32. Kapitel - Valerie

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Ich schmiege mich zitternd an Lyall.

Mein großer Bruder legt schützend den Arm um mich: „Ist dir arg kalt? Wir können irgendwo rein gehen!" Er mustert mich besorgt.

Meine Wangen sind nass von den Tränen, die einfach nicht stoppen wollen.

Seit ich den Schock des Angriffs überwunden und Adrians Tod realisiert habe, kann ich einfach nicht aufhören zu weinen.

Vielleicht weil es meine Schuld ist. Dass wir in dem Wald waren. Dass der Jäger uns erkannt hat. Dass Erics Vater tot ist.

„Ich habe den Vater meines Mates umgebracht", flüstere ich leise. Scheinbar nicht leise genug, denn Lyall guckt mich erschrocken an.

„Du hast niemanden umgebracht!", wispert er geschockt zurück.

Ich sehe ihn mit geweiteten Augen an: „Aber es ist meine Schuld!" Dann wende ich meinen Blick wieder zu dem leblosen Körper, der in der Mitte des Platzes liegt. Das Rudel scharrt sich um ihn, um ihn zu verabschieden und verdeckt die kalte Leiche.

„Ich bin dafür verantwortlich!", ich flüstere immer noch und meine leise Stimme bricht am Ende des Satzes einfach weg.

Lyall packt mich an den Schultern und dreht mich so, dass ich ihn anschauen muss.

„Hast du die Waffe gehalten?", fragt er mich eindringlich.

Ich schüttele aufgebracht den Kopf.

„Dann hast du etwa abgedrückt?", stochert er weiter.

Ich protestiere wütend: „Natürlich nicht!"

„Der Jäger hat das aber getan, nicht? Er hatte die Waffe und er hat sie abgefeuert. Das war seine Entscheidung und du hast damit rein gar nichts zu tun!", er fährt mir mit trauriger Miene über die roten Locken: „Genau so war es Adrians Entscheidung sich vor dich zu werfen und dich zu retten! Du willst ihm doch nicht etwa die Kraft nehmen, eigene Entscheidungen zu treffen, oder?"

„Nein", ich schaue verlegen zur Seite: „Aber es fühlt sich trotzdem so an. Wenn ich nicht gewesen wäre, würde er noch leben!"

Lyall schüttelt sanft den Kopf: „Du kannst nicht wissen, was passiert wäre. Vielleicht hätte der Jäger Eric allein aufgefunden und erschossen, bevor ihm irgendjemand zur Hilfe hätte kommen können. Oder Adrian hätte sich vor Eric geworfen und wäre so gestorben."

„Aber dann hätte er wenigstens seinen Sohn gerettet und nicht mich!", versuche ich verzweifelt mich zu erklären.

„Hör auf mit den Fragen. Was hätte sein können? Alles. Du kannst ewig weitermachen und immer neue Wege finden, schlechte Ereignisse ungeschehen zu machen. Wenn Vater und Adrian nie zusammen das neue Revier abgelaufen wären, würde Adrian bestimmt noch leben. Vielleicht hätte sich etwas verändert, wenn Hanako nicht mitgekommen wäre oder wir davon gewusst hätten! Du musst dich damit abfinden, dass du nun einmal nichts ändern kannst!", sacht streicht Lyall mir eine Strähne hinters Ohr: „Du musst akzeptieren, was passiert ist, sonst frisst es dich innerlich auf!"

Ich beginne zu Schluchzen und klammere mich fester an meinen Bruder.

Er murmelt sinnlose Worte, die mich dennoch beruhigend einlullen.

Nach einigen Minuten kommt Myriam aus dem Haupthaus zurück.

„Hier!", sie schlingt eine Wolldecke um meine Schultern und kuschelt sich mit in die Umarmung: „Wie kommen sie voran?" Myriam nickt kurz zur Mitte des Platzes.

„Ich glaube, dass Rudel hat sich jetzt endgültig verabschiedet. Wir sollten vor der Nachtwache gehen!", Lyall will sich umwenden, wird aber von einer schweren Hand auf seiner Schulter abgehalten. Unser Vater ist zu uns getreten. Mein Bruder zuckt zusammen und ich erinnere mich wage daran, dass er ihm noch nichts von seiner Beziehung mit Silas erzählt hat.

„Wir bleiben. Alex meinte, wir wären ohnehin schon fast ein gemeinsames Rudel und dass Adrian es sich auch gewünscht hätte. Außerdem glaube ich, dass es dir besser gehen wird, wenn du dich verabschieden kannst!", den letzten Satz richtet mein Vater an mich und zum ersten Mal seit langem bin ich fast so etwas wie dankbar.

Wir nicken alle und ziehen uns ins Haus zurück, um unsere Kleidung sicher zu verstauen, bevor wir uns verwandeln.

Ich schreie fast auf vor Schmerzen, als meine Knochen brechen und sich biegen, aber dann kommt mir das Bild von Adrians blutüberströmten Körper in den Sinn und ich beiße die Zähne zusammen. Ich bin es ihm schuldig, ihn ehrenhaft zu verabschieden.

Ich trete vor die Tür und treffe wieder auf Myriam und Lyall, die natürlich nicht mal halb so lange gebraucht haben wie ich.

Ich wedele zur Begrüßung kurz mit dem Schwanz, bevor wir alle zusammen zu Adrians Körper treten. Lyall und Myriam drücken sanft winselnd ihre Schnauzen in sein Bauchfell und nehmen dann respektvoll Abstand, um mir Raum zu geben.

Ich schnuppere sanft über den grauen Pelz und schmiege mich dann an seinen Nacken.

Danke, dass du mir das Leben gerettet hast, flüstere ich leise, es tut mir so unendlich leid, dass es so geendet hat. Ich wünschte wirklich, dass ich... Dass nur eine einzige Sache...

Stille Tränen rinnen mir über die Schnauze und ich lecke sie hastig weg. Ein letztes Mal drücke ich mich gegen ihn, dann laufe ich zurück zu den anderen.

Wir scharen uns gemeinsam mit dem Rest des Rudels in einem Kreis und warten darauf, dass Hanako das Klagelied anstimmt.

Das Heulen schallt laut durch die sonst stille Nacht und geleitet Adrian hoffentlich sicher auf seinem weiteren Weg.

Als Eric vortritt, um die Nachtwache zu beginnen, streift sein Blick kurz meinen und ich zucke unwillkürlich zusammen.

Waren seine Augen schon immer so kalt?


Hihi!

Sorry erstmal, dass Sonntag nichts kam. Ich bin einfach krank geworden und hatte keine Energie zum Schreiben mehr übrig!

Ich bin auch noch nicht so gaaanz fit, also falls demnächst wieder etwas ausfällt, liegt es wahrscheinlich daran.

Tut mir echt leid >.<

Wie ihr sehen könnt, geht es jetzt erstmal mit Valerie weiter... bis zum nächsten Kapitel!


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