Leuchtern die beiden kleinen Verletzungen in der Halsbeuge des Mannes, der vor ihr auf dem Metalltisch lag.

Sie beugte sich noch ein wenig weiter hinunter, kniff die Augen zusammen und drehte ihr Gesicht parallel zur Lupe, die sie zwischen ihren kräftigen Fingern hielt. Das Gummiband ihrer Mund-Nasen-Maske schnitt ihr unangenehm in die Haut hinter dem Ohr.

Das hier war eindeutig ein Spinnenbiss. Katy hatte ihren Abschluss für Pathologie und Entomologie an der Universität in Oklahoma gemacht, und das mit Auszeichnung. Sie war sich sicher. Bei der Spinnenart tippte sie auf die in Kalifornien ansässige Witwenspinne. Ihr Biss hatte allerdings bisher noch nie derartig heftige Reaktionen hervorgerufen und auch nicht so rasend schnell zum Tod geführt. Also, was zur Hölle war das hier?

Fachmännisch und mit einer Gelassenheit, um die sie jeder Yogacoach beneidet hätte, inspizierte sie das Gesicht des Toten. Ihre Finger schwitzten ganz leicht in dem dünnen Plastik ihrer Arbeitshandschuhe.

Das einzige Geräusch, das sich vernehmen ließ, war das leise Surren der Klimaanlage.

Der arme Mann hatte offenbar die Zähne so fest zusammengebissen, dass Katy mit der Pinzette winzige Zahnfragmente aus der Mundschleimhaut entfernen musste. Die Zunge war angeschwollen und wies ebenfalls Bissverletzungen auf. Vermutlich, weil der Verstorbene gekrampft und sich dabei auf die Zunge gebissen hatte. Die andere Möglichkeit, nämlich, dass eine Spinne für diese Verletzungen verantwortlich gewesen sein sollte, das konnte Katy sich beim besten Willen nicht vorstellen. Dazu müsste das Tier ja in den Mund des Opfers gekrabbelt sein. Eine Horrorvorstellung.

Als sie vorsichtig seine Augenlider anhob, entdeckte sie kleine, punktförmige Einblutungen. Die gleichen Einblutungen fanden sich auch auf der Haut unter den Augen.

Sie griff nach ihrer Kamera und dokumentierte sämtliche Verletzungen und Auffälligkeiten, bevor sie sich für weitere Untersuchungen dem Torso zuwandte.

Der Oberbauch des Mannes war grotesk aufgebläht. Akutes Abdomen - auch eine Folge von Muskelspasmen, hervorgerufen durch neurotoxische Komponenten im betreffenden Spinnen-Gift.

In abgeschwächter Form waren diese Reaktionen durchaus bekannt. Aber das, womit sie hier konfrontiert wurde, hatte höchst besorgniserregende Ausmaße angenommen.

Katy schüttelte den Kopf. Es ärgerte sie, wenn sie nicht sofort eine Erklärung fand. Sie würde sich zu Hause hinsetzen und ihre Bücher nach Anhaltspunkten durchsuchen. Vielleicht auch mit Paul telefonieren, einem Spinnenexperten par excellence, der vielleicht noch einen anderen Blickwinkel hatte.

Sorgfältig deckte sie den Leichnam wieder zu, entledigte sich der Plastikhandschuhe, deren Material ein Vakuum um ihre Fingerkuppen gebildet hatte und nun einen unangenehm feuchten Film auf der Haut hinterließ. Sie desinfizierte sich Hände und Unterarme mit einer sterilen Lösung, hängte dann ihren Kittel an einen der vielen Haken, die neben dem Waschbecken und dem Spiegel angebracht waren und verließ ein wenig konsterniert ihren Arbeitsplatz. Erst als sie sich draußen auf dem Parkplatz wiederfand, nachdem sie, heute grußlos, an ihren Arbeitskollegen vorbei geeilt war, bemerkte sie, dass sie noch immer ihren Mund-Nasenschutz trug.

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