Kapitel 18 - Unverhofft passiert doch ab und zu

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Levy betrachtete konzentriert das Etikett auf der Rotweinflasche bevor er sie geschickt entkorkte. Ich sah zu, wie sich die dunkelrote Flüssigkeit in dem bauchigen Glas verteilte als er mir einschenkte.

„Cabernet Sauvignon 1989. Probier mal", sagte er und goss sich ebenfalls ein.

Gedankenverloren hielt ich das Glas in meinen Händen ohne zu trinken. Stattdessen starrte ich auf den Bildschirm des Fernsehers und lauschte den Worten der Nachrichtensprecherin. Es waren sehr beunruhigende Worte:

„Offenbar häufen sich die Todesfälle durch Spinnenbisse. Eine noch unbekannte Spinnenart treibt derzeit in ganz Kalifornien ihr Unwesen. Bisher ist noch völlig unklar, weshalb die Bisse plötzlich eine derart verheerende Wirkung entfalten. Das Gesundheitsamt in Los Angeles ruft dazu auf, Sichtungen von ungewöhnlichen und unbekannten Spinnenarten umgehend zu melden oder diese sogar mit Fotos zu dokumentieren. Da sich die Vorfälle bisher meistens innerhalb des Hauses ereigneten, ersucht das Gesundheitsamt die Hausbewohner, Fenster und Türen mit Insektengitter zu sichern."

„Das klingt irgendwie nicht so gut", stellte Levy sachlich fest.

Ratlos sah ich ihn an und nahm nun doch einen großzügigen Schluck aus meinem Glas. Augenblicklich breitete sich der kraftvolle, erdige Geschmack auf der Zunge aus. Das schwere Aroma reifer Früchte kitzelte meinen Gaumen und stieg mir fast bis in die Nase. Und hinterließ dennoch einen schalen Nachgeschmack. Was bestimmt nicht an der Qualität des Weines lag.

„Wir sollten dringend solche Gitter kaufen", überlegte ich laut, „wir besitzen sowas gar nicht."

Das Telefon klingelte.

„Levy, lass uns das bitte heute noch erledigen", forderte ich und ignorierte den Anrufer.

Es klingelte noch immer.

„Willst du nicht erstmal ans Telefon gehen", fragte Levy und machte keinerlei Anstalten, sich vom Sofa zu erheben, auf dem er es sich mit seinem Glas Wein bequem gemacht hatte.

Ich stand auf, ohne darüber nachzudenken. Sowas passierte mir oft, dass ich automatisch Dienste übernahm, die eigentlich auch ein anderer hätte erledigen können.

„Hallo?"

„Hey, Ava, hier ist Chase Taylor."

Mir blieb das Herz stehen. Erschrocken sah ich mich nach Levy um, wandte mich jedoch sofort wieder ab, damit er mir meine widersprüchlichen Gefühle nicht vom Gesicht ablesen konnte.

„Äh, ja, hi, also...was gibt's?" stotterte ich.

Ich hörte, wie Levy sich auf dem Sofa bewegte.

„Alles klar, Ava? Wer ist denn da dran?"

Ich drehte mich zu Levy und winkte demonstrativ ab. Lautlos formte ich mit den Lippen das Wort Mia. Als Levy sich desinteressiert wieder gegen die Sofalehne sinken ließ, bewegte ich mich unauffällig Richtung Badezimmer.

„Wieso rufst du hier an", zischte ich, heftiger als beabsichtigt.

Aber Chase blieb völlig unbeeindruckt. Ich wollte dir Bescheid geben, dass Erika heute Abend für uns alle kocht. 19:00 Uhr gehts los, hättest du Lust?"

Ich kaute nervös auf der Innenseite meiner Unterlippe. Ob ich Lust hätte? Natürlich! Aber wie sollte ich das Levy erklären? Müsste ich nicht fragen, ob ich ihn mitbringen könnte?

„Hab ich dich mit meiner Essenseinladung erschreckt?", fragte Chase, und ich kam nicht umhin, einen herausfordernden Unterton in seiner Stimme zu bemerken.

„Woher hast du überhaupt meine Nummer?", entgegnete ich, ohne auf seine Frage einzugehen.

„Ich habe Mia gefragt. Aber das ist doch auch ein öffentlicher Telefonanschluss oder bewegst du dich lieber inkognito?"

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