20. Kapitel

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Eric führt mich zur Terrasse einer kleinen Holzhütte.

Die Sonne blinzelt immer nur kurz hinter dicken Wolken hervor, aber in einer Jacke und einem warmen Pulli ist es draußen noch gemütlich.

Zufrieden lasse ich mich auf einen der Stühle fallen. Eric kratzt sich nervös am Nacken: „Ich muss mit dir reden!"

Ich deute auf den freien Stuhl neben mir: „Wir haben alle Zeit der Welt!"

Eric sinkt auf den Stuhl, als hätte er Angst, dass seine Beine versagen, wenn er noch länger stehen bleibt.

Göttin, damit macht er mich irgendwie nervös. Ist denn etwas schlimmes passiert?

Er räuspert sich verlegen: „Also, als du das erste Mal im Lager warst..." Er schaut fragend an und ich nicke, um ihm zu zeigen, dass ich mich daran erinnere.

„Da habe ich bemerkt, dass du... Also, dass wir... Mates sind?", Eric sieht völlig hilflos aus und ich verliere mich einen Moment in seinen unruhig hin und her huschenden Augen. Dann erst registriert mein Hirn, was er gerade gesagt hat.

„Was? Aber ich habe...", ich streife mir verwirrt die Haare aus dem Gesicht: „Das kann gar nicht sein! Ich hab davon nichts mitbekommen!"

„Das habe ich auch gemerkt!", Eric verzieht das Gesicht: „Aber ich weiß es!"

Ich sinke in mir zusammen und vergrabe den Kopf in den Händen. Ist mein Wolf wirklich so verkorkst, dass ich so was nicht mitbekomme?

Ich habe ewig geglaubt, dass ich überhaupt keinen Mate habe! Ich kann mich ja nicht einmal wirklich verwandeln! Also ich kann es, aber nicht immer willentlich und es tut weh und ...

Meine Gedanken rasen und ich höre meinen Herzschlag in meinen Ohren widerhallen.

Es tut weh. Atmen tut weh.

Ich huste und versuche die Luft anzuhalten. Ich will das nicht. Nicht hier, nicht jetzt. Gar nicht mehr!

Der Schmerz bleibt und pocht in meinem Kopf. Ich ziehe zittrig die Luft ein und beiße mir auf die Lippe, als ich spüre, wie meine Haut aufreißt.

An meinem rechten Arm sprießt rotes Fell und meine Zähne wachsen und schlitzen mir die Lippe auf. Ich lecke hastig das Blut weg und versuche meine Atmung ruhig zu halten.

Keine Panik. Alles ist gut. Die Schmerzen werden wieder weg gehen. Die Wunden werden heilen. Alles wird wieder gut. Ich muss nur ruhig bleiben.

Ich habe die Augen fest zusammengekniffen und konzentriere mich darauf meine aufsteigende Übelkeit runterzukämpfen.

Atme ein und aus. Der Raum dreht sich nicht, wenn du ihn nicht siehst. Atme aus und ein.

Meine Nägel sind zu Krallen geworden und ich spüre, wie mein Unterarmknochen wächst und meine Handknochen zusammenbrechen.

Ich jaule leise auf. Alles wird wieder gut. Ich muss das nur aushalten, dann wird alles irgendwann vorbei sein.

In meinen Ohren rauscht es und falls Eric etwas sagt, kann ich es nicht hören. Ich vergesse, dass er neben mir sitzt und als sich eine Hand auf meine Schulter legt, fahre ich erschrocken zusammen.

Dann krümme ich mich, weil abrupte Bewegungen weh tun. Alles tut weh, als würde ich kochen und schmelzen, aber Erics Hand ist kalt und ich beruhige mich langsam.

Ich lehne mich in seine Berührung und atme. Einfach atmen. Es funktioniert wieder und ich lache erleichtert auf. Vielleicht schluchze ich auch. Vielleicht ist es auch eine Mischung aus beidem.

„Geht es wieder?", flüstert Eric vorsichtig. Als würde ich bei einer zu lauten Stimme zerbrechen.

Ich nicke und lächle leicht: „Ja, alles gut!"

