28. Kapitel - Eric

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Ich gähne und lehne mich gegen Valerie.

Seit Lyall aus der Hütte gestürmt ist, um Silas zu suchen, liest Myriam aus einem Märchenbuch vor und ihre monotone Stimme schläfert mich langsam ein.

Valerie vergräbt ihren Kopf in meiner Schulter und grinst: „Sie wird noch ewig weiterlesen, wenn wir nichts tun!"

Myriam, auf Vals anderer Seite, zwickt sie in die Hüfte, ohne auch nur den Faden zu verlieren.

Wir kichern beide. „Welches Märchen liest sie eigentlich?", frage ich dann müde.

„Der Wolf und die sieben Geißlein, glaube ich...", Val zuckt kurz mit den Schultern: „Irgendeines von den vielen, bei denen der Wolf der Böse ist!"

„Stimmt, da gibt es so einige... Rotkäppchen, Die drei kleinen Schweinchen...", zähle ich auf und blinzle, um nicht wegzudämmern.

„Der Wolf und die sieben Geißlein!", grinst Val und piekt mich in die Seite, als meine Augenlider wieder schwer werden.

Ich grinse zurück: „Wie konnte ich das nur vergessen!"

„Peter und der Wolf", fährt Valerie fort. Ich sehe sie mit großen Augen an: „Das ist doch kein Märchen! Das ist eine Oper oder so!"

„Quatsch, es ist ein Musikmärchen. Viel Musik, aber immer noch ein Märchen! Da singt doch niemand, wie soll es denn bitte eine Oper sein?", sie wirft mir einen entsetzten Blick zu und ich grinse schon wieder.

„Sorry, Silas ist der musikalische. Ich habe keinen Plan von so was!"

„Du kannst also nicht singen? Kein Instrument spielen oder so?", Val dreht sich ein bisschen mehr zu mir.

„Nö, ich hab das musikalische Talent eines Meerschweinchens!", ich verziehe den Mund, als ich mich daran erinnere, dass Silas meine Gesangstimme immer mit dem Quieken eines dieser Winzlinge verglichen hat. Nein, das Singen überlasse ich lieber ihm.

„Kennst du noch mehr?", frage ich Val und mustere sie aus den Augenwinkeln. Hoffentlich vergisst sie dann das Musikthema, bevor sie mich noch bittet etwas zu singen. Diese Peinlichkeit würde ich mir lieber ersparen.

„Was?", sie blinzelt zu mir hoch und ich muss schlucken. Ihre braunen Augen funkeln im warmen Licht der kleinen Lampe hinter dem Sofa und die grünen Sprenkel tanzen darin.

„Märchen!", bringe ich mit trockener Kehle heraus: „Kennst du noch mehr Märchen!"

„Äh, ich glaube es gibt noch eins, der Wolf und der Fuchs, oder so ähnlich...", gedankenverloren beginnt sie mit einer Haarsträhne zu spielen.

„Hab ich noch nie gehört. Du kennst dich echt aus!", beeindruckt stupse ich sie in die Seite. Sie lächelt schräg: „Als kleines Kind fand ich es immer furchtbar schrecklich, dass die Wölfe immer so böse waren. Alle hatten Angst vorm großen, bösen Wolf... Und naja, ich musste irgendwie damit klarkommen, dass ich auch so einer werden würde. Also habe ich immer wieder Märchen gelesen und gehofft mal eines zu finden, in dem der Wolf nett ist... Aber wirklich gefunden hab ich keins. Am nächsten dran wäre wahrscheinlich noch die Schöne und das Biest!"

Sie lacht traurig auf.

Myriam hat aufgehört zu lesen und knufft sie: „Hör sofort auf mit dem Depri-Zeug! Du bist wundervoll, Wölfe sind fantastisch und heute ist ein Tag zum Feiern!" Sie springt auf und stürmt in die Küche: „Habt ihr hier eigentlich irgendwas essbares?"

Val lacht: „Du weißt doch, dass wir schon ewig nicht mehr hier waren! Warum sollte noch etwas da sein?"

Myriam seufzt enttäuscht: „Ich hatte auf ein Wunder gehofft!" Sie kehrt mit gesenktem Haupt zum Sofa zurück und lässt sich neben uns nieder.

„Was ist da eigentlich zwischen euch beiden los?", fragt sie auf einmal übermäßig interessiert und beugt sich über Valerie hinweg zu mir: „Ihr seid plötzlich so kuschelig miteinander!"

Ich werfe Valerie einen verwirrten Blick zu: „Hast du es ihr nicht erzählt?"

Sie schlägt sich verlegen die Hand vor den Mund und stöhnt: „Ich hab es total vergessen!" Ihr Gesicht ist rot und ihre Sommersprossen werden dunkler und auffälliger. Es sind weit mehr als ich dachte und es ist echt niedlich anzusehen.

Valerie greift Myriams Hände uns zieht sie zu sich auf den Schoss: „Also, es ist so... Eric und ich sind Mates!"

Für eine Sekunde herrscht absolute Stille, bis Myriam ein so hohes Quietschen ausstößt, dass ich mir instinktiv die Ohren zuhalte. Wenn ich ein Meerschweinchen bin, ist Myriam eine Fledermaus!

„Oh Göttin, wie süß! Ich kann es nicht glauben! Und du hast mir nichts gesagt! Ich bin so glücklich!", Myriam kann gar nicht an sich halten und redet in einem fort so schnell, dass ich ihr bald nicht mehr folgen kann.

Irgendwann drückt sie Valerie und mich fest an sich. Dann richtet sie ihren Blick auf mich und grinst breit: „Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst oder dich auf irgendeine andere Art als absoluter Idiot herausstellst, werde ich dir jeden einzelnen Knochen in deinem Körper brechen, okay?"

Ich nicke hastig und Myriams Miene wird weich: „Ach, ich freu mich so für euch beide! Natürlich nur, wenn es klappt, aber trotzdem!"

Ich werfe Valerie einen fragenden Blick zu, aber sie winkt nur ab.

„Das ruft doch gerade zu nach noch einem Märchen!", begeistert klappt Myriam das Buch wieder auf. Val und ich tauschen einen Blick und kichern leise, während wir uns wieder aneinander kuscheln.

Noch ein Märchen wird nicht schaden.

Und morgen treffen wir uns wieder mit Silas und Lyall und können uns vielleicht, wie einfache Jugendliche verhalten. In der Stadt in ein Café gehen oder einen Filmeabend mit Unmengen an Popcorn.

Ich träume vor mich hin und bemerke gar nicht, dass ich langsam einschlafe.

Valeries Duft nach Rauch kitzelt mich in der Nase und ich lächle.

Auf eine friedliche Zeit!


Ja, aber wir alle wissen, dass es keine Geschichte gäbe, würde es weiterhin so friedlich verlaufen ^^

Myriams Drohung ist wohl die Furchteinflößendste bis jetzt... Ich mag sie!

Heute ein bisschen kürzer (obwohl das eigentlich meine gewünschte Länge war und die anderen Kapitel immer nu zu lang geworden sind 0.o) und mal wieder ein bisschen spät, aber trotzdem viel Spaß beim Lesen!


By your sideWhere stories live. Discover now