7. Kapitel - Valerie

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Ich renne praktisch den ganzen Weg bis zur Schule.

Ich muss meinen Kopf frei bekommen und der frische Wind tut gut. Ich ziehe meine Jacke enger um mich. Es ist ganz schön kalt für Herbst, so kalt, dass es bestimmt bald schneit.

Ich werfe einen prüfenden Blick auf die grauen Wolken über mir, die sich ab und zu vor die Sonne schieben, bevor ich mich wieder auf den Weg konzentriere.

Mich jetzt zu verlaufen, wäre schon dämlich. Ich hab mein Handy nicht dabei und ich hab auch nicht wirklich Lust einen Passanten nach dem Weg zu fragen.

Unsicher biege ich in eine Straße ein und seufze erleichtert, als ich das Schulgebäude wiedererkenne.

Der Hof ist leer und ich stelle mich an das Schultor, um auf Myriam zu warten. Oder besser auf das Ende des Unterrichts.

Ich gähne und lehne mich an die kalten Stäbe. Meine Gedanken wandern zu der Alphafamilie des anderen Rudels. Sie sahen allesamt sehr nett aus.

Auch wenn der Junge mich irgendwie seltsam angestarrt hat.

Ob er vielleicht etwas bemerkt hat, denke ich und streiche mir abwesend über die Narbe an meinen Nacken. Eigentlich ist sie immer unter meiner Kleidung versteckt, aber vielleicht ist die blöd rumgerutscht?

Das Läuten der Schulglocke reißt mich aus meinen Gedanken und ich richte meinen Blick erwartungsvoll auf die Türen des Haupteingangs.

Massen an Schülern strömen mit einem ohrenbetäubenden Lärm die Treppe herunter und an mir vorbei, völlig euphorisch darüber, nicht mehr im Klassenzimmer eingesperrt zu sein.

Wenn ich sie mir so ansehe, bin ich froh keine Schule besuchen zu müssen.

Ich wurde schon immer zu Hause unterrichtet. Ich fahre mir über eine größere Narbe auf meinem Arm, bevor ich Myriams weißen Haarschopf entdecke.

Sie redet aufgeregt auf einen braunhaarigen Jungen neben ihr ein und wedelt dabei wild mit den Armen herum. Neben dem Jungen geht ein weiteres Mädchen. Sie trägt eine runde Brille, die unter ihrem Pony hervorblitzt und lächelt, belustigt von Myriams heftiger Gestik.

Ich winke Myriam zu und als sie mich bemerkt, zieht sie den Jungen mit zu mir ans Tor.

„Hi", bringe ich noch raus, bevor sie mich in eine knochenbrechende Umarmung zieht.

„Ich freu mich auch dich zu sehen!", ächze ich und befreie mich aus ihren Armen, als ich keine Luft mehr bekomme.

Myriam grinst breit und ihr Lippenpiercing glänzt. „Das ist Valerie!", stellt sie mich ihren neuen Freunden vor. Ich hebe die Hand: „Hey, bitte nennt mich einfach nur Val!"

„Nett dich kennenzulernen. Ich bin Silas!", der Junge grinst mich an und ich mag ihn sofort. Seine grünen Augen sind nett und sanft, funkeln aber gleichzeitig belustigt, als würde er die ganze Zeit über etwas lachen.

„Ich bin Zara, freut mich", meint das Mädchen und streift sich eine Strähne ihrer langen, glatten Haare hinters Ohr.

Myriam hat mir nicht viel von ihren neuen Freunden hier an der Schule erzählt, vermutlich denkt sie, dass es mich traurig machen würde.

„Worüber habt ihr da gerade diskutiert?", frage ich in die Gruppe.

„Oh!", Myriams Augen leuchten vor Begeisterung: „Ich versuche die beiden dazu zu bringen, eine Band mit mir zu gründen!"

Ich hebe eine Augenbraue. Ich weiß, dass Myriam Gitarre spielt, aber was machen die anderen.

Meinen fragenden Blick bemerkend schaltet sich Silas ein: „Zara spielt Klavier und ich soll singen."

„Kannst du singen?", frage ich neugierig und Silas scheint immerhin nicht beleidigt von meiner Direktheit.

Er grinst, aber bevor er etwas erwidern kann, erklärt Myriam mit stolz geschwellter Brust: „Wie ein Engel!"

Silas und ich brechen in Gelächter aus und Zara fragt neckend: „Und warum genau, bist du so stolz deswegen?"

„Na, weil ich ihn entdeckt habe!", protestiert Myriam und Silas schüttelt immer noch lachend den Kopf: „Ich würde es nicht entdecken nennen, wenn du mich einfach nur belauscht hast!"

Myriam wird ein bisschen rot und kichert verlegen: „Das hältst du mir doch nicht immer noch vor, oder?"

„Würde ich doch nie machen!", versichert ihr Silas mit einem breiten Grinsen.

Myriams Bick fällt auf die Uhr, dann dreht sie sich abrupt zu mir: „Ist das Treffen eigentlich schon vorbei?"

„Nee", murmele ich leise: „Ich bin abgehauen."

Myriam schüttelt amüsiert den Kopf, während Zara sich verabschiedet.

„War nett dich kennenzulernen, Val! Wir sehen uns bestimmt mal wieder!", sie winkt und verschwindet hinter der nächsten Ecke.

Silas zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Ihre Eltern sind ziemlich streng und wollen, dass sie nach der Schule immer direkt nach Hause kommt", erklärt er mir.

Ich verziehe das Gesicht. Mit strengen Eltern kenne ich mich aus.

Myriam wendet sich wieder zu mir: „Willst du nochmal zurück zum anderen Rudel?"

Ich zucke erschrocken zusammen und werfe ihr einen warnenden Blick zu. „Willst du uns etwa verraten?", zische ich leise und versuche möglichst unauffällig auf Silas zu deuten.

Scheinbar bin ich nicht so wirklich subtil, denn Silas schmunzelt und streckt mir dann die Hand hin: „Hi, nochmal! Ich bin Silas und ein Teil des anderen Rudels, nett dich kennenzulernen!"

Ich nehme die Hand mit einem erleichterten Seufzen und schüttele sie: „Ist Zara auch ein Werwolf?"

„Nee, sie ist ein Mensch!", meint Myriam, sichtlich amüsiert über mein Verhalten.

„Du hättest mir ruhig Bescheid sagen können", maule ich sie an und verpasse ihr einen Knuff in die Seite.

„Nö, so ist es viel lustiger!", meint sie daraufhin und weicht allen folgenden Attacken aus.

„Wollt ihr noch mit zu mir?", fragt Silas nun: „Ich würde nämlich so langsam los!"

„Wir kommen mit!", erklärt Myriam und zieht mich am Arm mit: „Ich will endlich deine Cousins kennenlernen, von denen du immer so schwärmst!"

Ich ergebe mich meinem Schicksal und folge den beiden zurück zur Siedlung.


Jep, ein weiteres Kapitel, dieses Mal geht es um Valerie.

Silas bekommt auch irgendwann ein eigenes Kapitel, ich schwör's...Aber die Story muss bis dahin noch ein bisschen vorankommen und das ein oder andere Geheimnis gelüftet werden!

Wir sehen uns beim nächsten Kapitel ;)

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