Er starrt mich an und ich betaste meine Zähne. Ein halbes Wolfsgebiss also. Und mit einem Blick auf meinen Arm füge ich noch haufenweise Fell und eine Pfote dazu.

Ich atme tief ein und bemühe mich die Teilverwandlungen rückgängig zu machen, aber Eric starrt mich immer noch an und ich kann mich nicht konzentrieren.

Ich werfe ihm einen Blick zu. Er zuckt zusammen: „Sorry, ich wollte nicht unhöflich sein, aber... Das ist..."

„Es ist seltsam, ich weiß!", unterbreche ich ihn.

„Nein! Es ist total cool, wie du das durchhältst! Ich meine, wie lange ...", er fuchtelt wild mit den Händen umher und ich muss grinsen.

„Seit ich mich das erste Mal verwandelt habe. Naja, es bereitet mir immer Schmerzen, aber manchmal passiert halt auch das!", ich weise auf meinen Arm und wedele mit der Pfote herum, die langsam wieder menschlichere Züge annimmt. Das Zurückverwandeln ist zum Glück nicht ganz so schmerzhaft.

Erics Augen funkeln quasi: „Das ist bestimmt ne Scheiß-Situation, aber ehrlich... Du bist beeindruckend! Ich meine, ich könnte das nicht! Gut, du hast keine Wahl, aber ich meine das du damit so ruhig umgehst und einen klaren Kopf behältst und alles!"

Er wird rot und wendet sich verlegen ab: „Das ist bestimmt ziemlich unsensibel, sowas zu sagen!"

Ich lächle sanft: „Ist okay. Es ist eine schöne Abwechslung zu dem Mitleid, das ich sonst immer kriege!"

Dann beuge ich mich nachdenklich vor: „Aber das könnte der Grund sein, warum nur du den Mate-Bund mitgekriegt hast! Ich habe keine wirklich enge Bindung zu meinem Wolf und naja, Mates sind ja eher eine Werwolfgeschichte, oder?"

Eric nickt zögerlich: „Du glaubst mir also?"

Ich zucke mit den Schultern: „Warum solltest du lügen? Und deine Berührung hat mir vorhin echt geholfen... Entweder das ist Zufall oder wir sind Mates!" Ich grinse wie blöd.

Ich habe (vielleicht) echt einen Mate! Natürlich steht es noch nicht sicher fest und was ist eigentlich wenn ich den Bund nie spüren werde? Trotzdem freue ich mich über die Möglichkeit. Es sorgt dafür, dass ich mich normaler fühle. Mehr wie der Werwolf, der ich sein sollte.

Ich räuspere mich: „Es ist nur... Was willst du tun, wenn ich den Bund nie spüre? Du könntest der Einzige sein, der davon beeinflusst wird."

„Dann muss ich wohl dafür sorgen, dass du auch ohne Seelenverwandtschaft mit mir Zusammensein willst!", er grinst mich schief an. Ich grinse schief zurück.

„Wir gehen es langsam an, okay?", fragt er vorsichtig: „Du kannst dir erstmal darüber klar werden, was das alles für dich bedeutet und in der Zwischenzeit kümmern wir uns um Silas. Danach können wir nochmal darüber reden! Ich wollte es dir nur sagen. Es hat sich angefühlt, als hätte ich ein Geheimnis vor dir und das hat sich nicht so toll angefühlt!"

Ich nicke erleichtert. Eric ist nett und einfühlsam. Egal, wie es ausgehen wird, es wird schon gut werden.

Ich spreize meine Hand, die wieder Fell- und Krallenfrei ist und fahre mit der Zunge meine kleinen, menschlichen Zähne nach.

Alles ist gut.


So, heute tatsächlich mal zu einer halbwegs plausiblen Uhrzeit, ich bin stolz auf mich!

Ich finde die beiden ziemlich süß zusammen, auch wenn sie noch einen langen Weg vor sich haben.

Erstmal lösen wir (hoffentlich) das ganze Chaos mit Silas und Lyall ^^

Bis dann


By your sideWhere stories live. Discover now