21. Kapitel

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Als Myriam wieder ins Lager stürmt, döse ich gerade vor mich hin und lausche dem Wind, der durch die Bäume fährt.

Ihr keuchendes Jaulen reißt mich aus meinem weggetretenen Zustand und ich reibe mir über die Augen.

„Ist etwas passiert?", fragt Eric erschrocken und legt das Buch weg, das er sich geholt hat, um die Zeit zu überbrücken.

Das Buch ist weg! Ich hab überall gesucht, aber es ist einfach verschwunden!, sie drückt sich entschuldigend gegen meine Beine. Ich streiche ihr abwesend über das Fell: „Lasst uns erstmal Lyall und Silas holen, okay?"

Unser Trupp macht sich auf zur Silas Haus und ich schleiche die Treppe hoch in sein Zimmer.

Leise öffne ich die Tür und beobachte kurz die friedliche Szene, die sich vor mir abspielt. Lyall liegt ausgestreckt auf dem Teppich und hat den einen Arm lose um Silas geschlungen, der zusammengerollt an seiner Seite liegt. Sein Kopf ruht dabei auf der Brust meines Bruders und als ich ihn sanft anstupse, kuschelt er sich tiefer in den Stoff des Shirts.

Ich kichere und rüttele Lyall deutlich brutaler wach: „Aufstehen, Schlafmütze! Myriam ist wieder da!"

Lyall murrt und wedelt unwirsch mit der freien Hand in meine Richtung. „Geh weg", nuschelt er müde und dreht sich zu Silas. Der wird durch die Unruhe auch endlich wacher und gähnt herzhaft. Dann mustert er verschlafen Lyall der zur Hälfte unter und zur Hälfte um ihn liegt und springt schließlich überrascht auf.

Meinem Bruder wird es ohne Kuscheldecke schnell zu kalt und er richtet sich auf: „Was war los?"

„Myriam ist wieder da! Kommt in die Küche, wenn ihr sicher seid, dass ihr nicht die Treppe runterfallt!", informiere ich sie grinsend, zwinkere Lyall zu und verschwinde aus dem Zimmer, wohl wissend, dass er rot wie eine Tomate geworden ist.

Er muss echt lockerer werden!

Auf meinem Weg nach unten höre ich undeutliches Gemurmel aus dem Zimmer, ein lautes Rumpeln, gefolgt von einem erschrockenen Jaulen und einem lauten Fluchen. Ich grinse und nehme mir eine Mandarine, die in einem Obstkorb auf dem Küchentisch liegt.

Grinsend setze ich mich neben Myriam, die die Zeit genutzt hat, um sich zurückzuverwandeln und umzuziehen.

Die Frucht ist schon zu zwei Dritteln in meinem Mund verschwunden, bevor Silas und Lyall sich zu uns gesellen.

„Also, was hast du gefunden?", fragt mein Bruder gähnend.

Myriam senkt betreten den Kopf: „Leider nichts. Das Buch ist nicht mehr da!"

Lyall mustert abwesend Silas, der zwischen ihm und Eric hockt und sich gerade so auf dem Stuhl hält. Er fährt sich über die Augen: „Wo genau hast du es denn vorher gesehen? Ich hatte noch nie etwas davon gehört."

Myriam lässt den Kopf auf den Tisch fallen: „Ist schon länger her. Ich glaube bei Tanja?"

Ich werfe Lyall einen Blick zu. Er schaut angespannt zurück. Seine Augen zucken in Silas Richtung und ich werfe ihn mit einem Stück Mandarinenschale ab.

Unbeirrt wendet sich mein Bruder an Myriam: „Wenn es nicht mehr da ist, gehört es wahrscheinlich unserer Mutter. Sie ist immer noch gut mit Tanja befreundet und sie tauschen ständig Bücher aus."

„Und das hat sie dir bei ihrem letzten Besuch erzählt, oder was?" Meine Stimme klingt so bitter, dass Silas und Eric erstaunt aufblicken.

Lyall schüttelt müde den Kopf: „Das Buch ist bis jetzt unsere einzige Spur, um Silas zu helfen! Wir können ihr doch einfach einen Besuch abstatten und schauen, ob sie es hat. Du musst ja auch nicht mit!"

Ich schnaube wütend: „Natürlich muss ich nicht mit! Aber wir brauchen ganz sicher nicht ihre Hilfe! Was soll sie schon über Verwandlungen wissen?" Ich drehe mich beleidigt weg.

Ich werde eher sterben, als mich auf meine Mutter zu verlassen!

Lyall seufzt frustriert: „Es geht hier nicht um sie! Es geht hier nicht mal um ihre Hilfe! Wir schauen einfach nur, ob das Buch bei ihr ist, und wenn ja, leihen wir es uns aus! Es ist keine große Sache und unsere einzige Idee, also wenn dir nichts Besseres einfällt, machen wird das, verstanden?"

Eric spannt sich sichtlich an und Silas winselt leise.

Myriam stattdessen springt plötzlich auf: „Mir ist was Besseres eingefallen!"

Ich ziehe abwartend die Augenbrauen hoch, zu wütend, um etwas zu sagen, das nicht wie eine Beleidigung klingen soll. Allein die Erwähnung meiner Mutter reicht aus, damit ich vor Wut fast überkoche!

„Vielleicht muss sich Silas einfach mit irgendetwas verbinden, dass ihn an seine menschliche Seite erinnert!", erklärt Myriam begeistert und grinst in die Runde.

Lyall zuckt zusammen: „Natürlich! Ich hatte das eigentlich schon vor, hab es aber wieder komplett vergessen!"

Neben ihm schnaubt Silas empört, Vergessen? Das war wichtig!

Mein Bruder windet sich verlegen: „Ich weiß, aber dann hast du dein Bewusstsein auch ohne das wiederbekommen und ich einfach nicht mehr dran gedacht!"

Dann zuckt er zusammen, als Silas ihn leicht mit den Zähnen ins Bein kneift. „Das hab ich wohl verdient", murmelt er leise und der Wolf nickt zustimmend.

„An was hattest du denn gedacht?", fragt Eric ihn interessiert, nachdem sich mein Bruder von dem Kniff erholt hat. „Erstmal nur an Bilder. Einem Mitglied aus dem Rudel hat das scheinbar früher geholfen, also dachte ich ein Versuch kann nicht schaden!", Lyall zuckt mit den Schultern.

Schnell zieht Eric sein Handy hervor und scrollt durch die Galerie, bis er ein Foto von Silas entdeckt. Er hält es seinem Freund unter die Schnauze und fragt keine Sekunde später: „Und? Spürst du etwas?"

Silas schüttelt enttäuscht den Kopf, Nichts.

Lyall will ihm über den Kopf streichen, aber Silas springt hastig vom Stuhl und läuft zur Tür.

Ich mache einen Spaziergang, flüstert er bedrückt. Seine Ohren hängen nach unten und sein Schwanz streift über den Boden, während er läuft. Er sieht einfach nur elend aus.

„Ich komme mit!", ich springe auf. Nach dem Gefühlsausbruch vorhin tut mir ein Spaziergang sicher gut und Silas muss dann auch nicht alleine gehen!

Silas wedelt schwach mit dem Schwanz und wartet bis ich die Tür aufmache.

„Vielleicht fällt euch ja noch was anderes ein!", rufe ich der restlichen Gruppe zu und schließe die Tür hinter uns.


So, das nächste Kapitel ist dann wieder aus Silas Sicht.

Das wird sicher lustig, die Ausgangsperre wegen der Jäger besteht ja eigentlich noch. Mal schauen, ob die noch da sind 😉

Bis dann!


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